Von Schreien und Schweigen

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„Dir steht die gleiche Warnung zu wie Grimor auch", sagte Acarion. „Ich gebe dir dieses Angebot einmal im Freundlichen. Rede jetzt mit mir und das hier braucht nicht hässlich zu werden."

Statt einer Antwort riss Sorkan erneut an seinen Fesseln. Yona beäugte die Gitterstäbe, doch sie waren gut gearbeitet. Grimor war kein Risiko eingegangen.

„Willst du dein freundliches Angebot nicht auch bei mir wiederholen?", zischte Fiona in diesem Moment. Sie war am nächsten bei Yona angebunden, direkt neben Foks, der die Augen immer noch auf sie gerichtet hatte. „Willst du bei mir nicht auch so tun, als würdest du uns Gnade erweisen?"

Erneut wandte Acarion sich quälend langsam um, das Gesicht eine ausdruckslose Maske. Er näherte sich Fiona, umkreiste den Wagen halb. Sobald Acarion ihm den Rücken zudrehte, riss Sorkan wieder an seinen Fesseln.

„Ich hatte kurz darüber nachgedacht", antwortete Acarion Fiona, „aber ich denke, wir beide wissen, dass das verlorene Zeit wäre."

Anspannung lag in der Luft, verwob das Knistern des Feuers mit einem metallischen, blutigen Beigeschmack.

„Außerdem", fuhr Acarion nun fort, „haben wir noch ein anderes Problem zu klären."

Und zu Yonas Überraschung hob er die Hand. Für einen absurden Moment dachte sie, er würde Fiona über die Wange streicheln. Stattdessen jedoch fuhren seine Finger über ihren Hals und streiften dann ein Schmuckstück über ihren Kopf.

Einen Herzschlag später erkannte Yona, worum es sich handelte: die Kette mit der menschlichen Veralenergie. Sie schien so unauffällig wie zuvor, doch Yona erging es wie beim ersten Mal, als sie den simplen schwarzen Kristall unbedeckt gesehen hatte. Eine unsichtbare, anziehende Kraft ging von dem Schmuckstück aus, die Yona versprach, alle ihre Probleme lösen und ihr alle Macht der Welt verleihen zu können ...

Acarion streifte die Kette über und ließ den Kristall unter seiner Kleidung verschwinden. Das Gefühl in Yona ebbte ab, ließ sie aber seltsam zittrig zurück, als hätte sie zu lange nichts gegessen. Lira neben ihr rührte sich noch immer nicht.

„Ich werde darauf verzichten, ihn vor deiner Nase baumeln zu lassen, wie du es mit mir gemacht hast", sagte Acarion, nun an Fiona gewandt. „Aber ich werde nicht davon absehen, dir einen kurzen Geschmack dessen zu geben, was du mir danach anzutun versucht hast." Seine nächsten Worte waren fast geflüstert. „Sollen wir es als eine Lehrstunde betrachten?"

Im nächsten Moment schloss sich seine Hand um Fionas Oberarm. Sofort fuhr Fiona zusammen und versteifte sich, den Rücken kerzengerade durchgedrückt.

Ihr Gesicht wurde blass und sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Ihre Augen waren auf Acarion gerichtet, der sie ebenfalls musterte, kalt und desinteressiert.

Dann sprangen Fionas Lippen zu einem Schrei auseinander.

Der schrille Laut erfüllte die Nacht und ließ alle anderen Anwesenden zusammenzucken. In Yonas Ohren echoten die Worte, mit denen Acarion sie im abgebrannten Wald um Yara über die Veralenergie unterrichtet hatte. Physische Signale können immer verstärkt werden ... Schmerz war ein physisches Signal.

Kurz darauf trat Acarion zurück und ließ Fiona los, als bereite sie ihm Ekel. Schlagartig wich die Spannung aus ihrem Körper und sie sackte in sich zusammen, das Gesicht zu Boden gerichtet. Ihre Schultern bebten.

„Betrachte das als mein freundliches Angebot dir gegenüber", sagte Acarion kalt und ließ sie als Häufchen Elend auf dem Boden zurück.

„Ist er öfter so?", wisperte Lira.

Yona zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf. Sie fühlte sich seltsam entrückt, als würde sie die Szene aus großer Distanz betrachten.

Konnte sie etwas für Foks tun? War sie ihm das schuldig, auch wenn er Menschen an die Verox verkaufte?

Die Seele des MagiersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt