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Alleine ließ er mich zurück und es frustrierte mich zutiefst, dass er mir nicht die Möglichkeit gab, durch seine Beanspruchung abzuschalten. Wölfe zehrten von ihren Trieben und würden niemals einer Gelegenheit widerstehen- er tat dies aber. Er wollte mich leiden sehen, anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären.

Niedergeschlagen lief ich zum Schrank herüber und zog einen großen, schwarzen Pullover von ihm an. Er lag mir wie ein Kleid am Körper und reichte bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Als sein Geruch dadurch wieder intensiver in meine Nase strömte, bekam ich allmählich ein schlechtes Gewissen ... Doch warum?

Er war der Böse und ich nur eine Gefangene seines Wolfes. Er hatte andere Frauen hier! Wollte sogar mit einer vor meinen Augen schlafen und das war ganz alleine er - sein Wolf hielt ihn davon ab. Jetzt meinte er aber, er wäre sehr viel mehr als sein Wolf! Das war alles so verwirrend! Wem sollte noch glauben, wenn ich niemanden hatte, mit dem ich über meine Zweifel sprechen konnte? Ich war alleine und keiner würde mich retten kommen.

Stunden vergingen, in denen ich nur gedankenverloren im Zimmer auf und ab lief. Immer wieder ging ich die letzen Tage durch und auch, dass Kieran Gutes, wie auch Schlechtes getan hatte. Ja, er hatte mich wie Dreck behandelt ... Doch ich ihn genauso. Er hatte allen den Rücken für mich gekehrt und sein halbes Rudel für mich verloren. Doch interessierte ihn das überhaupt? Er wirkte so kalt, als würde ihm das alles nichts ausmachen. Was für ein Mann steckte hinter der Fassade, wenn selbst der Tod anderer ihm nichts ausmachte?

Ehe ich noch durchzudrehen drohte, lief ich zur Schlafzimmertür und riss diese mit Schwung auf. Ich wollte Kieran suchen - ihn zur Rede stellen und all meinen Frust an ihm auslassen - doch vor mir im Flur tauchten die beiden Frauen aus dem Keller auf. Irritiert und voller Hass starrte ich sie an.

"Marcelina...", flüsterte eine schüchtern. "Wir wollten dich darum bitten, uns nicht wegzuschicken."

Fassungslos zog ich meine Augenbrauen hoch. Ich konnte kaum glauben, wie aufgespielt leise und respektvoll sie mit mir sprach. Gestern hatte sie mir noch eine schallende Backpfeife gegeben, was mir den Eindruck brachte, dass wirklich alle in diesem Haus verrückt waren - ich mit einbezogen.

"Redet mit Kieran", gab ich ihr desinteressiert zurück und wollte an ihr vorbei, da ertönte erneut ihre leise Stimme.

"Er meinte, wir sollen sich fragen."

Dieser Köter! Er war vermutlich zu feige, die beiden selbst zum Teufel zu jagen. Oder er wollte mich mal wieder bloß stellen! Was hatte er sich jetzt wieder mit dieser scheiß Situation gedacht?!

"Mistkerl", zischte ich und lief den beiden voraus mit schnellen Schritten herunter in den Flur, um auch gleich das Wohnzimmer aufzusuchen. Kieran saß nur mit seiner Boxershorts am Tisch und sah fragend zu uns herüber, während ich schon innerlich am explodieren war. "Warum soll ich deinen Dreck los werden!", fauchte ich ihn wütend an, da wandte er sein Gesicht zu mir und ich erstarrte für einen Moment vollkommen.

Dunkle Ringe traten unter seinen Augen hervor. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht, welches mir so viel Trauer und Zerissenheit offenbarte. Seine sonst so dominante Ausstrahlung, war vollends verschwunden. Zurück blieb nur ein Alpha, der durch einen Krieg gebrochen und einsam wirkte. Trotzdem riss er sich wohl zusammen, um nicht seinen gesamten Stolz zu verlieren.

"Tyrannin", sprach er und obwohl er versuchte kalt zu wirken, hörte ich das Zittern seiner Stimme. "Mach was du willst, es ist mir-"

"Raus", sprach ich schließlich und drehte mich zu den Wölfinnen herum. "Raus aus diesem Haus! Ihr könnt im Rudel bleiben und euch hier in der Gegend niederlassen - aber ihr werdet nie wieder in Kierans Nähe kommen. Habt ihr das verstanden?!"

Statt meinen Frust an Kieran auszulassen, tat ich es an denen, die es verdient hatten. Natürlich verflog meine Wut auf den Alpha nicht und allmählich bekam ich das Gefühl, diese Wut würde niemals ganz aus mir verschwinden, doch er brauchte mich jetzt. Nicht als die Frau, die ihn ständig für alles verantwortlich machte - sondern als die Gefährtin, die ihm von der Mondgöttin auferlegt wurde.

Die beiden Frauen sahen mich feindseelig an, verschwanden zu meiner Erleichterung aber auch sofort nach oben, wodurch ich mich wieder Kieran zuwandte.

"Steh auf", wies ich ihn an und stellte mich genau an seine Seite. "Dein Rudel braucht dich jetzt. Du kannst nicht den ganzen Tag hier sitzen und-"

"Du siehst doch, dass ich es kann."

Ausdruckslos sah er zu mir auf, ehe er sich erhob und langsam vor mir Richtung Fensterfront lief. Der Regen peitschte an das dicke Glas. Die Bäume des Waldes wehten im Einklang zu dem Sturm, der endlos wirkte. Kieran ließ seinen Blick über die Stadt schweifen, während ich erkannte, wie tief und fest er dabei durchatmete. Ohne zu zögern, tapste ich in schnellen Schritten zu ihm und stellte mich nah an seinen Rücken. Ich spürte seine Wärme, zog seinen Geruch in mich auf und bewunderte für einen kurzen Augenblick die Linien auf seiner Haut.

"Willst du nicht hoch und weiterhin gegen mich protestieren?"

Er drehte sich bei seinen Worten nicht zu mir herum. Blieb einfach stehen und schaute aus der Fensterfront heraus.

"Morgen wieder...", hauchte ich leise und schlang dabei meine Arme um seine Hüfte, um mich eng an seinen Rücken zu schmiegen. Ich streichelte mit meinen Fingerspitzen sanft über seinen Bauch, während ich mein Gesicht seitlich an seinen Rücken legte. Seine Wärme durchfuhr mich. Sein Herz klopfte in einem beständigen Rhytmus. Er wurde von all dem Verlust also doch mehr mitgenommen, als ich erahnen konnte, was mir bewies, dass er ganz anders als die anderen Alphas war. Er war mitfühlend, auch wenn er es nicht zeigte.

Als ich spürte, wie er tief durchatmete, dachte ich bereits, er würde meine Nähe nicht wollen. Ich hätte es nach dem ganzen Theater heute morgen sogar verstehen können. Doch er wollte mich bei sich haben...

Ganz langsam drehte er sich zu mir und sah nachdenklich zu mir herab. Ich hielt seinem Blick stand und ließ meine Hand behutsam auf seiner Wange nieder. Zärtlich strich mein Daumen über seine Haut, wodurch er seine Augen schloss und es zu genießen schien.

"Ich mache dir jetzt etwas zu essen und danach reden wir über alles, was jetzt auf uns zukommen wird, okay?"

Er nickte und nachdem ich meine Hand wieser zurückgezogen hatte und zur Küche wollte, hielt er mich aber am Arm fest.

Irrtiert suchte ich seinen Blick, da umfasste er schlagartig meine Taille und drückte mir seine Lippen voller Begierde auf meine. Zuvor hätte ich noch gedacht, er wollte sich nur an mir und meinem Körper auslassen - jetzt wusste ich, dass er mir danken wollte.

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Alpha - Gefangen in seiner Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt