Kapitel 13

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Sie standen plötzlich mitten im Nirgendwo. Fragend schaute sich Ryoma um. Um sie herum war nichts als karge Einöde. Felsen und rotes Gestein, ab und zu ein paar vertrocknete Sträucher. „Levi. Sind wir hier richtig?", fragte er unsicher. Hier war wirklich nichts.

Leviathan schaute zu dem Menschen und lächelte. „Das ist es, was er dich sehen lässt." Er nahm erneut die kleinere Hand. Eine Hand mit schlanken, grazilen Fingern. Er hat schöne Hände. Woher war der Gedanke gekommen?

Ryoma ließ sich von dem Dämon leiten, der seine Hand hob und nach vorne führte. Plötzlich spürte er Widerstand. „Was ist das?" Es machte keinen Sinn. Seine Hand stand in der Luft, vor ihm nichts. Wieso spürte er eine Oberfläche, die nicht da war?

„Du siehst sie nicht. Sie ist durch einen mächtigen Zauber verschleiert. Er lässt dich eine Illusion sehen, Ryoma."

„Eine Illusion?" Mit der Hand fuhr er die Oberfläche entlang. Sie war rau und erinnerte ihn an eine Wand.

Leviathans Hände wanderten durch die Luft und er sprach: „Takhlis minneh." Einen Moment später entstanden Löcher vor ihnen. Die Illusion löste sich auf und ein Haus mit einem riesigen Garten erschien direkt vor ihm. Vor ihnen, mitten im Nichts.

„Was ist das?", fragte Ryoma erstaunt.

„Das ist Luxes' Residenz. Diese Illusion zu durchschauen, gelingt nicht vielen. Wenn du also keine Einladung erhältst, kann es sein, dass du stunden- oder tagelang herumirrst, bis er dich einlässt. Ob und wann er es tut, hängt jedoch von seiner Laune ab." Und die konnte so oder so sein. Leider war dieser Mann unberechenbar.

Verstehe. Nun wusste er, was er berührt hatte. Es war eine Säule, die zu einem Tor gehörte, hinter dem sich der Eingang des Anwesens befand. Um das Anwesen war jedoch keine Mauer, nein, es war ein großer Graben, den er gar nicht nach unten schauen wollte. Drei Schritte weiter und ich hätte einen Abgang gemacht. Vorzeitiges Ende. Danke für Ihren Besuch.

Leviathan öffnete das schmiedeeiserne Tor und sie liefen hindurch. Vor ihnen befand sich ein gepflasterter Weg – eine Brücke über den Graben. Das Geländer bestand aus Stein und war mit zahlreichen Figuren und Fresken verziert. Über den oberen Teil verlief das Relief eines großen chinesischen Drachens, der sich dort entlangschlängelte. Es war eine beeindruckende Detailarbeit.

Sie liefen über die Brücke, folgten dem Weg. Links und rechts neben ihnen erschien ein großer Garten mit Bambussträuchern und Ginkobäumen, dazwischen einige Kirschblütenbäume. Kleine Teiche, welche mit Steinen umrahmt waren, befanden sich inmitten der grünen Grasflächen.

Ein Lachen entkam Ryoma, das Leviathan aufschauen ließ. „Da scheint jemand die asiatische Kultur zu mögen." Es sah fast wie in seiner Heimat aus und ihn überkam etwas Heimweh.

Als sie vor dem Anwesen zu stehen kamen, konnte es nicht mehr geleugnet werden. Das Haus sah aus, wie einer der Bauten der chinesischen Ming-Dynastie aus dem 16. Jahrhundert. Steinbauten mit geschwungenen Dächern, grünen Ziegeln und überall Drachen- und Schlangenstatuen. Die eingelassenen Fenster waren aus einem dunklen Holz, das im Kontrast zur hellen Fassade stand. Der Eingang war etwas erhöht und sie gelangten über eine Holztreppe zu der großen Eingangstür, die in einem dunklen Jadegrün gehalten war.

Beeindruckend. Ryoma schaute sich um, sog den Anblick in sich auf.

Sie blieben vor der Türe stehen. Mit einem Mal stieß Ryoma gegen eine unsichtbare Wand. Was ist das? Bevor er jedoch den Gedanken zu Ende denken konnte, begann eine helle Linie auf dem Boden aufzuleuchten. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass es keine Linie war – sie standen inmitten eines magischen Zirkels, dessen Leuchten von einem hellem Weiß zu einem tiefen Rot wechselte. Dann begann sich dieser zu drehen.

Ryoma - ein schicksalhafter Fluch (BAND 9) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt