30 | Buenas noches, professor!

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ALICIA SIERRA

Das sanfte Platzschen des Wassers hallte gespenstisch von den Wänden wider. Die Luft roch feucht. Ich watete durch eine Pfütze und zog den Mantel enger um mich. Innerlich machte ich Freudensprünge. Ich hatte es geschafft! Ich hatte das Regenüberlaufbecken erreicht.

Angespannt legte ich meine Hand auf den Schaft meiner Pistole. Es war eine gute Art von Anspannung, beinahe mit Vorfreude zu definieren. Hinzu mischte sich einen kleine Prise gesunde Vorsicht. Ich war wie ein Raubtier auf der Jagd. Zuerst näherte ich mich meiner Beute an und dann, wenn sie es am wenigsten erwarteten, schnappte die Falle zu. BUMM!

Tamayo nannte mich vor nicht allzu langer Zeit eine 'arrogante Schlampe'. Und ja, vielleicht hatte er einmal in seinem kläglichen Leben Recht gehabt. Ich war so arrogant, dass ich mir absolut sicher war, das Spiel zu gewinnen. Der Professor war hier. Und wenn ich diesen Kerl aus der noch so dreckigsten Ecke zog. Er entwischte mir nicht.

Ich lächelte siegessicher.

Dann sah ich ihn. Er sah aus wie damals. Ein schlichtes Hemd wie das meiner alten Professoren an der Uni, einen Vollbart und die Brille, die ihn entgültig wie einen zerstreuten Dozenten wirken ließ. Er stand vor einer Ansammlung von Monitoren, die alle ein und dasselbe Bild zeigten: Seine kleinen Dalí Freunde nahmen eine Person in ihre Mitte und führten einen Freudentanz auf. Ich erkannte sie mühelos. Raquel.

Sie hatte alles verraten. Unsere Mission, unser brüchiger Frieden, mich. Unsere Freundschaft.

Ich handelte blitzschnell und hob meine Pistole. ,,Kennen Sie das Gefühl, in der Falle zu sitzen? Wie fühlt es sich an zu verlieren, Professor?"

Er erstarrte. Seine Muskeln spannten sich an und ein Schaudern zuckte durch seinen Körper. Ich sah zu, wie er sich langsam umdrehte und seine Gesichtszüge entglitten. Es war diese winzige Millisekunde, die er brauchte, um seine Niederlage zu erkennen.

,,Alicia." Eine Feststellung, mehr nicht.

,,Nimm die Hände nach oben."

,,Ich..."

Ich drückte ab. KNALL. Die Kugel zischte haarscharf an seinem Kopf vorbei. ,,Ich habe gesagt, du sollst deine Hände dorthin tun, wo ich sie sehen kann."

Der Professor tat wie geheißen.

Ich lachte zufrieden. ,,Ohh", stöhnte ich zufrieden. ,,Das ist besser als jeder Orgasmus, den ich je hatte."

Wir standen uns gegenüber. Zwei Rivalen, die sich seit Jahren erbittert bekämpften. Nach all den Monaten des Hasses stand ich ihm endlich gegenüber. Dem Mann, der meine Tochter nahm. Der Mann, der meine beste Freundin manipulierte. Der Mann, den ich mehr als alles andere hinter Gittern sehen wollte.

,,Ich habe Monate damit verschwendet, dich zu finden. Jahre! Es war enttäuschend einfach und unspektakulär, in dein Versteck zu kommen. Im Grunde bist du genauso arrogant wie ich. Du hast nichtmal eine Kamera aufgestellt, weil du dir so sicher warst, dass dich niemand finden würde. Das ist köstlich!" Ich lachte und lachte. Ich lachte so herzlos, dass ich mir Sorgen um meinen eigenen geistigen Zustand machte.
,,Ich weiß nicht, womit ich gerechnet habe - vielleicht eine alte Lagerhalle oder ein bequemes Hotelzimmer. Aber nein. Du verkriechst dich im dreckigsten Loch von Spanien. Welch eine Ironie angesichts der verräterischen Ratte, die du bist."

Der Professor zog es vor, meine Bemerkungen unkommentiert zu lassen. Nervös schob er seine Brille nach oben und sah sich hilfesuchend um. Zwecklos. Er war allein. ,,Wusstest du, dass Tamayo schon eine Pressekonferenz abgehalten hat, in der er dich fallen lässt. Kein Tag ist vergangen und er kehrt dich unter den Teppich. Hast du gehört, was er über dich erzählt?"

Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt