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Kieran

Gebrochen - eiskalt - am Ende ihrer Kräfte.

So lag meine Gefährtin vor mir in meinem Bett und atmete dabei ruhig vor sich hin. Ich beobachtete ihren Brustkorb, wie er sich in einem beständigen Rhythmus bewegte und wollte am liebsten nie wieder von ihrer Seite weichen.

Es machte mir große Sorgen, dass ich ihre Wölfin nicht mehr spürte. Noch mehr nahm mich der Gedanke ein, dass ich daran schuld war. Sie war so zerbrechlich - auch wenn sie das nie zugeben würde. So zart und unberührt. Meine kleine Tyrannin, deren Kampfgeist ich beinahe vollkommen zerstört hätte...

Frustriert darüber fuhr ich mir auch meine Haare und hörte plötzlich Damien in meinem Verstand, der mich über den Mindlink nach unten rief. Er wollte über all das, was passiert war reden, doch ich bleib weiterhin auf der Kante meines Bettes sitzen und nahm meine Augen dabei nicht ein einziges Mal von ihrem süßen Gesicht.

Ich wusste, dass es falsch war, so zu empfinden. Dass ich stärker hätte sein müssen und mir so etwas nicht zu nahe gehen dürfte - jedoch nahm sie bereits jetzt mein Herz ein, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte.

Immer lauter wurden die Stimmen in meinem Kopf, während um mich herum aber nur Stille herrschte. Einzig ihre tiefen Atemzüge hallten leise durch den Raum.

"Kieran!"

Mein Blick fiel nur widerwillig hinter mich und ich erkannte Damien im Türrahmen stehend, der mich abwartend musterte. Mein erster Gedanke war, ihn in die Schranken zu weisen und ihm mit Gewalt zu demonstrieren, mich in Ruhe zu lassen. Doch er hatte alles Recht dazu, mich genau jetzt zu konsultieren. Viele Dinge sind passiert - viele Dinge müssten so schnell es ging geklärt werden. Genau deswegen passierte es, dass ich Marcelina alleine zurückließ und mich nur zögerlich von meinem Bett erhob. Mein Wolf drehte beinahe durch, da sein einziger Gedanke nur noch darin bestand, sie zu der meinen zu machen. Er roch sie - zehrte an dem Geruch ihrer Jungfräulichkeit und hatte nicht vor, sie noch lange eine bleiben zu lassen. Ich wies ihn aber zurück und verdrängte weitere Gedanken an ihren nackten Körper unter meinem, um mich voll und ganz meinem Beta zuzuwenden.

Damien lief mir voraus den Flur entlang und hielt erst wieder inne, als wir ihm großen Wohnbereich ankamen. Er stellte sich nah an die Fensterfront, während ich in meinem Sessel Platz nahm und tief durchatmete.

"Spürst du ihre Wölfin wieder?"

Er unterbrach als erster die Stille und sah mich fragend an, wobei mir mit einem Blick auffiel, wie besorgt er wirkte. Es war auch ein leichtes, zu erspüren, welch Chaos in ihm herrschte aufgrund dieser uns neu gegebenen Situation.

"Nein", erwiderte ich ihm und er schien für einen Moment vollkommen in sich gekehrt, ehe er mir gegenüber hinter die Couch lief und uns beiden einen Drink einschüttete. Einen Menschen hätte das Zeug vermutlich getötet - uns brachte es auf ein Level, was deutlich angenehmer war, als das alles nüchtern zu betrachten.

"Der Rat darf das nicht erfahren, Kieran", wies Damien mich an und kam dabei auf mich zu, um mir eines der Gläser zu reichen. Ich nahm es ohne ihn anzusehen entgegen, während er sich auf der Couch niederließ. "Sie würden keine Luna an seiner Seite akzeptieren, die so menschlich wirkt."

"Sie werden es nicht erfahren", beruhigte ich ihn und nahm einen Schluck meines Getränks. Draußen wütete immer noch ein Gewitter und ich genoss diesen Anblick, während der bittere Geschmack meine Kehle herablief. "Ihre Wölfin kommt wieder."

"Woher willst du das wissen?"

"Weil es so sein muss!", wurde ich lauter. "Wenn das nicht passiert, weißt du ganz genau, was uns alles widerfahren wird!"

Ich knallte das Glas etwas zu fest auf den Couchtisch zwischen uns und es zersprang in mehrere Einzelteile. Sofort kam Petra aus der offenen Küche geeilt und machte es sauber, ohne dabei auch nur einmal ihren Kopf anzuheben. Mir wurde alleine dadurch bewusst, dass sie etwas zu verheimlichen hatte. Ich wollte sie aber nicht vor Damien darauf ansprechen und wich ihr aus, um meinen Beta erneut ins Visier zu nehmen.

"Der Rat wird nichts erfahren und wir warten ab!", befahl ich ihm und er nickte, um aber plötzlich mit den Augen zum Fenster hinaus den Kopf kaum merklich zu schütteln. Ich nahm sein Verhalten als respektlos auf und spannte mich bereits an. "Hast du noch etwas zu sagen?! Falls ja, dann jetzt!"

"Kieran", sprach er ruhig und lehnte sich etwas vor, um mich ins Visier zu nehmen. "Du bist so weit gekommen! So weit! Wir haben es fast geschafft - aber du, du bringst unsere Pläne ins Wanken! Wofür? Für eine Frau, die dich bei jeder Gelegenheit zum Affen macht und abhaut, sobald die Tür nur einen Spalt offen steht!"

"Unsere Pläne?", mahnte ich und stand dabei auf, um ihn wütend anzufunkeln. "Vergiss nicht, wo dein Platz ist! Denkst du, für mich ist das alles leicht! Du weißt, was sie von mir erwarten!"

"Dann versuch es weiter!", sprach er auf mich ein und stand ebenfalls auf, aber mit gesenktem Kopf. Er wusste ganz genau, dass er mich nicht übertreffen dürfte. "Irgendwann wird eine von ihnen dein Kind austragen! Wir haben selbst die alten Legenden gelesen! Lass dich nicht ablenken von einer Verbindung! Sie wird sich dir nicht schnell genug öffnen und du kannst auch nicht verlangen-"

"Was aber, wenn die Legenden falsch sind! Was, wenn ich es weiter versuche und es nicht klappen wird! Der Rat wird uns beiden alles wegnehmen! Keiner würde uns mehr akzeptieren, Damien!"

"Kieran!", sprach er und nahm dabei mein Gesicht in seine Hände, um mich eindringen anzusehen. "Verlass dich auf mich! Wir kennen uns unser ganzes Leben! Lass dich nicht blenden, von der Anziehung! Sie ist natürlich, jedoch bringt sie uns nicht ans Ziel, verstehst du! Außerdem ist es egal, was du tust. Marcelina wird dich nicht verlassen! Sie ist dazu bestimmt, an deiner Seite zu bleiben!"

"Aber wenn ich sie weiter verletze, dann-"

"Dann bleibt sie trotzdem hier. Sorge dich nicht!"

Er machte es mir schwer, ihm zu glauben. Doch er hatte Recht und genau das, trieb mich gedanklich wieder zurück in meine einsame Dunkelheit, die Marcelina wenigstens für wenige Augenblicke aus mir vertreiben konnte.

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Das erste Mal aus seiner Sicht 🙈

Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt