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Um mich herum wirkte plötzlich alles so still und ruhig - doch innerlich erlebte ich das pure Chaos. Einerseits war ich immer noch unter Schock über die vorherige Situation und angewidert davon, was er mir psychisch antun wollte. Mich überkam andererseits aber auch Mitleid, als ich Misha musterte, die reglos vor mir auf dem Boden kniete.

Trotzdem war ich ebenso stolz und erleichtert. Stolz darüber, dass ich einem Alpha die Stirn geboten hatte und erleichtert darüber, dass er gegangen war. Ich hätte dieses Theater nicht länger ertragen, ganz egal ob auch ich Macht über ihn und seinen Wolf hatte. Dieser Köter war die tiefste Dunkelheit, die man sich vorstellen konnte. Da gab es keinen Funken Licht in seiner Aura, der einen irgendwie freiwillig dazu bringen würde, an seiner Seite sein zu wollen. Mir brachte seine Nähe nur einen Impuls hervor - und zwar den zu fliehen. Fliehen vor all dem Schmerz und all dem Zwang, den ein Leben an seiner Seite einem bringen würde.

Bei diesen Gedanken schlich sich mir eine andere Frage in den Sinn, während mein Blick erneut herab zu Misha fiel.

"Ist es für dich angemessen, so von einem Mann behandelt zu werden?", fragte ich sie geradeheraus. Doch sie lächelte nur dreckig und stand dabei etwas ungeschickt auf. Hektisch rückte sie ihr freizügiges Nachthemd zurecht, um anschließend zur Tür zu laufen. Bevor sie allerdings ebenfalls das Zimmer verlassen konnte, hielt sie noch einen Moment inne.

"Er ist mein Alpha und meine erste große Liebe", erklärte sie mit dem Rücken zu mir gewandt und drehte sich anschließend zu mir herum. "Und ich hasse dich dafür, was du ihm antust! Du siehst ihn nicht, oder eher gesagt willst du ihn gar nicht sehen! Du denkst nur an dich und bist der größte Abschaum, der je dieses Haus betreten hat! Doch es soll mir nur recht sein! Sobald du es endlich geschafft hast, dass er dich weg schickt, werde ich ihm schon den Trost spenden, den er verdient hat!"

"Da bin ich aber beruhigt", entkam es mir mit hochgezogener Augenbraue und nachdem sie um die Ecke in den Flur verschwunden war, schüttelte ich über sie und ihre Worte den Kopf.

Wie konnte eine Frau, die auch nur ein bisschen was von sich hielt, sich so benutzen lassen? Er hatte nicht nur mir mit seiner Aktion weh getan - sondern auch sie benutzt, als wäre sie seine Marionette und nur dazu da, seinem Willen zu folgen.

Genau das waren auch immer schön Gründe für mich, das Wolfsein, welches tief in mir verankert war, in manchen Nächten zu hassen. Bei Menschen gab es solch Zustände nicht. Sie verliebten sich über die Zeit und lernten ihren Partner dadurch kennen. Bei uns Wölfen bestand alles aus Zwang! Was der Alpha sagte, war Gesetz und das nutzten diese aufgeblasenen Mistkerle auch noch schamlos aus.

"Er ist kompliziert."

Irrtiert über die mir unbekannte Stimme starrte ich neugierig zur Seite und erkannte schon am Geruch Petra, die zögerlich ins Zimmer gelaufen kam.

"Aber er hat auch eine gute Seite."

"Ich dachte, du redest mit niemanden", gab ich ihr zurück, da nickte sie zustimmend und fing seelenruhig an, die Wäsche aus ihrem Korb ordentlich in den Schrank zu räumen.

"Es ist mir nicht erlaubt, mich mit den Frauen hier zu unterhalten."

"Aber ich bin auch nur eine Frau, die hier festgehalten wird."

"Nein", widersprach sie mir und legte dabei ein wehmütiges Lächeln auf. "Du bist unsere Luna", erklärte sie weiter und wäre sie nicht so nett in ihrer ganzen Art gewesen, hätte ich ihr spätestens jetzt den Vogel gezeigt und mich über ihre Worte lächerlich gemacht. "Und wir brauchen schon lange eine Luna."

Ganz behutsam ordnete sie Kierans Jeanshosen ein, um immer wieder flüchtig zu mir herüber zu sehen. Ich hingegen wich ihrem Blick aus und wusste überhaupt nicht mehr, was ich ihr darauf erwidern sollte. Sie spürte wohl, wie überfordert ich war und stellte plötzlich den Korb vor sich ab, um einige vorsichtige Schritte auf mich zu zu machen.

Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt