Kapitel 15

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Er ist unschuldig.

Wie ein Mantra tönten diese drei Wörter durch meine Gedanken, während ich durch den kühlen Flur lief.

Das klackende Geräusch, was meine Stiefelten auf dem Linoleumboden erzeugten, hallte von den nackten Wänden wider.

Ich schluckte und reckte mein Kinn etwas höher, während ich meine Schultern strafte um mein Frösteln zu unterdrücken. Er ist unschuldig.

Der Wärter vor mir blieb stehen und öffnete eine Stahltür, bevor er einen Schritt zur Seite ging.

,,Miss Royal. Ihr Vater wird gleich hereingebracht. Setzen sie sich doch bitte an den Tisch in der Mitte", erklärte er mir monoton und ich nickte lediglich. Keine Emotion zeigen, die mich angreifbar machen konnte, redete ich mir innerlich ein und betrat den Raum.

Der Raum war genauso dunkel wie der Rest des Gefängnisses, als wollten sie jede Fröhlichkeit im Keim ersticken.

Wieder einmal musste ich Schlucken und versuchte es irgendwie zu dem Tisch in der Mitte zu schaffen, bevor meine Beine nachgaben.

Ich war im Gefängnis, um meinen Vater zu besuchen.

Diese Erkenntnis schlug mir direkt ins Gesicht und die Wände rückten ein Stück näher, um mir die Luft zurauben.

Genau deshalb hatte ich mich geweigert einen Fuß hier rein zu setzen, weil ich Angst hatte, was diese Erkenntnis mit mir machen würde. Angst hatte, dass die Bilder, die ich gleich sehen würde, sich in mein inneres Einnisten und mich von innen Heraus zerfressen, wie ein Parasit, den man nicht bemerkte, weil er zu einem Teil meines Bewusstsein wurde.

Ich faltete meine Hände möglichst lässig auf dem Holztisch und achtete auf meine Atmung, die für einen kurzen Moment raste.

Alles in mir schrie, dass ich sofort hier verschwinden sollte. Aber das ging nicht. Ich tat das hier nicht für mich. Ich tat es für ihn.

Er war unschuldig.

Eine weitere Tür, auf der gegenüberliegenden Seite zu der, mit welcher ich den Raum betreten hatte, öffnete sich und ein weitere Wärter betrat den Raum, gefolgt vom meinem Vater und noch einem Wärter.

Mein Herz setze für einen kurzen Moment schmerzhaft aus. Sie führten ihn in einem orangen Overall und in Handschellen zu meinem Tisch, wobei merklich etwas in mir zerbrechen wollte.

Dass hier hatte er nicht verdient. Niemand, der Unschuldig war.

,,Hallo, Liebling", sagte mein Vater warm und lächelte mich an, bevor er sich mir gegen über setze. Seine blauen Augen waren mit Augenringe unterlaufen und seine Falten wirkten tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte.

Trotzdessen saßen die Haare meiner Vaters fast perfekt, so als wollte er mir eine Illusion geben, an die ich mich klammern konnte...daran, dass er immer noch der alte war, der nichts dem Zufall überließ.

,,Hallo, Dad", hauchte ich und erwiderte sein lächeln, was mir in einem Moment von Schwäche Tränen in die Augen trieb, die ich jedoch sofort weg blinzelte.

Nicht hier.
Nicht vor Dad. Er soll sehen, dass es mir gut geht.

,,Wie geht es dir?", fragte er und legte seine Hände mit einem leisen Klirren des Metalls auf den Tisch dicht vor meine.

Mir wurde eingeschärft ich dürfte meinem Vater nicht berühren. Es waren vielleicht fünf Zentimeter, die unsere Hände trennten. Und diese fünf Zentimeter fühlten sich in diesem Moment an wie Welten, die zwischen uns lagen.

,,Wir kommen da irgendwie durch...wir haben alles im Griff", meinte ich und mein Vater seufzte kurz auf, was bedeutete er kaufte mir diese Lüge nicht mal ansatzweise ab.

Royal - Das Vermächtnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt