Kapitel 39
Evelyns Sicht
Die Rückfahrt zur Akademie nahm ich wie durch eine Art Schleier war. Ich sah, was um mich herum alles geschah, doch so richtig wahrnehmen tat ich es nicht. Zwei Wächter der königlichen Garde hatten mich irgendwann in ein Auto verfrachtet, nachdem einer der Sanitäter meine Schnittwunden am Rücken versorgt hatte. Ich glaube, er hat mir auch eine Beruhigungsspritze verpasst. Genau konnte ich mich aber nicht erinnern, ich hatte nicht so wirklich auf den Arzt geachtet. Mein Vater hatte sie eigentlich dazu bewegen wollen, mich ebenfalls ins Krankenhaus zu bringen, doch das wollte ich nicht. Wozu auch, ich konnte mich immerhin selbst heilen.
Außerdem wollte ich bei Steve bleiben. Ich wollte ihn nicht...alleine lassen. Ich konnte das nicht recht in Worte fassen.Also haben sie seine Leiche in den Kofferraum geladen und mich auf die Rückbank verfrachtet. An der Akademie würde man Steve dann in den Kühlraum bringen und ihn für die Bestattung herrichten. Seine Eltern würden angereist kommen und ihn verabschieden. Ich konnte wahrnehmen, dass wohl auch eine Art Trauerfeier stattfinden würde. So nahm es zumindest einer der Wächter aus dem Auto an.
Naja, war im Moment auch nicht weiter wichtig.Endlich auf dem Parkplatz der Akademie angekommen, wurden wir auch schon von unzähligen Leuten empfangen. Es waren hauptsächlich Wächter und anderes Personal der Akademie. Steve wurde sofort mit einem Tuch bedeckt und auf eine Trage verfrachtet. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm lösen. Wieso hatte ich das nicht verhindern können?
Ich weiß natürlich, dass es nicht meine Aufgabe gewesen ist, Steve zu beschützen. Wenn ich überhaupt eine Aufgabe an dem heutigen Abend gehabt hatte, dann war das, Isobel zu beschützen. Auch wenn wir dazu natürlich nicht wirklich verpflichtet waren. Das Praktikum diente immerhin nur einem Leistungsnachweis und sorgte nicht dafür, dass ich plötzlich für das Leben einer Moroi einzustehen hatte. Ich war immerhin noch Novizin.
Und selbst wenn es anders wäre, so wäre ich immer noch nicht für Steve, einen anderen Wächter, verantwortlich gewesen. Wächter beschützen sich nicht in einem Kampf. Zumindest nicht vorrangig. Das Hauptziel galt dem Schutz der Moroi. Immer.
Aber das war in der Theorie leichter gesagt, als in der Praxis angewendet.
Man fühlte sich nämlich für jeden um einen herum verpflichtet. Man wollte niemanden verlieren. Und ich war einfach nicht darauf vorbereitet gewesen. Ich habe mich noch nie in einem derartigen Kampf befunden. Ja, ich war schon vereinzelnd Strigoin in meiner Heimatstadt begegnet. Und ich hatte auch hier schon an einem Kampf teilgenommen, als ich André vor einem gerettet habe. Dennoch. Das war nicht im Vergleich zu diesem Geschehen heute. Oder war es schon morgen? Ich wusste gar nciht, wie spät es inzwischen war, es war immer noch stockdunkel.
Ich habe heute so viel um mich herum wahrgenommen. So viele Geister, so viele Emotionen, Gedanken...es war hektisch gewesen, chaotisch und laut. Und ich habe Panik gehabt. Das alles hat meinen Geist selbst in Chaos gestürzt. Vielleicht habe ich es deshalb nicht verhindern können."Ms. Falk!" Ich zuckte augenblicklich zusammen, als mich eine Hand am Oberarm berührte. Ich schaute direkt in das Gesicht von Direktorin Vanessa Ozera. Ihre Wächterin Rose stand direkt neben ihr. Ihr prüfender Blick glitt einmal schnell über mich. "Wie geht es Ihnen?" fragte mich die Direktorin sofort und lächelte mich aufmunternd an. Ich konnte im ersten Moment nicht antworten. Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nur langsam den Weg zurück in die Realität fand. Ich blinzelte ein paar Mal und befeuchtete meine Lippen. Mein Blick ging nun auch schnell an den beiden Frauen hinab. Rose sah aus wie eine typische Wächterin, Jeans, Jacke und Pflock. Vanessa hingegen wirkte...leicht zerzaust. Sie stand in Jogginghose und Pullover vor mir, ebenso trug sie nur Schlappen. Rose musste mit einem male leicht grinsen. Scheinbar war ihr nicht entgangen, dass ich über den Anblick der sonst so durchgestylten Direktorin überrascht war.
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Vermächtnis der Königin
FantasíaWas passiert, wenn sich die Wege von zwei Personen kreuzen, die sich niemals hätten kennenlernen sollen? So sieht das zumindest die 17-jährige Evelyn, die aus Furcht vor der Macht der Königin seit langem einen großen Bogen um den Königshof und all d...