Epilog

1.8K 96 360
                                    

Tia

Zwei Jahre später...

«Ich finde wir haben heute große Fortschritte gemacht, Tia!» Meine Therapeutin sah von ihren Notizen auf und schenkte mir ein freundliches, warmes Lächeln, über den dicken Rahmen ihrer Lesebrille, hinweg. 

Obwohl ich seit Monaten jetzt schon eine Therapie machte, war ich dennoch jedes Mal wieder nervös vor ihr. Deswegen war es auch kein Wunder, dass ich sofort ins Stottern überging, als ich ihr zustimmte: «D-as... d-as...» Ich räusperte mich lautstark. «Das finde ich auch!»

«Gibt es sonst noch etwas, was du in der heutigen Sitzung, zum Schluss, vielleicht noch ansprechen möchtest?»

«Nein. Eigentlich nicht.» Und trotzdem fummelte ich nervös am Saum meines Winterkleides, als hätte ich etwas zu verbergen.

Dr. Simnon bemerkte das natürlich sofort. Schließlich hatte sie die Psyche des Menschen studiert und konnte mich dadurch besser einschätzen, als ich mich selbst wahrscheinlich: «Bist du dir sicher? Du weißt, dass ich seit der ersten Stunde sage, dass wir irgendwann über deinen Verlust sprechen müssen-»

«Aber nicht heute!» Denn im Moment fühlte ich mich noch nicht bereit dazu. Egal, wie lange es schon her war und auch, wenn es nicht mehr ganz so schmerzhaft war, wie am Anfang. Ich wollte nicht darüber reden.

Jedenfalls noch nicht...

Zumal das Thema meiner Vergewaltigung vor Jahren noch immer nicht ganz verarbeitet war und ich spürte, dass ich diesbezüglich gerne noch weitere Gespräche mit meiner Therapeutin führen würde. 

Und damit kam der Grund, wieso ich Dr. Simnon so sehr mochte. Nicht nur, weil Adara sie mir empfohlen hatte, sondern auch, weil die Frau einfach wusste, wann sie mich nicht weiter unter Druck setzen sollte. 

Sie ließ mir Zeit, mich zu öffnen. Und das schätzte ich sehr an ihr!

«Gut. Dann war's das erstmal wieder für heute.» Wir standen gleichzeitig auf und gaben uns auch im selben Moment zum Abschied die Hände. Ihr Haut fühlte sich wie immer warm und fürsorglich an, was sofort auf mich abfärbte.

«Vielen Dank! Es tat wie immer gut, zu reden...»

Sie zwinkerte mir zu: «Gerne. Und nächsten Mittwoch, wieder zu selben Zeit?»

«Ich werde da sein.» Mit den Worten verabschiedete ich mich von ihr und verließ Dr. Simnon's Praxis mit einem leichteren Gefühl in der Magengegend. 

Obwohl ich mich anfangs dagegen sträubte, war es eine wirklich gute Idee gewesen, eine Therapie zu machen. Auch, wenn es nicht immer leicht war und tränenreich endete, spürte ich dennoch oft am Schluss, wie ich mich befreiter fühlte und die Last langsam von meinen Schultern verschwand...

Auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel, ging ich an einem der zahlreichen Blumenläden, in Chicago, vorbei und kaufte, typisch für die Winterzeit, ein paar rot leuchtende Pfingstrosen. Einen riesigen Strauß, den ich offen mit mir trug, während ich auf einmal angerufen wurde. 

Und als ich auf das Display sah, las ich sofort Adara's Namen. 

«Ist das ein Kontrollanruf, damit du überprüfen kannst, ob ich wirklich bei Dr. Simnon war?» Scherzte ich und musste mir im gleichen Moment das Telefon vom Ohr entfernt halten, weil ich lautes Kindergeschrei hörte. 

«NEIN!» Adara klang "leicht" überfordert. «Das ist eher ein Anruf, um herauszufinden, wann du wieder nach Hause kommst? Ich passe sehr gerne auf Théo auf, aber die kleinen Zwonster machen im Moment, ihrem Namen alle Ehre.»

Her Man. (Mafia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt