Von Uneinigkeit und Harmonie

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Es dauerte lange, bis Yona und Acarion die Talschneise erreichten. Bis dahin war Acarion zweimal gestürzt, seine Beine und die verletzte Seite brannten. Aber wie durch ein Wunder war es ihm gelungen, keine Blutdornzweige zu berühren.

„Der Schnee ist weg", bemerkte er, als sich immer mehr Bäume über ihnen erhoben und ein moosiger Geruch die Luft erfüllte. Die verschiedenen Blätter tanzten vor seinen Augen einen irritierenden Tanz.

Yona antwortete nicht. Erst nach einiger Zeit bemerkte Acarion, dass sie ihn zu einem der Bäume geführt hatte. Sie hatte seine unverletzte Hand auf den rauen Stamm gelegt. Richtig. Da war etwas, das er gegen das Brennen in seinen Gliedern tun konnte.

Acarion konzentrierte sich. Wärme durchflutete ihn. Er fokussierte sie auf die Wunde an seiner Seite und die Schnitte an seinem Arm. Sogar in seinem langsamen Zustand waren sie leicht zu heilen. Doch dann bemerkte er in der seltsamen Wahrnehmung der Veralenergie den Nebel, der sein Denken erdrückte. Er wechselte von Heilung zu Reinigung.

Beinahe sofort begann der ominöse Nebel sich zu lichten. Doch im gleichen Maße, wie Acarion klarer denken konnte, nahm sein Entsetzen zu. Die Verox. Seine Pläne. Er hatte Yona alles erzählt.

Schließlich ließ er langsam die Hand sinken, mit der er die Veralenergie aufgenommen hatte. Der Morgen war plötzlich kalt geworden, eine düstere Warnung lag in der Luft. Er wusste, dass Yona neben ihm stand, aber es dauerte, bis er sich soweit innerlich gerüstet hatte, dass er sich zu ihr umdrehen konnte.

„Da haben wir es also", sagte er. Er würde es sich nicht anmerken lassen, er würde so tun, als hätte er ihr nicht die Mittel in die Hand gegeben, ihn zu zerstören. „Ich bin also ein armer idealistischer Irrer und du bist eine Hure, die aus ihrem Puff weggelaufen ist."

Klatsch. Die Ohrfeige traf ihn unvorbereitet.

„So dankst du mir also, dass ich dich vor dem Valeshk gerettet habe?", zischte Yona. Ihre Augen sprühten förmlich Funken. „Das habe ich davon, dass ich dich bis hierher verfrachtet habe, damit du dich heilen konntest? Um mich von dir als Hure bezeichnen zu lassen?"

Sie war mit jedem Wort lauter geworden.

„Lass mich dir eine Sache sagen, Aci, ich werde nicht zulassen, dass du so mit mir redest."

Sie fuhr herum und entfernte sich einige Schritte von ihm.

„Angriff ist die beste Verteidigung, oder was willst du mir damit sagen? Du hast dich verletzbar gemacht und denkst jetzt, dass ich das ebenfalls getan habe?" Sie wirbelte wieder herum und kam mit drohend ausgestrecktem Zeigefinger wieder auf ihn zu. „Du hast nicht eine Sache erfahren, die ich dir nicht auch so erzählt hätte, hättest du einmal Interesse gezeigt und mich gefragt."

„Tja", sagte Acarion und schnitt in ihren hitzigen Wortschwall ein, die Stimme kühl und beherrscht. „Das Problem bei der Sache ist, wie du offensichtlich erkannt hast, dass ich mir nicht dieselbe Offenheit leisten kann. Was ich geheim halte, verberge ich aus guten Gründen. Es geht um die Sicherheit von ganz Tavagarien und ich kann geheime Pläne und Entwicklungen nicht an eine Reisegefährtin weitergeben, die mir zufällig über den Weg gelaufen ist."

Auch ihn packte die Wut, obwohl er versucht hatte, sie zurückzudrängen. Seine Stimme wurde nun ebenfalls lauter.

„Und du wusstest das, du wusstest, dass du mich in einem Moment erwischen konntest, wo ich nicht im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten war, und du hast die Antworten, die du unbedingt haben wolltest, aus mir herausgezwungen. Du wusstest ganz genau, was du tust."

Im Rückblick erschien es so klar.

„Ich wusste nicht, dass ein wenig Neugier so ein Verbrechen ist", verteidigte Yona sich und schüttelte die Haarmähne aus ihrem Gesicht. „Und es spricht nicht für deine Erfahrung mit Menschen, wenn ich immer noch nichts weiter als deine nächstbeste Reisegefährtin bin. So wie ich das sehe, habe ich dir nämlich mehrfach das Leben gerettet!"

Die Seele des MagiersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt