-24-

3.5K 344 112
                                    

Nur langsam öffnete ich meine müden Augen. Mein Körper fühlte sich mir vollkommen ungewohnt an - so schwach... kalt... erschöpft. Es dauerte eine kurze Weile, bis ich gedanklich ins Hier und Jetzt fand, während ich mich im Zimmer umsah und die Hölle wieder erkannte.

Er hatte mich also zurück gebracht... Was hatte ich auch anderes erwartet von diesem Monster.

Mühsam riss ich die dicke Decke von meinem Körper und musterte das schwarze Shirt und die dunkle Jogginghose die ich anhatte. Zu allem Überfluss hatte er mich also auch noch umgezogen...

Beschämt darüber setzte ich mich auf die Kante des Bettes und hielt mir frustriert meine Stirn. Ich war so weit gekommen und doch, brachte ich mich selbst an einen Punkt, der viel schlimmer wirkte, als alles andere zuvor. Meine Wölfin war gegangen... Wohin wusste ich nicht. Ob die je zurück kommen würde? Auch das konnte ich mir nicht beantworten, denn so etwas hatte ich noch nie bei jemandem miterlebt. Ich war wohl wirklich eine Vollkatastrophe... aber was blieb mir anderes übrig?

Ganz vorsichtig stellte ich mich auf und mich traf mit einem Schlag die gesamte Wucht dieser Veränderung.

Meine Knochen schmerzten, was mir Herzrasen bescherte, denn solche Schmerzen waren mir vollkommen fremd. Auch die Kälte, die mich einnahm, war kaum zu ertragen und ich verstand nicht, wie ich das auch nur einen Tag ertragen sollte. Dazu das Gefühl, nichts mehr riechen zu können. Sonst nahm ich jeden noch so kleinen Geruch wahr. Jetzt war da nichts mehr - oder eher gesagt musste ich mich anstrengen, überhaupt etwas zu riechen.

"Bitte, oh Mondgöttin bitte", hauchte ich und lief zum Fenster herüber, um raus in die Natur zu sehen. Das Gewitter hatte zwar aufgehört zu wüten, jedoch regnete es immer noch im Strömen und der Himmel war überzogen von dunklen Wolken. Selbst hier fiel mir erneut etwas auf. Wo ich sonst alles ganz genau erkennen konnte, hatte ich jetzt wirklich Probleme damit, in weite Ferne zu sehen. Meine Augen schienen unscharf, als würden Tränen darüber liegen und ich riss mich erschrocken darüber vom Anblick der Bäume los.

Das durfte alles nicht wahr sein! Dieser Köter hatte mich nicht nur meinen Eltern, meinen Freunden und meinem Zuhause entrissen - er hatte es sogar geschafft, mir all das zu nehmen, was mich ausgemacht hatte.

Unbändige Wut kam darüber in mir auf und es dauerte nur Sekunden, in denen ich beschloss, ihn darüber zur Rede zu stellen. Entschlossen lief ich zur Tür herüber und riss diese wütend auf, um daraufhin den Flur entlang zu laufen und die Treppen nach unten zu nehmen.

"Mistkerl!", rief ich unter hektischer Atmung und bog gerade ins Wohnzimmer ein, wo ich plötzlich ihn und Damien erkannte, die sich wohl unterhalten hatten. Beide sahen sofort zu mir herüber, doch ihr Ausdruck ähnelte sich keiner Weise.

Während Damien nämlich ein dreckiges Grinsen auflegte und dabei eine Augenbraue hochzog, erkannte ich in Kierans dunklen Augen nur noch Mitgefühl und so etwas wie Sorge...

"Lass uns alleine", sprach er mit seiner dunklen Stimme in Richtung seines Betas, der daraufhin auch gleich aufstand und an mir vorbei in den Flur verschwand. "Setz dich, Marcelina."

Kieran zeigte vor sich auf die Couch und obwohl ich am liebsten geschrieen hätte, kam ich ohne ein Wort zu sagen seiner Bitte nach. Ich wollte ihm wenigstens noch ein einziges Mal die Möglichkeit geben, mich freiwillig gehen zu lassen. Immerhin spürte ich aufgrund des Verschwindens keine Verbindung mehr zu ihm und sollte es bei ihm genauso sein, wäre doch alles perfekt ... Zumindest alles, außer mein Zustand, der mir wirklich Angst machte. Das wollte ich vor ihm aber nicht zugeben.

"Was solltest das gestern?!"

Fassungslos starrte ich ihn an, während ich mich auf das schwarze Sofa sinken ließ und wirklich dachte, er wollte mich mit seiner Frage verarschen.

"Du beginnst das Gespräch also mit einer vorwurfsvollen Frage. Sehr empathisch - wie immer", gab ich ihm nach kurzer Zeit etwas gefasster zurück und er schien sich darüber auch noch zu wundern.

"Ich wollte dir keine Vorwürfe machen, kleine Tyrannin", erwiderte er mir und lehnte sich dabei etwas vor, um mir intensiv in meine Augen zu sehen. "Ich versuche lediglich, dich zu verstehen."

"Brauchst du nicht!", wurde ich lauter, da ich es überhaupt nicht leiden konnte, wenn er mich mit seinen Blicken so fixierte. Ich wich ihm also aus und sah stattdessen hinaus aus der Fensterfront, während ich zornig über alles meinen Kiefer zusammenpresste. Natürlich spürte ich weiterhin seine Blicke auf mir, doch ich igrnorierte es und stand selbstbewusst auf.  Ein tiefer Atemzug und ich war es, die ihn nun von oben herab fixierte.

"Meine Wölfin ist gegangen - damit auch unsere sowieso unnötige Verbindung! Du kannst mich gehen lassen! Das hier-", sprach ich klar und deutlich und zeigte mit einem Finger auf ihn und dann wieder auf mich. "-war von Anfang an zum scheitern verurteilt."

"Ich werde dich nicht gehen lassen", entgegnete er mir schlagartig und stand ebenfalls auf, wodurch er mich wieder einen Kopf überragte. "Das solltet du langsam begriffen haben!"

"Aber-"

"Nichts aber! Nur weil du deine Wölfin nicht mehr spürst und unsere Verbindung ebenfalls nicht, heißt es nicht, dass sie nicht mehr da ist!"

Er kam einen Schritt auf mich zu und ich wollte aus Reflex sofort nach hinten ausweichen, jedoch spürte ich die Lehne des Sofas an meinem Unterrücken. Kieran blieb genau vor mir stehen und legte mir einfach seine Hand an meine Wange. Sie strahlte eine Wärme aus, die sich auf meinen gesamten Körper übertrug - doch lieber würde ich in eisiger Kälte zu Grunde gehen, als auch nur eine Sekunde von seiner Wärme zu zehren. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und holte aus, um seinen Arm zur Seite weg zu schlagen.

"Fass mich nicht an!", zischte ich wütend. "Du hast kein Anrecht mehr auf mich! Kein Anrecht! Verstehst du das!?"

"Ich bin der einzige, der ein Anrecht auf dich hat", gab er mir in vollkommener Ruhe zurück. "Also benimm dich endlich wie meine Gefährtin und bring mich nicht dazu, Grenzen zu überschreiten."

"Ich hasse dich! Du scheiß Mistkerl!", entkam es mir, da ich nichts von dem, was hier geschah, begreifen konnte! So viel schlechtes war mir wiederfahren und doch, blieb er ganz ruhig, so als ob es ihm scheiß egal war. Das war vermutlich auch wirklich so! Er hatte kein Mitgefühl! Keine Empathie! Er war nur machtbesessen und dachte an seine eigenen Vorteile.

"Hass mich - du wirst trotzdem an meiner Seite bleiben. Ich spüre die Verbindung noch und solange sie da ist, wird nur der Tod uns scheiden, kleine Tyrannin."

"Dann soll es wohl so sein!"

Das waren meine letzten Worte, ehe ich mich an ihm vorbei drängte und zurück in den Flur wollte.

"Morgen Abend besuchen wir ein Rats-Treffen. Bereite dich darauf vor, denn wenn du mich enttäuschen solltest, warten Bestrafungen auf dich."

Irritiert hielt ich in meiner Bewegung inne und drehte mich noch mal zu ihm herum. Er stand da, die Augen auf mich gerichtet und ohne jeglichen Ausdruck.

"Bestrafungen?! Was willst du mir noch alles nehmen?!"

"Ich will dir nichts weg nehmen", meinte er unterkühlt und in dem Moment verlor ich beinahe meine Fassung, als Misha plötzlich neben mir auftauchte und ein viel zu offenes Kleid an ihrem Körper trug.

"Ich verstehe", gab ich angewidert von mir. "Du willst mir nichts weg nehmen, denn du denkst, du könntest mich weiterhin brechen! Mach dir keine falschen Hoffnungen! Meine Wölfin ist weg und damit auch jegliche Eifersucht! Mir fällt es also nicht schwer, euch viel Spass zu wünschen und euch meinen Segen zu geben!"

_

Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt