Vom Zusammenbinden ...

53 9 146
                                    

Bereits im Morgengrauen machten sie sich am nächsten Tag wieder auf den Weg. Yona spürte die kurze Nacht in allen Gliedern und sie konnte nur vermuten, dass sie vermutlich auch entsprechend aussah. Zumindest hatte Acarion sich ein Lachen verkneifen müssen, als sie in die Sättel gestiegen waren.

Nicht zum ersten Mal wünschte Yona, es gäbe eine Möglichkeit, ein gemütliches Bett mit auf lange Reisen zu nehmen. Die ganze Nacht über hatten sie in ihren Träumen Bilder von dem leeren Gesichtsausdruck Drions gequält, als sie einfach davongeritten waren. Sie hatte geträumt, dass sie von dunklen Schemen verfolgt wurden, die sich zwischen verkohlten Bäumen verbargen.

Yona wünschte, sie hätte helfen können. Sie wünschte, sie hätte Acarion dazu bewegen können, Drion zu helfen. Doch sie wusste, dass ein erneutes Anschneiden des Themas bei ihm nur auf Widerstand und Herablassung gestoßen wäre und so schwieg sie.

Das Prasseln der Regentropfen war heute von dem steten Knistern des Waldes nicht mehr zu unterscheiden. Acarion hatte einfach die große Kapuze seines Mantels aufgesetzt und ritt nun als dunkles, konturloses Omen vor Yona her. Ihr Mantel dagegen war aus einfacher Wolle und die Kapuze eher der Form halber angebracht. Bereits jetzt, nach wenigen Stunden Ritt, klebten ihr die Haare als nasse Matte am Kopf und sie fror.

Wenn es ihr auch vermutlich nicht so schlecht ging wie Drion und Yaras Einwohnern, die es kaum noch wagen konnten, ihre Häuser zu verlassen, weil sie immer befürchten mussten, ein schwarzer Fetzen könnte sich nähern ...

„Da ist noch etwas, das mich interessiert", durchbrach Yona demonstrativ die Stille. Sie wusste selbst, dass sie zu laut war, aber sie wollte ihre eigenen Gedanken zum Schweigen bringen. „Wie hast du das gestern genau gemacht?"

Die Kapuze bewegte sich ein wenig, wahrscheinlich hatte Acarion sich kurz zu ihr umgedreht, um dann zu bemerken, dass der schwere Stoff ihm die Sicht versperrte. „Was meinst du?"

„Magie." Sie konnte nicht verhindern, dass das Wort ihr beinahe ehrfürchtig gehaucht über die Lippen kam. Auch nach all den Jahren noch. „Ich weiß gar nicht viel darüber. Ich meine, jeder weiß irgendetwas über die Fünf Fähigkeiten, aber ... naja, es ist für uns einfache Leute ein bisschen weit weg, weißt du?"

Ein wenig entschlossener geworden, trieb sie Ofri an, sodass sie wieder nebeneinander reiten konnten.

„Ich meine, ihr reichen Leute richtet doch euer ganzes Leben danach aus, oder?"

„Manche tun das sicherlich", sagte Acarion langsam, sie konnte aber sein Gesicht immer noch nicht unter der Kapuze erkennen. „Aber ich glaube nicht, dass es so extrem ist, wie du es dir gerade vorstellst."

„Keine Häuser im fünfeckigen Grundriss?"

„Doch, allerdings."

„Keine soziale Rangordnung mit fünf Ringen für die Unterschicht und fünf für die Oberschicht?"

Pause. „Verkürzt gesehen."

„Und haben eure Gedichte nicht irgendwie immer so etwas wie fünf Hebungen und fünf Strophen mit jeweils fünf Versen?"

Acarion räusperte sich.

„Alles klar." Yona strich sich die nassen Haarsträhnen aus den Augen. „Das klingt auch wirklich überhaupt nicht gruselig oder so etwas."

„Vielleicht entzieht es sich einfach deinem allgemeinen Verständnis."

Da war er wieder, ein Satz, der sie traf wie eine Keule.

„Vielen Dank auch", gab sie unwirsch zurück. „Ich bin sicher, du hast schon als Kind mit Rasseln mit fünfeckigem Griff gespielt und ... ich weiß nicht, als du dich auf deine Aufnahmeprüfung in Akkron vorbereitet hast, hatten da alle deine Bücher fünf Seiten?"

Die Seele des MagiersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt