„Beran sagt, ich darf Radon streicheln."
Acarions Blick zuckte hinüber zu dem schwarzen Ungetüm von Hund, das sich vor dem Kamin ausgestreckt hatte. Gerade ging einer der Bewaffneten an ihm vorbei und prompt entblößte der Hund seine gelben Zähne.
„Und das willst du?", fragte Acarion ein wenig ungläubig.
Syra nickte ein wenig zögerlich. „Yona hat gesagt, man muss sich stellen ... wenn man Angst hat."
„Hat sie das", sagte Acarion trocken. „Dann frag doch sie, ob sie mit dir zu Radon geht."
„Sie ist nicht hier."
Kurz ließ er überrascht seinen Blick über den Schankraum schweifen. Tatsächlich war von der jungen Lavókanerin nichts zu sehen. Dann blieb Acarions Blick an Ron und Beran hängen, die ein wenig abseits von den anderen in einer Ecke saßen, in der Nähe zum Kamin. Sie schienen in ein ernstes Gespräch vertieft, das Ron nur unterbrach, um gewaltige Schlucke Voken aus seinem Krug zu nehmen. Am Nachmittag hatte Acarion den zwei Männern nicht zuhören können, da sie ihr Gespräch unterbrochen hatten, sobald er in ihre Nähe gekommen war. Vielleicht war das hier eine neue Gelegenheit.
„Also schön", sagte er mit einem Seufzen. „Was willst du dem Vieh denn zu fressen geben?"
Syra stieß ein erfreutes Quietschen aus und zog Acarion an seinem Ärmel mit sich. Als sie sich Radon näherten, richtete er die hellgelben Augen unverwandt auf seine Besucher und Acarion wäre unwohl dabei gewesen, wegzuschauen. Auch Syra zögerte nun doch sichtlich.
„Willst du zurückgehen?"
Stumm schüttelte Syra den Kopf. Kurz warf Acarion einen Blick zu Beran. Der Gaststättenbesitzer hätte doch wohl kaum einem kleinen Mädchen erlaubt, seine Bestie anzufassen, wenn sie dabei ernsthaft in Gefahr geraten würde. Oder?
Syra indes schob sich Stück für Stück weiter an das Ungetüm heran, die Hand wie eine Opfergabe vor sich ausgestreckt. Ihre Beine zitterten sichtlich.
Acarion stand nun so nahe bei Ron und Beran, dass er das protestierende Knarren des Stuhls hören konnte, sobald Ron sein Gewicht verlagerte. Aber die Stimmen rundherum und das Knurren Radons waren so laut, dass sie das gedämpfte Gespräch der zwei Männer überlagerten. Ein Scheit rutschte im Kamin nach unten und ließ einen zischenden Funkensturm nach oben stieben.
Frustriert biss Acarion die Zähne zusammen. In Tavagar hätte er zu Beran und Ron gehen und Antworten verlangen können. Würde er das hier versuchen, würde er lediglich Vorschläge dafür ernten, wohin er sich seine Forderungen stecken konnte.
In diesem Moment verließen Syra die Nerven, mit einem Quietschen berührte sie Radons Kopf mit den äußersten Fingerspitzen, stolperte zurück und fiel hin. Was ihr Glück war, denn einen Moment später schlossen sich die Kiefer der Bestie um die Stelle, wo sich eben noch ihr Arm befunden hatte.
Ron sprang von seinem Stuhl auf und fuhr herum. Zuerst fanden seine Augen Acarion, verengten sich misstrauisch und wanderten dann zu Syra, die neben ihm auf dem Boden saß und Radon mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst anstarrte.
„Bei Rúa", fluchte Ron, „Beran, seit wann lässt du deine Hunde auf kleine Kinder los?!"
In diesem Moment kam Lina die Treppe hinuntergeeilt. Offenbar hatte sie etwas in ihrem Zimmer zu tun gehabt. Sie erfasste die Lage mit einem Blick, nahm Syra auf den Arm und deckte Beran mit Schimpfwörtern ein.
Der jedoch sah nicht so aus, als würde es ihn kümmern. Unter Linas Flüchen murmelte der Besitzer des Gasthauses etwas, in dem Acarion meinte, die Worte „Lektion" und „keine Kuscheltiere" heraushören zu können.
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Die Seele des Magiers
Fantasy„Die Welt ist kein Märchen. Sie ist auch kein heldenhaftes Epos. Sie ist dreckig und mörderisch und die Helden haben am Ende genauso blutige Hände wie die Bösewichte. Ich weiß nicht, wie schwer es sein wird, sich den Verox zu nähern. Ich weiß nicht...