Kapitel 43
Jeremys Sicht
Die Wochen vergingen, eine nach der anderen, und schon hatten wir Anfang Juli. Der Sommer war auf seinem Höhepunkt. Dieses Jahr regnete es leider noch weniger, als die Jahre zuvor, weswegen meine Mutter die Hitzewelle ausrief. Das bedeutete, dass jeder Haushalt Wasser sparen musste. Es gab Vorgaben, wer wie viel Wasser benutzen durfte, und vor allem, wofür Wasser benutzt werden darf.
Das sorgte natürlich für Unmut in der Gesellschaft.
Aber es war nichts Neues, denn letztes Jahr musste meine Mutter diese Maßnahmen auch schon in die Wege leiten."Pünktlich wie eh und je!" Ihre laute Stimme riss mich aus meinen Gedanken und brachte mich dazu, mich zu ihr umzudrehen. Evelyn stand vor mir. Gut gelaunt, beide Hände in die Hüften gestemmt, und grinste mich breit an. Ich erwiderte es sofort. Ihr Lachen war ansteckend. Es brachte ihre goldenen Augen auf eine Art zum Funkeln, wie ich es an keiner mir bekannten, anderen Person je gesehen habe. Diese Augen nahmen mich ein. Jedes Mal aufs neue. Ich blinzelte und zwang mich, den Blick von ihr abzuwenden.
"Und du bist mal wieder zu spät!" entgegnete ich amüsiert, während ich meine Haare in meinem Nacken zusammenband. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie sie lachend ihren Kopf in den Nacken warf. Sie trug Sportsachen, genau wie ich. Ich musste ein Gähnen unterdrücken.
Jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen setzte mir zu. Doch uns blieb nichts anderes übrig. Mein Lehrer hatte mir vor ungefähr 2 Wochen mitgeteilt, dass er sich wünschen würde, mich wieder öfter Laufen zu sehen. Er hatte mich daran erinnert, wie außergewöhnlich meine Leistungen doch gewesen seien, als ich meine Freizeit noch mit Ms. Falk verbrachte hatte. Er hatte mir also quasi befohlen, wieder regelmäßig mit ihr joggen zu gehen.Nicht, dass ich unsportlich geworden bin. Ich meine, ich bin ein Dhampir, das ist sozusagen unmöglich.
Aber dennoch... er hatte schon nicht ganz unrecht. Seit Sally zurück war, widmete ich mich in meiner freien Zeit vielen Dingen, aber nicht dem Sport.
"Selbe Runde wie gestern?" fragte Evy mich schnell, was ich nur mit einem Nicken beantwortete.
Und dann liefen wir auch schon los.Eigentlich hatte ich Oskar zunächst gefragt, ob er Interesse hätte, mit mir die täglichen Routen zu laufen. Doch Oskar hatte mich nur ungläubig angesehen und sich dann zu Tode gelacht. Keine zehn Pferde würden meinen besten Freund dazu bewegen, freiwillig joggen zu gehen. Oskar hasste Laufen wie die Pest.
Naja, und so kam es, dass ich schließlich Evelyn gefragt habe. Es hat sich einfach so ergeben.
Doch um ehrlich zu sein, merkte ich, wie gut es mir tat. Ja, ich war zwar viel erschöpfter als sonst, weil wir früh loslaufen mussten, ehe die Sonne hervorkam. Aber ich merkte, wie viel fitter ich beim Training war. Ich fühlte mich athletischer.
Nach einer Stunde waren wir zurück und ich sprang schnell unter die Dusche. Pünktlich um halb acht saß ich dann auch schon bei meiner Freundin in der Mensa und verschlang mein Rührei. Ich fühlte mich so wach, so bereit für den Tag. Auch wenn ich dafür Mittags meistens ein kurzes Tief durchlebte."Bist du heute Abend dabei, Jerry?" Sallys Augen strahlten mich an, während sie über meine Hand strich und mich auffordernd ansah. Ich musste schnell mein Essen herunterschlucken, um ihr antworten zu können. "Wobei noch gleich?" Sie verdrehte lachend die Augen. "Na bei dem Kinoabend in Majas Zimmer. Hatte ich dir doch erzählt!" Sie warf mir, trotz des Lachens, einen kurzen, verärgerten Blick zu. "Hörst du mir in letzter Zeit eigentlich gar nicht mehr zu?" "Doch, natürlich tue ich das" erwiderte ich besänftigend und trank meinen Orangensaft leer. Mein Blick viel auf die Essensausgabe, eher gesagt auf die Gruppe an Novizen, die sich gerade von ihr wegbewegten, in unsere Richtung. Es waren Evelyn und Isobel, zusammen mit ein paar anderen. Ich konnte das Lachen von Evy bis hier her hören, auch wenn es vermutlich nicht wirklich laut war. Ich hatte es einfach schon so oft gehört, früher, ich würde es immer heraushören.
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Vermächtnis der Königin
FantasyWas passiert, wenn sich die Wege von zwei Personen kreuzen, die sich niemals hätten kennenlernen sollen? So sieht das zumindest die 17-jährige Evelyn, die aus Furcht vor der Macht der Königin seit langem einen großen Bogen um den Königshof und all d...