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Unsicher sah ich zu Kieran auf, während er mich an meinen Händen zur Tanzfläche zog und seine Augen dabei nicht einen Moment von den meinen nahm. Wieso tat er mir das an? Wieso wirkte er jetzt wieder ... so liebevoll? Wieso verschwanden all die Zweifel aus mir, wenn ich ihm nur die kleinste Chance gab, mich von solch einer Nähe zu betrachten? Ich wollte keinerlei Emotionen empfinden und doch, tat es unbeschreiblich gut, für einen kurzen Augenblick nicht wütend, verletzt oder tieftraurig zu sein.

"Worüber denkst du nach, Marcelina?"

Kaum hatte Kieran eine Hand auf meine Taille gelegt, zog er meinen Körper noch näher an seinen heran. So nah, dass ich seine Wärme spüren konnte, als wäre es meine eigene.

"Über nichts", log ich und ließ mich dabei von ihm zu dem sanften Takt der Musik bewegen. Die anderen Paare um uns herum, blendete ich vollkommen aus und auch Damien verblasste immer mehr in meinen Gedanken. Zurück blieb nur er, wie er mich führte, als hätte er nie etwas anderes getan. Was war das nur? Es fühlte sich so unreal an...

"Das soll ich dir glauben?", hakte Kieran mit dunkler Stimme nach, doch ich legte meinen Kopf seitlich an seine Brust, um seinen eindringlichen Blicken auszuweichen. Ich war wie gefangen. Gefangen zwischen meinen eigenen Empfindungen und dem Bedürfnis, diesen Alpha etwas heimzuzahlen. Doch war es das wert? Was hatte er mir schon großartig angetan? Mich entführt? Das hätte jeder andere Alpha auch getan, sobald die Mondgöttin ihm mich auferlegt hätte. Dass meine Wölfin weg war, erlag dennoch meiner eigenen Schuld... Er war nicht für alles, was zwischen uns stand, verantwortlich... "Marcelina?"

Kieran wich einen kleinen Schritt von mir zurück und legte seine Finger behutsam unter mein Kinn, um mein Gesicht etwas anzuheben. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Tränen über meine Wangen liefen. Erst, als er sie sanft weg wischte und mich voller Sorge musterte, wurde mir bewusst, dass wir trotz unseres Hasses eins waren. Egal was wir uns noch antun würden - wir wären auf ewig durch das Schicksal miteinander verbunden und würden einander nie los lassen können. Sein Schmerz würde meiner sein und mein Leid das seine. Doch wenn ich mich selbst ohne Wölfin so fühlte, wie konnte er sich dann mit anderen Frauen amüsieren und mich damit verletzen? Wehrte sein Wolf sich nicht dagegen? Spürte er nicht, wie eifersüchtig es mich machte, oder wollte er damit nur eine Reaktion meinerseits bezwecken. Was waren seine Gedanken hinter all diesen Taten?

"Kieran...", hauchte ich zu ihm auf und nahm dabei meinen ganzen Mut zusammen, um gleichzeitig meinen Stolz für diesen Moment beiseite zu schieben. Das Kämpfen gegeneinander war zu Kräfte zehrend, als dass ich es hätte noch länger ertragen können.

"Ja...?", flüsterte er, als ich wohl zu lange brauchte, meine Gedanken in Worte zu fassen. Das Lied hörte auf und auch wir bewegten uns nicht mehr. Trotzdem blieb Kierans Hand an meiner Taille liegen, während die andere immer noch mein Kinn anhob. Es war, als würde er mich nicht los lassen wollen, ganz gleich ob wir in ewiger Stille hier verweilen würden.

"Warum diese Frauen? Warum hast du sie nicht weg geschickt, als du mich in dieser Villa eingesperrt hast?"

Fragend blickte ich ihn an und sah diese Schuld in seinem sonst so düsteren Ausdruck. Er wusste ganz genau, wie sehr es mich quälte, doch gerade, als er zum Sprechen ansetzte, räusperte sich jemand hinter uns.

"Der Rat erwartet dich", sprach Damien Richtung Kieran, doch dieser beachtete ihn gar nicht und nahm weiterhin nur mich mit seinen Blicken gefangen.

"Kieran?"

"Warte!", wurde der Alpha lauter, als Damien immer nervöser wurde, doch ich wollte Damien nicht noch weiter verägern und hatte dabei auch Charlie im Sinn. Nur widerwillig wandte ich mich also von Kieran ab, um einige Schritte zur Seite zu laufen.

"Geh ruhig. Ich warte hier", erklärte ich und obwohl Kieran nicht so aussah, als würde er mich stehen lassen wollen, verschwand er dann doch schnellen Schrittes an Damien vorbei ins Foyer.

"Was hast du vor?", wollte Damien wissen, da nahm ich ihn feindseelig ins Visier.

"Nichts! Ich war lediglich höflich!"

"Achja?", hakte er nach und sah sich kurz um, um anschließend näher an mich heranzutreten. "Du kleines Miststück sollst nicht höflich sein! Du sollst dem Rat da oben gleich erzählen, dass du-"

Damien verstummte plötzlich und mavhge einen Schritt zurück, was mich ihn irrtiert betrachten ließ. Kurz darauf wusste ich aber, wieso er es tat und erkannte zwei Männer in den Saal kommen, die direkt auf mich zugekauft kamen.

"Marcelina. Begleite uns bitte", forderten sie und ich warf einen letzten Blick zu Damien, der nur bestimmend nickte.

Mit einem Zwiespalt, der mich beinahe zeriss, folgte ich den beiden Männern in schwarz bis ins Foyer, wo sie aber eine weitere Tür neben der Treppe öffneten.

"Ich dachte, die Ratsversammlung wäre oben?", brachte ich nervös hervor, da machte aber einer der beiden nur eine Geste, dass ich vorlaufen sollte. Ich tat mit einem unwohlen Gefühl im Magen genau das und trat in ein großes Büro ein, dass auf den ersten Blick wirklich altmodisch wirkte.

Ein alter Plattenspieler stand unter einem der hohen Fenster, während sich direkt vor mir ein breiter, dunkler Schreibtisch befand. Die Wände bestanden aus Holz und der Boden war belegt von einem dunkelroten Teppich.

"Setz dich", hörte ich plötzlich eine Stimme und starrte erschrocken zu meiner Seite. Ein älterer Herr mit grauen Haaren und dunklem Anzug zeigte zu einem der Stühle. Mir fiel die Zigarre in seiner Hand auf und auch der starke Geruch von dieser, wehte mir im nächsten Moment durch meinen Verstand.

Ohne weiteres lief ich einige Schritte in das Büro herein und ließ mich auf dem vorderen Stuhl nieder, um gleichzeitig zu spüren, wie meine Hände leicht anfingen zu zittern.

"Weißt du, wer ich bin?"

Der Mann kam um den Tisch herum und ließ sich gemächlich auf dem breiten Schreibtischstuhl nieder, um mich dabei neugierig zu mustern.

"Nein" erklärte ich und nahm flüchtig das Gemälde hinter ihm an der Wand ins Visier. Er war darauf abgebildet - einzig weniger Falten zierten seine Haut.

"Solltest du aber. Immerhin lebst du bei meinem Enkel."

Irritiert starrte ich den Mann vor mir an, der an seiner Zigarre zog und mir den Rauch entgegen pustete.

"Und außerdem, bin ich auch der Oberalpha in diesem Gebiet. Zumindest so lange, bis einer dieser nichtsnutzigen Alphas endlich Nachwuchs zeugt."

Und da wurde mir einiges klar... Im Grunde, wurde mir alles klar. Damien wollte mich und Kieran nicht nur auseinander bringen, weil er das Rudel übernehmen wollte. Er wollte auch verhindern, dass Kieran je die Chance bekommen würde, Oberalpha zu werden. Dazu diese Frauen! Diese vielen Frauen! Er wollte Nachwuchs, doch sollte es nicht von der Natur aus schon festgelegt sein, dass er diesen sowieso nur mit mir zeugen kann?

"Mir ist da aber etwas zu Ohren gekommen, Marcelina", sprach der Mann weiter und fuhr sich dabei durch seine grauen Haare. "Du willst dich nicht binden und schon gar keine Kinder austragen von meinem Enkel. Dazu hat mir auch ein Vögelchen gezwitschert, dass du gar keine Wölfin sein sollst."

"Ein  Vögelchen, oder ein Verräter?", entkam es mir ohne nachzudenken und sofort fing dieser Mann bösartig an zu grinsen, während hinter mir die Tür geöffnet wurde. Ich drehte mich neugierig herum und erkannte einen der Männer, die mich hergeführt hatten.

"Sollte deine Wölfin stark sein, dann sollte sie kein Problem haben, mit so etwas in wenigen Minuten fertig zu werden."

"Mit was?", fragte ich hektisch nach und spürte im nächsten Augenblick eine Hand auf meinem Mund. Erschrocken fing ich an zu zappeln, doch ich entkam ihm nicht und brachte einen stummen Schrei hervor, als dieser Mann mir plötzlich ein Messer mitten in den Oberschenkel rammte.

"So, jetzt warten wir, ob das Vögelchen Recht behalten soll. Immerhin ist mein Enkel 24 und wird in wenigen Wochen 25. Damit ist seine Frist vorbei und ohne Luna und ohne Nachwuchs, wird er sich einem Kampf auf Leben und Tod beweisen müssen, um Alpha zu bleiben."

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Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt