Es war, als wäre ein Loch in Acarions Haut gerissen worden. Ein Keuchen drang aus seiner Kehle und er stolperte nach vorne. Eine der drei Kreaturen war durchgebrochen und waberte nun durch das Loch direkt über Acarions Kopf auf ihn zu.
Für einen Moment übermannte ihn die Starre. Es war nicht möglich. Es widersprach allen Gesetzen der fünf Fähigkeiten, die – keine Zeit, darüber nachzudenken. Acarion versuchte, das Loch zu stopfen, wollte die Energie der Teilchen um ihn herum dazu zwingen, sich wieder zusammenzufinden – doch er war zu langsam.
Das Wesen bewegte sich auf ihn zu, unaufhaltsam, ein schwarzer Albtraum, der sich gemächlich auf ihn stürzte. Schmerzen schossen in Acarions Bein.
Etwas war vollkommen falsch. Diese Kreatur widersprach allem, was er je gelernt hatte, war verflucht und verdorben – und sie war direkt über ihm. Irgendwie hatte er es nicht geschafft, nach dem Aufreißen des Schildes sein Gleichgewicht wiederzufinden und fand sich plötzlich selbst auf dem Boden wieder. Klein und erniedrigt.
Instinktiv streckte Acarion die Hand aus, als könnte ihn das vor dem Ungeheuer schützen, das sich von oben auf ihn herabsenkte – und ihm kam eine letzte Idee. Wenn diese Wesen wirklich verdorben waren, so falsch, wie sie sich anfühlten – die schwarze Wolke berührte seine Hand. Todeskälte schoss in Acarions Arm und drohte ihn zu ersticken.
Doch dann tastete er mit den magischen Fühlern nach dem Wesen. Fand tatsächlich etwas, ließ die Veralenergie fließen, sandte sie als tödliche Umarmung zurück zu der Kreatur, die ihm gerade dasselbe hatte antun wollen.
Es war, als würde sich der Nebel lichten. Zuerst verblasste der schwarze Fetzen zu einem dünnen Grau, dann verschwand er völlig. Der unglaubliche Druck, der ihn gefangen gehalten hatte, löste sich von Acarions Brust.
Noch zwei. Taumelnd stand er auf, seine Knie waren weich. Schmerz schoss durch sein verwundetes Bein und er musste sich an Rons Kimoran abstützen. Den Schutzschild löste er auf.
Die zwei verbliebenen Kreaturen kamen herein, versuchten wieder, die Kontrolle zu übernehmen, doch dieses Mal war Acarion vorbereitet. Dieses Mal ging er auf sie zu und nicht umgekehrt, und dieses Mal war es eine bewusste Handlung, die ihn die Hand ausstrecken ließ.
Kurze Zeit später gehörten auch diese Ungeheuer der Vergangenheit an.
Acarion konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Seine Knie und Hände zitterten und nicht zum ersten Mal wünschte er sich, er hätte irgendwann einmal das Angebot einer Krücke angenommen. Doch weder heute noch damals würde er sich diese Blöße geben. Stattdessen schleppte er sich zurück zu dem Kimoran und überließ es den anderen, den Schaden in Augenschein zu nehmen.
✧・゚: *✧・゚:* *:・゚✧*:・゚✧
Drei Tote und eine verlorene Kutsche. Das war die Bilanz des Überfalls. Sie nannten ihn so, weil ihnen keine andere Wahl blieb. Wie sonst hätten sie es in Worte fassen sollen?
„Soll ich mir deinen Dolch mal anschauen?", fragte Alena sanft, als sie spät in der Nacht am Lagerfeuer saßen. Yona blickte auf. Es hatte bis lange nach Sonnenuntergang gedauert, die Leichen der Schmuckhändler und eines von Rons Soldaten zu begraben, aber niemand wollte das Risiko eingehen, in der Nacht Aasfresser anzulocken. „Du drehst ihn schon die ganze Zeit in der Hand hin und her."
Alena hatte recht. Zögernd reichte Yona ihr Kaedras' Dolch.
„Es ist ein schönes Stück", sagte die Schmiedin.
„Das war es." Jetzt überzog etwas die Klinge, das an schwarze Adern erinnerte. Zu Yonas Überraschung runzelte Alena nur kurz die Stirn und holte dann ein dünnes ledernes Tuch aus ihrer Tasche sowie ein kleines Fläschchen mit einer beißend riechenden Flüssigkeit. Schweigend begann die kurzhaarige Frau, Yonas Waffe damit zu bearbeiten.
DU LIEST GERADE
Die Seele des Magiers
Fantasy„Die Welt ist kein Märchen. Sie ist auch kein heldenhaftes Epos. Sie ist dreckig und mörderisch und die Helden haben am Ende genauso blutige Hände wie die Bösewichte. Ich weiß nicht, wie schwer es sein wird, sich den Verox zu nähern. Ich weiß nicht...