Kapitel 35

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Tia

Etwa zur gleichen Zeit, als Jarik gegen Caius antrat...

Ich hatte alles verdrängt... Ich hatte alles verdrängt, um irgendwie zu überleben. Aber als selbst die Verdrängung nicht mehr half und ich mit der Realität konfrontiert wurde, brach alles über mich herein...

Ich wurde nicht nur vergewaltigt, sondern mein Vergewaltiger hatte mich auch noch geschwängert. Und Jarik musste es auch noch in dem Moment herausfinden, in dem ich am wenigsten darauf vorbereitet war, es ihm zu erzählen.

Wobei es wahrscheinlich nie einen richtigen Moment gegeben hätte... 

Wie sollte man seinem Ehemann... dem Mann, den man liebte, auch irgendwie erklären können, dass man ein Kind in sich trug, welches nicht von ihm war? 

Noch dazu durfte Jarik keinen Verdacht schöpfen. Weshalb ich auch sämtliche Schuld von meinem Vergewaltiger weglenkte, um Théo in Sicherheit zu wägen. 

Doch das führte zusätzlich dazu, dass Jarik mir nun nicht mehr vertraute... Nicht mehr mit mir sprach... Mich noch nicht mal mehr ansah. 

Wie existierten nur noch nebeneinander her. Und doch roch ich jedes Mal, den Alkohol und den Zigarettengestank, der von ihm ausging. 

Denn anscheinend hatte er seinen ganz eigenen Weg gefunden, um meinen "Betrug" zu verarbeiten... Wohingegen ich, nun wirklich ganz alleine war. 

Wie gerne ich ihm alles sagen würde! Wie gerne ich ihm sagen würde, dass ich nie im Leben daran denken würde, ihn zu verraten... ihn zu betrügen! Aber ich konnte es nicht tun... Die Worte konnten sich nicht einmal in meinem Kopf formen. 

Also schwieg ich weiter. Ich überlebte weiter... Für Théo. Und eigentlich auch für Jarik, wenn es ihn interessieren würde. 

Aber stattdessen mied er mich und fuhr sogar vor ein paar Minuten weg, ohne etwas zu sagen. Was wiederum auch nicht unüblich war, da er die letzten Tage mit eigentlich niemandem sprach. 

Dennoch machte ich mir aber Sorgen. Und zwar so große Sorgen, dass ich mein Schweigen brach und ausnahmsweise mehr als ein Wort sagte: «Wo ist Jarik hingefahren?»

«ACH DU SCHEIßE!» Schrie Valentina kreischend, als sie vor dem offenen Kühlschrank stand und prompt die Milchflasche fallenließ, aus der sie eben noch trank. «Gott, du kannst mich doch nicht so erschrecken!»

Ich runzelte verwirrt die Stirn. Bis mir einfiel, dass es vielleicht eigentlich normal sein sollte, dass die meisten Menschen um diese Uhrzeit nicht mehr wach waren. Doch nachts konnte ich schon lange nicht mehr schlafen. Ich wusste dann einfach, dass "er" zu mir kommen würde, weshalb mein Schlafrhythmus quasi nicht mehr existent war. 

Wahrscheinlich wollte Val sich nur irgendeinen Snack holen und rechnete deswegen nicht damit, dass ich so mitten in der Nacht und mitten in der Dunkelheit, auf einmal hinter ihr auftauchen würde. 

Ich ließ ihr ein wenig Zeit, bevor ich meine Frage wiederholte: «Wo ist Jarik hingefahren?» Dabei war ich richtig stolz auf mich, dass ich sprach ohne zu weinen oder ohne, dass meine Stimme zitterte. 

«Warte, warte, warte!» Sie wedelte aufgeregt mit den Händen. «Du sprichst! Du sprichst mit mir!»

Wieder verstand ich nicht was sie meinte. Denn das Einzige worauf ich mich konzentrierte, war Jarik. 

«Valentina! Wo ist er?»

Vielleicht war es ganz einfach mein Körper, welcher automatisch Panik bekam, wenn Jarik nicht da war. Denn, wenn er fortging, hieß das meistens, dass mein Peiniger kam und sich an mir verging. Weshalb ich mich auch immer ein klein wenig sicherer fühlte, wenn Jarik da war. 

Her Man. (Mafia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt