42 | Finde das Gold

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ALICIA SIERRA

Das Gold finden. Das Gold finden. Das Gold finden.

Ich fühlte mich wie neugeboren. Den größten Schatz der Geschichte wiederzufinden schien genau die richtige Aufgabe nach einer Geburt und einem neuen Bündnis mit meinem ehemaligen Feind zu sein.

Die Inspektora war zurück, nur arbeitete ich diesmal nicht für die Polizei. Sergio und ich verknüpften unser Wissen miteinander und ergänzen uns hervorragend. Wir waren uns also einig, dass Rafael und Tatiana das Land nicht verlassen konnten, weil die Ladung von neunzig Tonnen viel zu groß war. Die Barren waren mit Sicherheit irgendwo vergraben und das Loch, was man dafür brauchte, war so enorm, dass wir immer noch nicht aus dem Spiel waren.

Wieder befanden wir uns auf irgendeiner Landstraße. Der Professor am Steuer hielt sich nicht an die Geschwindigkeitsvorschrift, sondern rauschte mit durchgetretenem Gaspedal über die Straße. Ich nahm den Beifahrersitz ein und beruhigte Victoria, die die Aufregung der vergangenen Stunden weniger gut verkraftete.

Ich lächelte. Das war tausendmal besser als für Tamayo oder Prieto zu arbeiten. Die Mission erfüllte mich mit neuem Tatendrang.

Der Professor erzählte mir auf der Fahrt von seiner gemeinsamen Zeit mit Raquel auf Palawan und ich bereute umgehend, Gérman in seinen letzten Tagen nicht in irgendein Urlaubsparadies entführt zu haben. Sergio war durchgehend angespannt und nervös, aber die Geschichten schienen ihn ein wenig zu beruhigen.

,,Willst du zurückkehren? Nach Palawan?", fragte ich.

Ich brauchte Ideen was ich machte, wenn das alles vorbei war. Victoria würde ein erfülltes Leben führen. Fern von Spanien und den Idioten, die mein Leben ruinierten.

,,Ich weiß es nicht, aber uns steht die ganze Welt offen, Alicia. Neunzig Tonnen Gold sind eine Menge."

,,Neunzig Tonnen Gold, die wir nicht mehr haben", erinnerte ich ihn, obwohl ich zuversichtlich war, es zu finden.

,,Noch nicht."

Das Funkgerät an seiner kugelsicheren Weste blinkte. Wahrscheinlich wieder Raquel, die uns auf dem Laufenden hielt, was der kleine Technikfreak so trieb. Der Professor nahm an. ,,Raquel? Hat Rio Neuigkeiten?"

,,Sergio..."

Ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

Raquels Stimme brach. ,,Wir wurden bezwungen. Lo siento."

Sergio machte eine filmreife Vollbremsung. Ich wurde heftig in den Gurt gepresst und Victoria weinte. Die beiden Autos, die auch zum Team gehören, schafften es nur um ein Haar, auszuweichen.

Tamayos nervtötende Stimme erklang. ,,Deine Freundin lügt nicht. Wir haben die Bank gestürmt und die Geiseln befreit. Deine Leute sind auf Knien. Bringen wir die Sache zuende. Das nächste was passiert ist, dass wir dich finden. Ich werde dafür sorgen, dass du schlaflose Nächte erleidest, Professor."

Bevor Sergio reagieren konnte nahm ich ihm das Funkgerät aus der Hand. ,,Du warst schon immer eine hinterhältige Ratte, Tamayo. Anstatt auf dein Funkgerät zu spucken und deinen Erfolg zu feiern sollte dir klar sein, dass du ohne das gestohlene Gold gar nichts gewonnen hast."

,,Alicia", antwortete der Coronel amüsiert. ,,Schade um deinen Sohn, dass er im Gefängnis aufwachsen muss."

,,Es ist ein Mädchen, du hirnloser Dummkopf", schnaubte ich.

Es rauschte am anderen Ende der Leitung. Der Professor stieg aus dem Auto und ich folgte ihm an die frische Luft. Meine Hand lag auf seiner Schulter. ,,Du musst einen kühlen Kopf bewahren, Sergio. Solange sie die Bank nicht verlassen haben ist das Spiel nicht verloren."

,,Ich weiß."

,,Mamá?" Ich presste meine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Maddies Stimme zu hören im Wissen, dass sie wahrscheinlich von der gesamten Spezialeinheit bewacht wurde, war schwer.
,,Hab keine Angst", sagte ich hilflos. ,,Ich weiß, dass es schwer ist, aber du musst einen kühlen Kopf bewahren."
,,Wie rührend. Seit wann bist du so sentimental, Alicia?", fragte Tamayo.
Ich ignorierte ihn. Diese Geschichte konnte auf mehrere Arten enden. Wenn Maddie ins Gefängnis gesteckt wurde konnte ich sie nicht besuchen kommen. Sie suchten mich genauso. ,,Es tut mir Leid, was ich Nairobi angetan habe."

Ich entschuldigte mich nie für meine Entscheidungen, so war ich doch meistens der Ansicht, dass ich Recht hatte. Diesmal hatte ich einen großen Fehler begangen.

,,Sergio, bitte mach nichts unüberlegtes", flehte Raquel. Anscheinend hatte Tamayo das Funkgerät wieder ihr überreicht.

,,An deiner Stelle würde ich die Zeit nutzen, mir ein sehr gutes Versteck zu suchen", trällerte Tamayo gut gelaunt. Er triumphierte bereits.

,,Das wird nicht nötig sein. Viele haben sich immer gefragt, warum ich nicht selbst in die Bank gehe und mich dieser Gefahr aussetze. Alicia hat einst gesagt, dass ich deswegen feige sei." Er schaute kurz zu mir. ,,Ich habe mir immer geschworen, dass... sollte mein Team scheitern... wir werden gemeinsam untergehen. Ich stelle mich."

Ich starrte ihn an, ebenso wie alle anderen unseres kleinen Teams. Das konnte er doch nicht ernst meinen! Es fehlte immer noch jede Spur von diesem verdammten Gold!

,,Ich bin in zwanzig Minuten in der Bank."

,,Machen wir fünfzehn draus. Beeil dich."

Damit brach die Verbindung ab. Der Professor senkte den Kopf und trottete die Landstraße entlang. ,,Das wars?", fragte ich und lachte höhnisch. ,,Du gibst auf? Tokyo würde sich für dich schämen."

Er drehte sich wieder zu uns um und rückte seine Brille zurecht. ,,Die Schlacht ist erst verloren, wenn sie die Bank verlassen. Tamayo kann nicht zugeben, dass die nationalen Goldreserven fort sind. Und deshalb wird er nicht an die Öffentlichkeit bringen, dass wir bezwungen wurden."

,,Das ist Irrsinn! Wir haben das Gold nicht. Wir haben nicht einmal eine Spur, wo das verfluchte Gold sein könnte! Wie willst du Tamayo mit dem Gold herausfordern, welches du nicht besitzt?"

,,Deshalb wirst du das Gold finden."

Nun lag es an mir, in lautes Gelächter auszubrechen. Der Wahnsinn fesselte mich und ich überspielte meinen Ärger mit Lachen. Das war köstlich! Ein absurderer Vorschlag war ihm also nicht eingefallen...

Sergio ließ nicht locker. ,,Überleg doch mal. Du hast geschafft, was Interpol nicht in zwei Jahren erledigen konnte. Du hast mich gefunden... in ein paar lächerlichen Stunden. Wenn du nicht in den Wehen gelegen hättest, hättest du mich besiegt. Und jetzt brauche ich dich, um den größten Schatz der Geschichte zu finden. Wenn es einer schaffen kann, dann du!"

Ehe ich mich versah, hatte der Professor mich in eine innige Umarmung verwickelt, die ich perplex erwiderte. Ich hasste Körperkontakt über alles, aber merkwürdigerweise vertraute ich diesem Mann. Er hatte einen Plan. Und dafür brauchte er meine Hilfe. ,,Bring sie zu mir zurück, Professor."

,,Ich gebe mein Bestes."

Ich löste mich aus der Umarmung und trat einen Schritt rückwärts. Der Professor steckte mir eine kleine Notiz für seinen Neffen zu, anschließend ging er zu Fuß los. Ich hatte keine Zeit das zu hinterfragen und drehte mich zu meiner Mannschaft um. ,,Was sagt ihr? Lasst uns diese Möchtegernverbrecher und unseren Schatz finden!"

Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt