Die folgenden Tage waren alles andere als angenehm. Zwar ging die Schwellung um Acarions Auge herum zurück und allmählich ließen die Schmerzen in seinem Kopf nach, aber er befand sich in einer misslichen Lage.
Er wusste mittlerweile, dass er nicht der einzige Gefangene war, sein Wagen war nur der letzte in einer Reihe von ähnlich gebauten Gefährten. Jedoch lag seines höher als der der anderen. Den Grund dafür erfuhr er schon an seinem ersten Abend und bald zeichnete sich die Routine dahinter ab.
Sein Wagen wurde sorgsam so platziert, dass er sich außerhalb der Reichweite zu Pflanzen irgendeiner Art befand. Dann erst löste Fiona den magischen Schutzschild auf. Durch die Bauweise seines Wagens wurde Acarion daran gehindert, durch die Gitterstäbe den Boden zu berühren, der von einer dichten Schicht Gras bedeckt war. Es war ebenso simpel wie durchdacht: Indem man ihn von jedem Zugang zur Veralenergie abschnitt, war er ebenso hilflos wie jeder andere.
Essen und Trinken bekam Acarion einmal am Tag in einer Holzschale durch die Gitterstäbe gereicht. Auf sonstige körperliche Bedürfnisse wurde keine Rücksicht genommen.
Er lernte jedoch eine Menge über seine Gefängniswärter. Die Gruppe bestand aus sieben Menschen, alle verwildert und ungepflegt, mit denselben ausdruckslosen, kalten Augen. Der bärtige Mann, den er an seinem ersten Tag bereits kennengelernt hatte, hieß Grimor und war so etwas wie der Anführer der Gruppe. Zumindest hörten die anderen auf ihn und sei es nur aus Angst, dass sie andernfalls seine gewaltige Faust in ihrem Gesicht wiederfinden würden.
Fiona genoss ein gewisses Ansehen, da sie die einzige Magierin der Gruppe war. Acarion allerdings hatte längst erkannt, dass sie lange nicht so fähig war, wie sie zu sein vorgab. Ihre Magie war unbeherrscht und grob, offensichtlich hatte sie nie eine formelle Ausbildung erhalten. Sie hinterließ regelmäßig verdorrte Pflanzen. Wie es ihr gelang, den magischen Schild um seinen Käfig aufrechtzuerhalten, blieb für Acarion ein Rätsel.
Korman kochte am besten und war derjenige, der bereitwillig die mittlere Wachschicht übernahm, während derer er Voken aus den Vorräten stahl und sich volllaufen ließ. Tónya und Sorkan schlichen sich bei diversen Gelegenheiten gemeinsam außer Sichtweite und kamen mit geröteten Gesichtern und noch wilderen Haaren als zuvor zurück. Das jüngste Mitglied, ein vielleicht vierzehnjähriger Junge, der Foks genannt wurde, kümmerte sich abends um die Pferde und warf Acarion und den anderen Gefangenen argwöhnische Blicke zu.
Einen Mann gab es noch, den Acarion bisher nur auf die Entfernung gesehen hatte. Er ging gebückt und schien unsicher auf den Beinen zu sein, war also vermutlich der älteste der Gruppe.
Korman rührte gerade in einem Topf mit dünner Brühe, die den Gefangenen vermutlich zum Abendessen vorgesetzt werden würde, während die anderen der Menschenhändler um ein kleines Lagerfeuer saßen und sich in einem Spiel Schlag-den-Hirsch maßen. Sie spielten in Teams gegeneinander, was das Schmuggeln von Karten bedeutend leichter machte.
Beinahe musste Acarion lächeln, als ihm aufging, dass das vermutlich die übliche Spielweise dieses Kartenspiels war und dass Yona diese Tatsache einfach ignoriert hatte. Kein Wunder, dass er so große Schwierigkeiten gehabt hatte.
In diesem Moment rief Foks: „Guckt mal, ein wilder Tapuk!" und deutete in eine ominöse Richtung in der Dunkelheit. Sorkan und Tónya, die beide in der gegnerischen Mannschaft spielten, drehten sich sofort um, was es Grimor erlaubte, beiden eine Karte in den Stapel zu schieben.
Acarion schüttelte den Kopf, hörte aber auf damit, als ihn die bekannten Schmerzen durchzuckten. Anscheinend war er in die Gefangenschaft einer Gruppe mit dem Intellekt von Fünfjährigen geraten.
Wie jeden Abend versuchte er, den Boden zu erreichen. Nur eine Fingerspitze würde genügen, ein kurzer Kontakt ... es war sinnlos.
Als Foks mit einer Schale Brühe kam, nahm Acarion ihm diese wortlos ab und ignorierte den Jungen ansonsten, worüber der nur allzu froh zu sein schien. Resigniert trank Acarion die schale Brühe in kleinen Schlucken.
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Die Seele des Magiers
Fantasy„Die Welt ist kein Märchen. Sie ist auch kein heldenhaftes Epos. Sie ist dreckig und mörderisch und die Helden haben am Ende genauso blutige Hände wie die Bösewichte. Ich weiß nicht, wie schwer es sein wird, sich den Verox zu nähern. Ich weiß nicht...