43

79 24 3
                                    

Lena errötete nur wieder verlegen und bedeckte sich schamhaft mit der anderen Hand, damit er nicht zu viel von ihr sah, doch er nickte nur wieder ruhig, lächelte ein klein wenig, ließ ihre Hand los und ging hinaus.

„Hm, wenn er es denn nun unbedingt so betrachten will...", murmelte Kitoma nun sichtlich irritiert vor sich hin und lächelte dann ebenfalls zögerlich.

„Dann kommt, Meine Lady wir sollten uns nun gründlich waschen bevor die Krieger und Arbeiter ihr Morgentraining oder das Tagewerk vor dem Mittag beenden und hereinkommen."
„Können sie mich nicht einfach Lena nennen und das Meine Lady und Euch weglassen?", fragte sie Kitoma nun doch wieder scheu und zurückhaltend und sah sie unsicher an.
Kitoma war überrascht und erfreut über ihre spontane Anerkennung und nickte zustimmend.
„Natürlich Lena, wenn es dir so gefällt. Du bist jetzt ebenso meine Tochter wie Kyl mein Sohn ist, doch als neue Hochlady werde ich dich angemessen ansprechen, wenn es um offizielle Dinge geht und es nie am nötigen Respekt fehlen lassen. Es wäre fatal für dich, käme heraus das die Hochlady unter einem Einfluss stünde, oder gar gemaßregelt würde... oder aber das sie Furcht vor der letzten hohen Lady des Reiches verspürt. Dann müsste ich mich noch viel weitergehend demütig zeigen, bis deine Scheu mir gegenüber verschwunden ist, mich auch mal hier und da in meine Schranken zu verweisen.
Denn das ist bei uns so Brauch.", nickte sie bekräftigend weil Lena sie nur groß anstarrte und den Mund nicht mehr zubekam.
„Schließlich kann es nur eine Hochlady Takolias geben und du musst dir immer in der Öffentlichkeit stehend bewusst machen dass das was du bist gewogen, gemessen und bewertet wird. Unter uns gesagt aber... im Kreise der Familie sitzend, da kann ich dich dutzen und du mich natürlich ebenso. Ich werde immer Kitti genannt.", verriet sie ihr lächelnd.

„Das... weiß ich bereits aber... wenn du ernsthaft auch gemaßregelt  werden willst... das was du da eben gerade gesagt hast, ist ... finde ich ... der größte Mist.",  murmelte Lena finster vor sich hin. „Warum kann man sich nicht einfach immer dutzen? Warum denn nicht auch in der Öffentlichkeit? Warum kann man nicht ganz normal miteinander umgehen, ohne die Verbeugerei und Katzbuckelei, das schafft doch nur Neider und das Gefühl eine absolute Macht in den Händen zu haben.
Doch die hat man gar nicht.
Das Volk hat viel mehr Macht als ein einzelner Herrscher. Man kann vielleicht sagen he du, lass das bleiben. Aber sagt man es zu vielen tausend Menschen und die wollen es aber gar nicht bleiben lassen, dann hat man ein Problem. Genau so hat sich ja schließlich auch Frankreich in ihrer Revolution von seinen Königen und dem Adel befreit. Ein Herrscher, der das Volk hungern ließ und selbst von goldenen Tellern das beste und feinste Essen speiste. Der das üppigste und tollste hatte. Dessen Frau alles Gold, das sie hatte nicht für die Armen und Waisenkinder, sondern für ihre Blumengärten ausgegeben hat. Wissen sie was mit denen passiert ist?", fragte Lena sie nur ehrlich besorgt..
Kitoma runzelte nur kopfschüttelnd die Stirn.
„Mann hat erst die beiden und dann auch ihre
kleinen Kinder geköpft und dann bei der Gelegenheit auch gleich noch alle anderen adeligen, also die Edlen, die um sie herum und ebenfalls reich und vormals Mächtig genannt waren.
Alle, die sich die Taschen voll gemacht haben und sich über das einfache Volk erhoben.
Das war bei uns achte Klasse Realschule, französische Revolution. Geschichtsunterricht. Und ich hab schon Kyl von dem Königspaar in Holland erzählt, dass in einem ganz normalen, na gut schon richtig schön ausgestatteten Haus, aber dafür in einem ganz normalen Ort wohnt und da täglich spazieren geht und das fast ohne behelligt zu werden – so wie eben jeder Mensch lebt.
Die tragen da nicht dauernd ihre Kronen spazieren, sondern nur zu ganz besonderen Anlässen. Und sie haben einen Rat, der nicht aus Adeligen besteht, sondern aus Volksvertretern, die auch nur vom Volk ausgewählt werden und zwar alle zwei bis vier Jahre neu, Frauen und Männer, sodass auch mal andere dran kommen und es vielleicht besser machen als die Alten. Das nennt man dann Demokratie in einer Monarchie.  Also konstitutionelle Monarchie – Aber was rede ich, hier ist natürlich alles einfache Monarchie ... oder vielleicht sogar Diktatur?", fragte sie Kitoma nachdenklich, die das Menschenmädchen nun höchst fasziniert betrachtete.
„Du bist etwas besonderes, Lena, weißt du das eigentlich? - So jung, erst siebzehn, und schon so belesen, informiert und pflichtschuldig..."
„Ach das hat er ihnen also auch schon erzählt, wie alt ich erst bin?", murrte Lena schon wieder verunsichert und begann sich dann erst mal frustriert zu waschen. „Als ob es noch nicht reicht dass ich nur ein Mensch bin, jetzt hält mich bald jeder auch noch für ein dämliches Kind, wie passend. Und da soll man dann noch irgendwas ladyhaftes erhabenes sein, - ja klar.", zog sie sich seufzend den Stirnreif ab und hängte ihn sich über ihren Arm, um unterzutauchen und ihre Haare noch mal gründlich durchzuspülen.
Doch als sie wieder auftauchte waren sie schon wieder nicht alleine im Wasser. Instinktiv duckte sich Lena hinter den Felsen, schließlich konnte man ja nie wissen wer da kam.
Die Stimme des Mädchens dass da sprach war dann auch schneidend und scharf.
„Hat das dumme Ding hier eben wirklich gerade eine besonders zellebrierte Zeremonie für ein einfachgeborenes, unbegabtes Tak-Baby gehalten?
- Kitoma ... was für eine Schande muss das für dich sein, deine Macht an so eine einfältige, kleine Person abzugeben.", spottete die hohe, klare Stimme bissig und Lena schaute kurz erstaunt zu Kitoma hin, die sich aber nur in aller Seelenruhe wusch und ihren Blick höchstens flüchtig erwiederte.
„Was willst du Kallila, einen Streit mit der Familie Tak-Ninjah, nur weil mein Sohn nicht dich erwählt hat, wie du es gerne gesehen hättest? Er hätte dich sicherlich genommen, wärst du nicht so selbstgefällig und egoistisch gewesen. Ich persönlich muss sagen, mir gefällt meine neue Amna ausgesprochen gut. Sie hat ein warmes und sehr mitfühlendes Wesen, für alle Tak, nicht nur für die ausgesucht Edlen."

„Ach edel... als ob du das als abgedankte Herrscherin noch wärst. Wie man hört hat sie dich noch nicht einmal in ihre Kammerschaft berufen und wird sogar von dir gesiezt, dabei ist sie deine Amna. Außerdem musste sie sogar im Schlaf hergenommen werden, wie man hört. Sie scheint also doch ein recht verkrampftes, kleines Ding zu sein."

„Du solltest nicht auf diese herablassende Weise über die Hochlady sprechen, Kallila, man weiß nie wer gerade zuhört und es könnte dir Nachteile bringen, erfährt man durch deinen eigenen, bösen Mund wie schwarz deine Seele wirklich ist. Du lästerst ihr offen und das ist Hochverrat.", meinte Kitoma nur sehr leise und sanft klingend.
„Ach und du willst ihr natürlich sagen was ich über sie gesprochen habe, ja? Denkst du sie wird sich für die alternde Tak-Mutter ihres Gemmes interessieren, wenn sie so viele junge Frauen und Edle um sich scharen kann, die ihr nach dem Munde sprechen werden? Glaub mir, es wird ihr deutlich mehr gefallen bei den Spielen zu ihrer Zerstreuung mitzutun und dem Katsch der Mädchen über die Vorzüge der Krieger zuzuhören als dir, Kitoma, du altes Haflika."

Oh-oh...
Lena sah erneut forschend zu ihrer Schwiegermutter hin und diese wieder ganz kurz zu ihr, prüfend und trotzdem gelassen, bevor sie sich das Haar elegant untertauchend ausspülte und dann erst wieder zu dem frechen biestigen Mädchen hinaufblickte.
„Nun, dann wünsche ich dir viel Glück bei deinen Bemühungen, dich der neuen Hochlady als interessantere Unterhaltung anzubieten, Kallila Tak-Lyrden.", wünschte Kitoma ihr seelenruhig.

Lena tauchte ebenfalls noch einmal kurz unter um ihr Haar zu glätten und nahm ihren Stirnreif vom Arm, drehte ihn schnell so wie er eigentlich gehörte und setzte ihn mit einem kleinen biestigen Schmunzeln auf den Lippen auf, bevor sie Kitoma, die gerade wie eine erhabene Göttin aus dem Quell hinausstieg mit bemüht ausdruckslosem Gesicht folgte.
„Was... wie...", setzte das Mädchen bei ihrem Anblick an zu sprechen, verstummte dann aber doch wieder, denn es gab dazu tatsächlich nichts mehr zu sagen.
Sie war ertappt.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt