Einige Morgen später hatte sich etwas verändert. Niemand konnte es tatsächlich benennen, doch über Nacht hatte sich Argwohn in der Gruppe breitgemacht.
Für Yona nahm es bereits seinen Anfang, als sie das Fell, unter dem sie geschlafen hatte, von ihren Schultern rutschen ließ. Der Pelz war noch feucht vom Tau und als er ihren Arm streifte, durchzog sie ein kalter Schauer. Dem Wasser schien an diesem Morgen eine unnatürliche Kälte innezuwohnen.
Instinktiv blickte Yona auf und erwartete halb, dass die Sonne sich hinter einer grauen Wolkendecke versteckt haben würde, doch dem war nicht so. Eigentlich war der Himmel genauso klar wie am Tag zuvor.
Etwas anderes hatte sich verändert.
Es war, als müsste ihr Atem Wolken vor ihrem Gesicht bilden, obwohl die Temperatur nicht gesunken war. Etwas engte Yonas Brust ein und erschwerte ihr das Atmen.
Als sie sich umsah, wusste sie, dass ihre Reisegefährten es auch spürten. Syra klammerte sich wortlos an ihre Mutter, Ron blickte noch grimmiger drein als normalerweise und Acarion stand so stocksteif da, dass Yona ihm auch das Statuendasein abgekauft hätte.
„Wir bekommen Probleme, oder?" Kilias hatte sich neben Yona gestellt. Er war leichenblass.
„Fühlt sich so an", murmelte Yona. Ihr Instinkt riet ihr zu irgendetwas zwischen Weglaufen und Auf-dem-Boden-Zusammenrollen.
Schließlich zwang sie sich dazu, ihr Nachtlager wieder in der Kutsche zu verstauen. Soweit sie wusste, würde es nicht mehr lange bis Yara dauern. Dort würden sie alle ein wenig aufatmen können.
Kilias winkte Yona zu sich. Seit zwei Tagen versuchte er ihr beizubringen, wie man ein Pferd richtig aufzäumte, aber heute war sie unkonzentriert, die Riemen entglitten immer wieder ihren eiskalten Fingern. Egal, in welche Richtung sie sich wandte, eine dunkle Präsenz schob sich an die Ränder ihres Sichtfeldes und beobachtete sie gerade aus dem Winkel, den sie nicht sehen konnte. Atmen hatte nie so viel Konzentration erfordert.
Aber eine andere Ahnung machte sich in ihr breit. Die vage Vorstellung, dass sie die Präsenz kannte, dass sie bereits damit in Berührung gekommen war. Es war ihr vertraut und das jagte ihr mehr Furcht ein als alles andere.
„Ist jemand hier der Magie mächtig?", fragte Ron. Seine Stimme durchschnitt die kühle Luft wie ein Messer.
Niemand antwortete, wahrscheinlich war Lehrion irgendwo im Inneren des Kimorans verschwunden.
„Dann sollten wir zügig reiten", kommandierte Ron. „Alle halten die Augen offen."
„Wonach?", fragte Vion. Er hielt seine Trommel in den Händen, doch heute schien er eher Halt aus ihr zu ziehen.
„Fragen beantworten wir, wenn wir ankommen." Dass sie noch mehrere Tage bis nach Yara brauchen würden, wagte niemand zu erwähnen.
Sie waren noch nie so still aufgebrochen wie an diesem Morgen. Es war, als würde jede zu hastige Bewegung etwas zerbrechen lassen und niemand wusste, was in den Scherben lauern würde.
Doch all ihre Vorsicht war nicht genug.
Die Rak'ysch bemerkten es als Erstes. Sie warfen die scheinbar augenlosen Köpfe hin und her, zischten und ließen ihre Beine zucken. Kilias konnte die Pferde kaum unter Kontrolle halten. Folgten sie sonst brav dem Pfad, den er ihnen wies, schienen sie nun wild entschlossen, sich von ihren Geschirren zu lösen und davonzulaufen. In entgegengesetzte Richtungen.
Syra war diejenige, die es zuerst sah, obwohl Kilias mit Yona die Vorhut bildete. „Was ist das?"
Diese Kinderfrage, sonst weitgehend ignoriert, ließ heute alle Köpfe herumfahren.
![](https://img.wattpad.com/cover/353918468-288-k367372.jpg)
DU LIEST GERADE
Die Seele des Magiers
Фэнтези„Die Welt ist kein Märchen. Sie ist auch kein heldenhaftes Epos. Sie ist dreckig und mörderisch und die Helden haben am Ende genauso blutige Hände wie die Bösewichte. Ich weiß nicht, wie schwer es sein wird, sich den Verox zu nähern. Ich weiß nicht...