Von Schwüren und gebrochenen Versprechen

26 5 27
                                    

Der Schlüssel klickte überraschend leise in dem Schloss. Grimor achtete besser auf seine Ausrüstung, als Yona ihm zugestanden hätte. Lautlos schwang die Käfigtür auf.

Einen Augenblick lang musterten Acarion und Yona sich durch die nun offenstehende Tür. Es war, als hätte sich mit dem Wegfallen der Eisenstäbe ein Schleier zwischen ihnen herabgesenkt, als wären Dinge unsagbar geworden, die eben noch beinahe greifbar gewesen waren.

„Danke, dass du mir nachgekommen bist." Die Worte schienen kantig in Acarions Mund zu sein.

Ein Lächeln schlich sich trotz allem auf Yonas Lippen. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu ahnen, was ihn dieser Satz gekostet haben musste. „So schnell wirst du mich nicht los."

Acarion nickte knapp, als wäre die Sache dadurch geklärt. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Wagen, während Yona die Hand nicht von den Käfigstangen löste. Das Metall war kühl auf ihrer erhitzten Haut und unwillkürlich folgte sie dem Instinkt, ihre glühende Stirn an die Stäbe zu lehnen.

Sie wollte nur noch schlafen, sich hier zusammenrollen und die Augen schließen.

Stattdessen riss sie sich zusammen, zog den Schlüssel aus dem Schloss und wandte sich dem zweiten Wagen zu. Trotz ihrer Planänderung würde sie es nicht zulassen, dass Grimors Gefangene in ihrem Elend zurückblieben.

Yona stolperte über etwas, als sie zu dem Wagen hinüberging. Wohin war Acarion eigentlich verschwunden? Der Gedanke entschlüpfte ihr, bevor sie ihn weiter verfolgen konnte. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, zu dem anderen Wagen zu gehen.

Sie spürte, wie sich die Blicke der Gefangenen auf sie richteten und einen Moment überzog eine Gänsehaut Yonas Arme. Wie viele mochten es sein? Drei? Vier?

Grimors Schlüsselbund entglitt ihren Fingern und landete im Gras. Blieb ihr überhaupt noch genügend Zeit, die Gefangenen zu befreien, oder würde bald die Sonne aufgehen?

Yona bückte sich und hob den Schlüssel wieder auf. Sie musste sich abstützen, um nicht vornüber zu fallen. Schließlich aber hatte sie das Schloss des zweiten Wagens erreicht und auch hier öffnete es sich ohne größere Schwierigkeiten.

Die Gestalten im Inneren des Wagens sahen sie ausdruckslos an. „Geht", wisperte Yona. Ihre Stimme war kratzig. „Verschafft euch einen Vorsprung. Sie wachen nicht auf, bevor die Sonne aufgeht."

Vier. Es waren vier Personen, jetzt konnte sie es erkennen. Drei davon bewegten sich auf ihre Worte hin auf den Eingang des Wagens zu, halb krochen, halb krabbelten sie. Es war ein erbärmlicher Anblick.

Die drei Gestalten schoben sich aus dem Wagen, fielen mehr, als dass sie gingen, drängten sich dann an Yona vorbei und verschwanden schließlich in der Dunkelheit.

„Was, wenn wir nicht gehen wollen?", fragte eine Figur in den Schatten. Eine Gestalt war nicht geflohen. Ihre Stimme war kräftiger als Yonas.

„Was?", echote die.

„Was habt ihr vor?"

„Gehen", flüsterte Yona und ihre Finger verkrampften sich um die kühlen Gitterstäbe. Sie würden doch gehen, oder? Wo war Acarion? Was tat er?

„Sieht aus, als müsstet ihr euch da noch einmal absprechen", widersprach die Gestalt in den Schatten. „Dein Komplize scheint da andere Pläne zu haben."

Yona wandte sich um. Es dauerte einen Augenblick, bis sie einen Sinn daraus ziehen konnte, was sie sah. Acarion hatte die Menschenhändler gefunden.

Er zerrte sie aus ihren Zelten, hin zu den Wagen, in dem man ihn gefangen gehalten hatte. Dort band er ihre Handgelenke an den eisernen Stangen des Wagens fest.

Die Seele des MagiersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt