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Es vergingen Tage... lange, dunkle Tage, die mich immer weiter in eine Leere einhüllten, die kaum zu ertragen war.

Wie jeden Abend stand ich im Wohnzimmer an der Fensterfront und starrte hinaus in die Finsternis. Mein Körper, bedeckt von einem schwarzen Schlafanzug, zitterte. Nicht vor Kälte - sondern vor Angst. Angst davor, für immer in dieser Einsamkeit gefangen zu sein. Ohne meine Wölfin und ohne Kieran, fühlte ich mich nicht länger lebendig. Wie ein Schatten, der gefangen war in der Vorstellung, dass der Alpha jederzeit nach Hause zurückkehren würde.

Doch er tat es nicht, da auch seine Welt vollkommen aus den Fugen geraten war.

"Willst du nichts essen?"

Ich drehte mich nicht um, denn es war eine der Wölfinnen, die nicht gehen wollten, obwohl ich ihnen bereits mit dem Tod gedroht hatte. Ich ließ sie verweilen, da ich keine Kraft für weitere Auseinandersetzungen hatte

"Lass sie doch. Pech gehabt", hörte ich eine andere und atmete tief durch, während ich weiterhin erstarrt nach draußen blickte. Ich kam mir dabei vor, als wäre ich die Einzige, die vor Sorge um Kieran umkam. Diese Frauen interessierten sich überhaupt nicht dafür, dass er weg war. Ihnen war nur wichtig, gut auszusehen und sich zu amüsieren. Sie wussten aber auch nicht, was ich wusste.

Der Oberalpha hatte sich gegen Kieran gewandt und auch Damien würde hier nie wieder auftauchen.

Mein Kopf dröhnte alleine von den Erinnerungen an jenen Abend und ich wandte mich nur widerwillig vom Fenster ab, um an den anderen vorbei in den Flur zu verschwinden. Ich spürte ihre arroganten Blicke auf mir, als würden sie auf meiner Haut einbrennen. Doch Ignoranz war der beste Ausweg für mich. Zu mehr war ich nicht fähig.

Als ich oben in Kierans Schlafzimmer ankam, wehte mir sofort ein Geruch entgegen, was noch mehr Sehnsucht in mir auslöste. Es kam mir unwirklich vor, dass ich mich ihm verbundender denn je fühlte, obwohl wir so weit voneinander entfernt waren.

Trostlos und erschöpft ließ ich mich auf meinem Rücken ins Bett fallen und zog die Decke bis zu meiner Nase hoch, um seinen Duft zu inhalieren und meine Augen zu schließen.

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Ein lauter Knall ertönte und das prasseln des Regens gegen die Scheibe weckte mich aus meinem tiefen Schlaf heraus.

Ich knipste die Nachttischlampe an und sah mich mit dem düsteren Zimmer um. Niemand außer ich befand sich hier - doch etwas war anders. Da war so ein Gefühl in mir. Ein Gefühl, dass mich dazu brachte, zögerlich aufzustehen und zum Fenster zu laufen.

In die Nacht hinaus blickend, erkannte ich das schlimme Unwetter, dass den gesamten Wald und auch den kleinen Ort unter dem Hügel einnahm. Die Lichter der Laternen flackerten, der Winde peitschte durch die Bäume und der Regen prasselte immer heftiger gegen die Scheibe.

Meine Gedanken drehten sich aber sofort wieder um Kieran...

Frustriert darüber, dass er sich nach all den Tagen immer noch nicht gemeldet hatte, wollte ich mich gerade wieder hinlegen, da kam erneut dieses Gefühl in mir auf. Ich konnte nicht beschreiben, was genau mit mir passierte oder sich in meinem Inneren abspielte. Eines wusste ich aber ganz genau.

Ich musste raus in den Wald und das genau jetzt...

Entschlossen drehte ich mich zum Schrank herum und griff nach einer schwarzen Jacke von Kieran, um gleichzeitig in ein paar Turnschuhe zu schlüpfen. Die schwarze Hose und der dünne Pullover mussten reichen, denn ich wollte keine Zeit verschwenden.

Hektisch jagte ich meinen Instinkten nach und rannte die Treppe der Villa herunter, wo angekommen ich die Haustür aufriss und nach draußen schritt. Ich erschrak von der Wucht, wie stark der Wind mir entgegenwehte, doch ich würde mich nicht länger aufhalten lassen.

Kieran und ich mussten all das, was zwischen uns war, endlich klären. Wir mussten zusammen finden, so wollte es das Schicksal. Es war wirklich bedauerlich, dass so vieles passieren musste, bis auch ich es verstanden hatte - jedoch war es mir jetzt klarer denn je.

Die Einfahrt herunter rennend lief ich an einigen Männern vorbei, die Patrouille liefen und erst, als ich den Weg zwischen den Laternen entlang lief und am Anfang des Ortes ankam, hielt ich kurz inne und atmete mehrere Male tief durch. Mein Herz raste wie verrückt, während meine Atmung sich überschlug.

Ich ging aber weiter und wischte mir dabei meine nassen Haare aus dem Gesicht.

Die Straßen waren eng und die Häuser altmodisch, doch es wirke so wirklich wie ein Ort mitten im Wald, der nicht gefunden werden wollte. Es passte zu einem Rudel und als ich nach einer Zeit den gesamten Ort durchquert hatte, kam ich am Waldrand an, der mich wie magisch anzog.

Vorsichtig bahnte ich mir meinen Weg über Äste und Unebenheiten, um zu gleichzeitig den Wind zu lauschen, der unbändig durch die Baumkronen fegte.
Innerlich wusste ich, dass ich genau den richtigen Weg ging, auch wenn dieser Sturm immer heftiger zu werden drohte. Ich sollte hier sein! Genau hier und dann trat ich auch schon aus den dichten Bäumen heraus auf eine kleine Lichtung, durch deren Mitte ein Bach floss.

Gerade, als ich auf den Bach zulaufen wollte, sah ich wie gebannt auf zum Himmel und erkannte zwischen all den schwarzen Wolken diesen wunderschönen Vollmond. Es war die Mondgöttin, die mich hergeführt hatte. Ich war mir sicher, dass es so war und sah mich daraufhin nach Kieran um.

Vielleicht war ihm etwas passiert und mein Gefühl wies mich darauf hin. Doch Kieran war nicht hier. Niemand war hier. Nur ich, vollkommen durchnässt und am Ende meiner Kräfte.

"Scheiße!", fluchte ich wütend und fuhr mehrere Male durch mein Gesicht, um den Regen wegzuwischen, bis ich mehrere solch laute Schüsse hörte, dass ich erschrocken die Augen aufriss.

Erstarrt blickte ich in den Wald vor mir, doch die Schüsse hörten sich weiter entfernt an. Es war, als würden sie von der Villa kommen.

"Petra...", hauchte ich und wollte sofort zurück rennen, da packte mich aber jemand an den Hüften und zog mich zurück.

Erschrocken drehte ich mich herum und versuchte mich aus seinen Händen zu befreien, da erkannte ich aber Kieran und erstarrte bei seinem Anblick.

Der Regen lief ihm über seine schwarzen Klamotten. Sein Bart war etwas ausgeprägter und dunkle Ringe befanden sich unter seinen Augen. Er sah verzweifelt aus und sofort legte ich meine Hände auf seine Wangen, um ihn mit Tränen in den Augen anzusehen.

"Du bist wieder da", gab ich mit zitternder Stimme von mir und er nickte mit gequältem Ausdruck, um mich anschließend fest in seine Arme zu ziehen.

Da war kein Kampf mehr zwischen uns. Keine Reue - kein Drang etwas aus vergangenen Tagen vorzuhalten. Da war nur er, der alles für mich aufgegeben hatte und ich, die ihm dafür mehr als nur dankbar war.

"Wir müssen hier weg, Marcelina", flüsterte er und nur widerwillig löste ich mich aus seiner so wohltuenden Umarmung, um fragend zu ihm auf zu blicken.

"Weg?... Wohin, Kieran?"

"Wir finden einen Ort", hauchte er mitfühlend und strich mir dabei einige meiner nassen Strähnen aus dem Gesicht. "Die Frage ist nur, ob du dich entschlossen hast, bei mir und meinem Rudel zu bleiben."

Ich hörte Äste knacken und sah mich in der Dunkelheit um, wo ich gleich mehrere Wölfe auftauchen sah. Sie warteten auf den Befehl des Alphas.

"Ich bleibe an deiner Seite", flüsterte ich und wollte erneut zu Kieran aufsehen, da ertönte aber schlagartig ein bedrohliches Knurren hinter mir. Die Wölfe um Kieran machten sich zum Kampf bereit, während er meine Hand fest in seine nahm und mich schnellen Schrittes zur anderen Seite der Lichtung führte.

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Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt