CN: Gedanken an Tod und töten, Waffen, Tod, Suizid
Ein grausamer Schrei wies Edda die Richtung.
Mel!
Trotz ihrer Erschöpfung beschleunigte sie ihre Schritte aus einem Trab in den Sprint. Irgendwo in der Nähe musste Mel sein, bitte, sie durfte nicht zu spät gekommen sein! Seit ihre Fackel ausgebrannt war, hatte sie aufmerksam die Umgebung im Auge behalten, und als kurz darauf eine weitere Fackel in der Nähe aufgeleuchtet war, hatte sie gewusst, dass etwas faul war.
Das mussten Edric und Storm sein, die eine Falle gelegt hatten. Doch sie hatte sich nicht getraut, Mel eine Botschaft zuzurufen – aus Angst, ihre Verbündete und sich selbst augenblicklich in Gefahr zu bringen und zum Jagdopfer zu werden. Also war sie aufgebrochen in Richtung des verräterischen Feuers, das nicht sehr weit entfernt zu sein schien. Anfangs schien sie auch gut voranzukommen und war bereit gewesen, jeden Moment auf die Karrieros zu stoßen oder Mel vorher abzufangen. Doch dann stieß sie auf einen breiten Riss im Boden, sicher drei oder vier Meter breit, den sie ein Stück weit umgehen musste. Zudem musste sie leise sein und an manchen Stellen sehr aufpassen, kein lautes Echo mit ihren Schritten zu verursachen.
Und nun hatte jemand in ihrer Nähe geschrien. Was, wenn es Mel gewesen war? Was, wenn sie tot war?
Ein Stich fuhr durch Eddas Herz, gefolgt von Angst. Ihre Verbündete war ein guter Mensch, lieb und sehr vertrauensvoll. Sie hatte sie in ihr Herz geschlossen in den wenigen Tagen vor der Arena, und ungünstigerweise auch danach. Dennoch schwebte ihr die ganze Zeit im Kopf herum, dass sie sich hier nicht zu sehr auf Menschen einlassen durfte. Aus der Arena kam nur eine lebend heraus, und sie stand vor der ungelösten Frage, ob sie im entscheidenden Moment bereit dazu wäre, zu töten. Ob sie bereit dazu wäre, Mel zu töten.
Vor Edda öffnete sich eine weite Felsebene, einige Dutzend Meter entfernt brannte eine Fackel.
In dem Moment ertönte die Kanone. Ein Kampf um Leben und Tod hatte hier stattgefunden, und falls Mel in die Falle gegangen war, war sie zu spät gekommen.Unwillkürlich hielt sie den Atem an und duckte sich so tief zu Boden, wie sie konnte. Wenn Storm oder Edric sie jetzt bemerkten und angriffen, wäre sie verloren, gegen die könnte sie ohne richtige Waffe und im Dunkeln nie bestehen.
Die Minuten verstrichen, während sie unentschlossen auf dem steinernen Untergrund kauerte. Was sollte sie tun? Nachsehen, was passiert war? Abwarten? Weglaufen?
Sie entschied, noch zu warten. Wer auch immer hier gewesen war, die Person würde die Fackel vermutlich nicht einfach zurücklassen, aber auch nicht zu lange bei der Leiche verharren, damit sie abgeholt werden konnte. Und tatsächlich, nach kurzer Zeit beobachtete Edda, wie sich der Lichtschein bewegte. In den schaukelnden Bewegungen von Schritten entfernte sich jemand den Hang hinauf.
Edda wartete so lange, wie sie es aushielt, dann hastete sie gebückt über die Ebene. In der Dunkelheit konnte sie kaum etwas erkennen, doch nahe dem Ort, an dem die Fackel gestanden hatte, sah sie einen Schemen am Boden liegen. Der Mondschein reflektierte schwach an den Falten einer Jacke.
„Oh Gott", entfuhr es Edda leise.
Sie schloss die Augen. Bitte nicht Mel, dachte sie, bitte nicht, obwohl sie mit jedem weiteren toten Tributen näher an ein Finale zwischen ihnen beiden kam. Ihre Zuneigung fühlte sich stärker an als die Angst, die dann in der Zukunft auftreten würde.
Vorsichtig trat sie einen Schritt auf den Körper vor sich zu. Und dann noch einen, und noch einen. Als sie sich neben den Leichnam hockte, erkannte sie im schwachen Licht der Nacht Mels Gesicht.
Oh nein. Nein, nein, nicht Mel!
Die Ahnung, die sie seit der falschen Fackel und dem Schrei überkommen hatte, hatte sich bestätigt.
Traurigkeit überflutete ihr Herz und verzweifelt schloss sie die Augen, ließ sich zu Boden sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Mel war tot, ihre Verbündete, ihre Freundin. In der Arena ließen zu viele Kinder ihr Leben, und das treuherzige Mädchen aus Distrikt Acht gehörte nun auch dazu.
Tränen stiegen Edda in die Augen, sie presste sie unter den Lidern hervor und sie rollten langsam ihre Wangen herab. Mel ist tot, die gute Mel, die allen so vertraut hat. Die immer geglaubt hat, dass wir es schaffen können.
Edda zwang sich dazu, die Augen zu öffnen und auf das Mädchen vor ihr zu blicken. Sie lag auf dem Bauch, als wäre sie geradewegs im Laufen erwischt worden, aus ihrem Rücken sickerte Blut auf den Boden ringsherum, die Hände lagen rotverschmiert halb unter ihrem Oberkörper. Doch ihr zur Seite gedrehtes Gesicht anzuschauen war am schlimmsten. Mels Augen blickten glasig in die Ferne, Panik und Schmerz lagen in ihrem Gesichtszügen.
Edda spürte, wie ihr schlecht wurde. Hastig wandte sie den Blick ab, zwang sich, tief ein und auszuatmen, und bemerkte erst dadurch, wie hastig und unregelmäßig sie zuvor Luft geholt hatte.
Mel würde nicht mehr nach Hause zurückkehren. Die ganze Zeit hatte sich die Fünfzehnjährige voller Hoffnung an den Gedanken geklammert, wieder nach Hause zu kommen, hatte ihre gesteigerte Chance aufgrund der geringen Tributzahl gefeiert – und nun war es einfach aus.
Die vernichtende Erkenntnis traf Edda wie ein Schlag. Mel war tot. Und sie, Edda, war noch am Leben, eingesperrt in der Arena mit zwei der gefährlichsten Tribute, Edric und Storm. Egal, wie schlecht es ihr gerade ging, sie musste Vorbereitungen treffen.Nach einem kurzen Moment der Überwindung zog Edda vorsichtig den Rucksack von Mels Rücken. Er war völlig unbrauchbar, mit Blut vollgesogen und zerfetzt von der Waffe, die ihre Verbündete das Leben gekostet hatte. Darin fand sie jedoch noch ein kleines Messer, das sie zu ihrem eigenen in den Gürtel steckte. Nahrung oder Wasser hatte Mel nicht gefunden, oder schon verbraucht, da sich keine Vorräte bei ihr befanden.
In Mels Jackentasche entdeckte sie das kleine Rotkehlchen aus Stoff, dass ihre Freundin immer bei sich getragen hatte. Kurz überlegte sie, es mitzunehmen und als Andenken aufzubewahren, aber dann dachte sie, dass sie es lieber direkt bei ihr lassen wollte. Wenn Mels Körper nach Hause geschickt wurde, sollte sie ihren Glücksbringer bei sich haben.
„Es tut mir leid", flüsterte Edda und strich kurz über das Haar ihrer Verbündeten. „Tschüss, liebe Mel."↢∞↣
Cecelia eilte den Gang zwischen dem Kontrollraum und ihren privaten Zimmern entlang. „Indigo!", rief sie schon, als sie seine Tür noch längst nicht erreicht hatte. Die Bilder, die Sekunden zuvor noch über den großen Bildschirm gelaufen waren, standen ihr vor Augen und sie überbrückte die letzten Meter zwischen sich und Indigos Zimmer.
Sie klopfte an. „Indigo!"
Als keine Antwort kam, fluchte sie leise. Ihr Mitmentor verkroch sich im Zimmer, sobald die Spiele begannen, ließ seine Tribute im Stich und nun antwortete er nicht mal, wenn sie ihm die Trauerbotschaft überbringen wollte. Die Sieger waren alle traumatisiert, sie alle wollten keine Kinder zu den Spielen bringen und ertrugen deren Tod nur schlecht, aber es war nun mal ihre verdammte Aufgabe! Die Tribute konnten am allerwenigsten dafür, und sie sollten sie nicht allein der Arena überlassen.
Wütend griff Cecelia nach der Klinke und stieß die Tür auf, ohne noch einmal anzuklopfen oder auf eine Antwort zu warten. Im ersten Moment dachte sie, Indigo liege schlafend im Bett, doch als sie nähertrat und die Wahrheit erkannte, stockte ihr der Atem.
Heute hatte Cecelia zwei Tote zu betrauern.
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Die 100. Hungerspiele: Täuschende Hoffnung
FanfictionWas wäre, wenn Katniss nie mit Peeta die 74. Spiele gewonnen hätte? Was wäre, wenn es die Hungerspiele immer noch gäbe? Eine mit Gefahren gespickte Arena, tödliche Gegner aus elf Distrikten und nur ein lebender Sieger am Ende: All das steht Mel, ein...