Ryoma wusch sich den Schweiß von der Stirn. Heute war ein sehr schwüler Tag und er wusste, dass es bald regnen würde. Er lackierte die Oberfläche des Tisches, den er in den letzten Stunden fertiggestellt hatte, damit dieser über Nacht trocknen konnte.
Seine Kollegen waren noch beschäftigt. Er hoffte, heute früher nach Hause zu kommen. Sein Bruder Izumi verhielt sich nun seit längerer Zeit seltsam, hatte sich zurückgezogen. Warum, wusste er nicht. Es hatte vor etwa drei Monaten begonnen. Heute würde er das Gespräch suchen, denn er war nun endlich zurückgekehrt. Eineinhalb Monate war er fort gewesen.
Als er fertig war, verabschiedete er sich von seinem Chef, der ihn ausgebildet hatte, und lief nach Hause. Als er die Tür öffnete, spürte er es. Es war ein Gefühl der Unruhe, Angst. Ryoma lief in das Wohnzimmer und sah, wie sein Bruder auf dem Sofa saß, stumm an die Wand starrte. Sein Gesicht war finster, anders als er ihn kannte. Izumi war extrovertiert, lebenslustig und offenherzig. Er war nicht wie Ryoma zurückhaltend oder schüchtern. Jeder im Dorf mochte ihn und er war beliebt, bei jeder Feier dabei.
Was ist passiert? Er lief zu seinem Bruder und setzte sich. Nach dem Tod ihrer Eltern waren sie bei einem Verwandten aufgewachsen, doch diese waren ebenfalls gestorben. Ryoma konnte sich gar nicht an ihre Eltern erinnern, er war zu klein gewesen. Er hatte nur verschwommene Erinnerungen, doch bei Izumi war es anders. Er war acht gewesen. Was genau passiert war, wusste er nicht. Man hatte ihm gesagt, sie wären bei einem Autounfall gestorben.
Sie waren in ein Heim gekommen und Izumi hatte, als er volljährig war, die Vormundschaft für Ryoma übernommen. Zusammen hatten sie in einer kleinen Wohnung gelebt und waren, nachdem Ryoma ebenfalls zu arbeiten begonnen hatte, in ihre jetzige umgezogen. All die Jahre hatten sie zusammengehalten. Es hatte nichts gegeben, worüber sie nicht gesprochen hätten – sei es gut oder schlecht.
„Ryoma", begann Izumi, seine Stimme ohne jegliche Freude.
Was ist passiert? „Egal, was passiert ist, ich bin für dich da", erwiderte Ryoma. Sie würden zusammenhalten.
Izumi hatte anders als Ryoma längere Haare, die er zu einem Zopf zusammen gebunden hatten und war kleiner als Ryoma. Dennoch sah man, dass sie Brüder waren, denn sie hatten dieselben Gesichtszüge und Augen. Um den Mund seines Bruder zogen sich tiefe Falten, die sonst freudigen Augen waren kühl. Die Hände zur Faust geballt. „Ich sterbe."
Es dauerte einen Moment.
„Du s-stirbst?", fragte Ryoma mit zitternder Stimme. Sein Inneres wurde taub, kalt. Eine tiefgreifende Angst machte sich in ihm breit und er konnte nicht mehr atmen. Die Angst, die er so lange verdrängt hatte. Die Angst, Izumi würde gehen und ihn alleine lassen. Ihn wie jeder zuvor verlassen. Es gab nur noch sie, niemand war mehr übrig. „Wovon redest du?", fragte er aufgebrachter, als beabsichtigt.
Er musste sich verhört haben, das konnte nicht sein. Sein Bruder war immer kerngesund gewesen, es hatte keine Anzeichen gegeben, das es anders war. Ryoma griff Izumis Schultern und drehte ihn zu sich. „Egal, was für eine Krankheit es ist, wir schaffen das."
In den Augen seines Bruder stand Hoffnungslosigkeit. Dessen zitternde Hände legten sich an Ryomas Arme. „Bruder. Es ist keine Krankheit, es ist ein Fluch."
Ein Fluch? Ryoma verstand nicht. Dann zog Izumi sein Oberteil aus und er sah schwarze Linien, die sich von dessen Bauchnabel über seinen Bauch bis zu seiner Brust zogen. War das ein Tattoo? Hatte sein Bruder sich dieses stechen lassen, als er fort war?
Nein, das war kein Tattoo. Er wusste es. Als er die Linien berührte, spürte er es. Dunkelheit.
Izumi betrachtete seinen kleinen Bruder. Ryoma verdiente die Wahrheit. Eine Wahrheit, die er vor drei Monaten erfahren hatte. Für mich ist es zu spät, doch nicht für ihn. Als sprach er die Worte, die ihm mehr wehtaten, als jemand es begreifen konnte. „Vor drei Monaten hat es begonnen. Es war ein kleiner Ring um meinen Bauchnabel. Mit jedem Tag wuchs es. Ich wusste nicht, was es war, bis ich ein in den Kisten unseres Onkel ein Tagebuch fand. Dort habe ich die Wahrheit erfahren, kleiner Bruder. Seit Generationen lastet auf unserer Familie ein Fluch. Jedes männliche Mitglied stirbt an dem Tag, an dem es sein dreißigstes Lebensjahr vollendet. Hundert Tage zuvor beginnt der Prozess. Die Zeichen läuten den Anfang unseres Endes ein und wenn es vollständig ist, sterben wir."
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Ryoma - ein schicksalhafter Fluch (BAND 9) ✅️
Fantasía„Du verspürst keine Furcht vor mir, noch Abscheu", stellte Leviathan fest. Seine Hand lag immer noch an der warmen Wange. Ein trauriges Lächeln trat auf Ryomas Lippen und er legte seine Hand auf die des Dämons. „Nein, denn du hast nichts getan, um m...