Kapitel 16

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Warum wirkt er so angespannt? Ryoma wusste, dass Leviathan etwas beschäftigte. Sie saßen in dem kleinen Zimmer der Herberge, hatten alles für die Weiterreise gepackt, dennoch saß Leviathan vor ihm und in seinem Gesicht stand deutliche Sorge.

„Wohin gehen wir?", fragte Ryoma. Leviathan hatte es ihm noch nicht eröffnet.

„Zurück in mein altes Anwesen." In der Stimme des Dämons schwang keinerlei Vorfreude mit.

Schweigend schaute Ryoma zu Leviathan, wartete, dass er mehr sagte.

Leviathan schaute auf seine Finger. „Ich habe sehr lange geschlafen", begann er. Sie waren nun an dem Punkt angekommen, an dem er dem Menschen die Wahrheit sagen musste, zumindest einen Teil. Um mehr über den Fluch oder den Vanth-Dämon zu erfahren, musste er auf sein altes Netzwerk und all seine Ressourcen zurückgreifen, sofern diese natürlich noch bestanden.

„Zuvor war ich ein Dämon in einer recht hohen Position. Ich habe diese in einem Kampf verloren und wurde schwer verletzt. Eine mir unbekannte Frau hat mich gerettet und in die Höhle eingeschlossen, in der du mich gefunden hast. Während meines Schlafes sind viele Jahrhunderte vergangen und die Hölle hat sich verändert."

Jahrhunderte geschlafen? Der Dämon war also kein Opfer auf dem Altar gewesen, er war ein Gefangener gewesen.

„Wer ist sie und warum hat sie das getan?", fragte Ryoma vorsichtig. Er wusste, dass sich der Dämon langsam öffnete. Dennoch, wieso sollte jemand einen anderen für so lange einsperren? Was hast du getan?

Leviathan schaute nachdenklich zu Boden. „Ich habe früher schlimme Dinge getan, doch ich denke, das ist nicht der Grund. Sie sagte, ich müsse schlafen, bis mein Herz bereit ist." Mein Wahnsinn geheilt ist.

„Herz?" Fragend schaute Ryoma zu dem Dämon.

„Ja. Ich weiß jedoch nicht, ob sie damit das meine in der Brust meint oder-", er brach ab.

Oder? Verdammter Dämon, sprich es aus oder... Wieso hörte Leviathan an dieser Stelle auf?

Leviathan schaute zu dem jungen Mann, in dessen Gesicht keinerlei Abscheu oder Verurteilung stand. „Verurteilst du mich nicht?"

„Wofür? Schlimme Dinge ist ein sehr weitgestreuter Begriff. Zudem denke ich, dass jeder in seiner Vergangenheit Dinge tut, die schlimm sind. Jemanden darauf ein Leben lang zu reduzieren, vor allem wenn man so lange lebt wie ihr, ist engstirnig." Ryoma trat näher, legte die Hand an dessen Wange. „Vielleicht wirst du es mir irgendwann erzählen, doch ich beurteile dich nach den Taten, die du getan hast, seit ich dich kenne. Und in dieser Zeit hast du bisher alles getan, um mich vor dem Tod zu retten."

Warme Worte. Doch du weißt nicht, über welches Monster du sprichst. Wenn Ryoma seine Vergangenheit kennen würde, würde er sich angewidert abwenden, da war er sich sicher. Diese Gestalt, sie ist eine Strafe. Der Traumzauber bestrafte ihn für sein Verbrechen, diese wundervolle Rasse ausgelöscht zu haben. Mein Wahnsinn fordert nun seinen Preis. Und er war sich nicht sicher, was ihn in seinem ehemaligen Anwesen erwarten würde.

„Wenn wir zurückkehren, weiß ich nicht, was uns erwartet. Doch was es auch ist, ich werde es annehmen, denn dein Leben steht an erster Stelle, Ryoma."

Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Menschen aus. „Dann werden wir das wohl herausfinden. Wenn es schlimm wird, dann schnapp mich und wir verschwinden." Er würde nicht zulassen, dass dieser Mann wegen ihm litt.

Leviathan nickte. „Was auch immer du hörst, Ryoma, bitte gib mir die Chance, meine Sicht der Dinge zu erläutern. Mehr wünsche ich mir nicht."

Der Mensch nickte nur und angespannt rief Leviathan ein Portal. Es waren nur drei Schritte, doch er schritt in seine Vergangenheit – eine Vergangenheit, die er eigentlich vergessen wollte. Er wollte in Frieden an Ryomas Seite in der Menschenwelt leben, bis er den endgültigen Schlaf wählte. Wir werden in das Haus am Berg zurückkehren, das schwor er sich.

Ryoma - ein schicksalhafter Fluch (BAND 9) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt