Von Wärme und Kälte

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Acarion fuhr zusammen und zog schnell seine Handschuhe wieder an. Syra stand am anderen Ende des kleinen Teichs, die Hände schüchtern vor dem Bauch verknotet, die rotbraunen Haare in einem unordentlichen Pferdeschwanz zurückgebunden. Rote Punkte an ihrem Hals bezeugten den Kontakt mit der Verox.

„Das gleiche könnte ich dich fragen", gab Acarion kühl zurück. Das Letzte, was er in seiner aktuellen Stimmungslage gebrauchen konnte, war die Gesellschaft des Mädchens.

„Ich war den anderen im Weg", sagte Syra nüchtern, kam zu ihm und ließ sich ins Gras fallen. „Das Haus brennt nicht mehr und jetzt streiten sie sich."

Acarion seufzte. Er wusste, er hätte helfen sollen, in Yara eine Art der Normalität wieder herzustellen, aber es waren zu viele Gedanken auf ihn eingestürzt. Er hatte seine Ruhe gebraucht.

„Warum bist du hier?", hakte Syra nach.

„Ich musste über einiges nachdenken."

„Und du willst dich nicht mit den anderen streiten?"

„Glaub mir, ich habe mich für heute genug gestritten."

Die Sonne hing bereits tief am Himmel und der Wald warf lange Schatten, die sie aber bisher noch nicht erreichen konnten.

„Wie geht es Ron?", fragte Acarion schließlich. Er hatte gesehen, dass zwei Dorfbewohner den verwundeten Kommandanten zurück nach Yara geschafft hatten.

„Nicht so gut", murmelte Syra. „Aber Lehrion hat gesagt, er hat einen Kopf so dick wie das Schild von einem Roogan. Ich glaube, er meint, dass es Ron bald wieder gut geht."

„Es würde mich auch wundern, wenn nicht. Dann könnt ihr bald weiter reisen."

Abwesend zupfte Syra einige Grashalme aus dem Boden. Sie blickte ihn nicht an.

„Kommst du nicht mit?", fragte sie dann nach einer Weile.

Acarion schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich habe mich heute Nacht nicht bei vielen beliebt gemacht."

„Warum?"

„Das soll dir jemand anders erklären." Irrte er sich oder wurden die Bewegungen, mit denen das Mädchen einen Grashalm nach dem anderen herauszog, wütender?

„Warum?"

Weil heute so viele Leute gestorben sind, die nicht hätten sterben müssen. Weil sie mich für den Tod ihres Gastgebers verantwortlich machen. Weil ich Angst davor habe, dass sich der Vorfall mit Alena wiederholen könnte. „Es ist kompliziert."

Syra nickte ruckartig und plötzlich sah Acarion, wie sich ein Tropfen von ihrem Gesicht löste, kurz im Licht des Sonnenuntergangs aufblitzte und dann zu Boden fiel.

Für gewöhnlich hätte er sich jetzt abgewandt, die Augen verdreht und jemand anderem die Verantwortung für das flennende Kind übertragen. Aber gerade war niemand zur Stelle und von irgendwoher hatte er plötzlich das Bedürfnis, Syra zu trösten.

„Was ist los?", fragte er vorsichtig.

„Ich vermisse meinen Papa", wisperte Syra und plötzlich hing das Mädchen an Acarions dreckstarrendem schwarzen Umhang, klammerte sich daran und weinte nun wirklich.

Acarion stutzte. Dieses Verhalten war neu. Lenara, Raverions kleine Tochter, war immer vor ihm zurückgeschreckt.

„Er hätte heute geholfen und dann wären vielleicht nicht so viele Leute t-tot", schluchzte Syra.

Das wagte Acarion nun doch zu bezweifeln. Aber er kannte nur zu gut das Phänomen, dass Kinder ihre Eltern auf einen Sockel stellten. Gerade, wenn die Eltern nicht mehr bei ihnen waren.

Die Seele des MagiersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt