Kapitel 7

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CN: Waffen


Nachmittags versuchte Mel sich im Schwertkampf, was nicht so leicht war, wie es bei den anderen aussah. Das Schwert war zwar nicht sehr lang, vielleicht einen halben Meter oder weniger, aber sie war die Bewegung mit der Metallwaffe nicht gewohnt. Es war schwierig, den richtigen Stand mit einem passenden Schwung zu kombinieren und darauf zu achten, wie genau das Schwert auf die Zielpuppe traf.
Nachdem der Trainer, ein großer und muskulöser Mann mit Glatze, ihr ein paar grundlegende Übungen beigebracht hatte, fragte er, ob sie einen Trainingskampf mit den Kraftfeldfiguren machen wolle.
"Ähm, klar, wieso nicht?", stammelte sie.
Er wählte die einfachste Stufe aus und ließ Mel dann auf den Startpunkt treten. Einige Sekunden lang passierte gar nichts, dann schossen gelbe Strahlen, die leuchteten und durchlässig waren wie Licht, um sie herum. Eine erste Figur bildete sich aus dem Kraftfeld und Mel hob das Schwert, um sich gegen den Gegner zu wehren.
Sie schwang das Schwert nach rechts und als die Figur wenige Schritte von ihr entfernt war, machte sie einen Ausfallschritt und hieb die Waffe in die Kraftfeldfigur. Mit einem leisen Krachen zerbarst das Licht und löste sich auf.
Mel sah sich hektisch um. Die nächste Übung ließ nicht auf sich warten.

Nach nur drei weiteren Gegnern war die Runde vorbei. Mel war getroffen worden, was die Übung automatisch beendete.
Der Schwertkampf war schwierig. Solange sie die gelernten Techniken anwenden konnte, ging es, aber sobald ein Gegner mit erhöhtem Tempo auf sie zukam oder eine andere Angriffsart verwendete, war Mel aufgeschmissen.
Es war ähnlich wie mit dem Bogenschießen - ihr fehlte einfach die Zeit, Techniken zu verinnerlichen und instinktiv zu handeln, anstatt grobe Übungen nachzuahmen.
Es war wie verflucht. Wie sollte sie den in der kurzen Zeit lernen, sich zu verteidigen? Von frontalem Angreifen konnte sie nur träumen. Allein für ein Grundverständnis der Waffen hätte sie monatelanges Training gebraucht.
Nicht sicher, ob sie lieber heulen oder wütend fluchen sollte, setzte sie sich an den Rand der Halle und versank in Gedanken. Es war so unfair, dass die Karrieros in ihren Distrikten üben konnten. Und überhaupt - in den meisten anderen der zwölf Landesteile, abgesehen vom Kapitol, lernten die Kinder den Umgang mit etwas, was in der Arena nützlich wäre. Distrikt Vier - Fischerei. Folglich also Vorteile im Wasser und mit einigen Geräten und Waffen. Distrikt Fünf, Energiegewinnung und Strom, ähnlich wie in Drei. In Sieben lernte man mit der Axt umzugehen und in Neun die Erkennung von Getreide und anderen Anbaupflanzen. In Zehn wurde Vieh gehalten und geschlachtet, dort kannte man sich mit Tieren und Essbarem aus. Distrikt Elf hatte Obstplantagen und Farmen - ein Vorteil bei der Nahrungssuche in der Wildnis. Nur Distrikt Acht und Zwölf hatten kaum etwas, was Jugendlichen in der Arena helfen würde.
Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass der letzte von Panems Distrikten nur drei Sieger in einhundert Jahren hatte; der letzte aus den neunundachtzigsten Hungerspielen, die beiden anderen lebten nicht mehr.

Frustriert seufzte Mel auf. Klar, ihre Arbeit Zuhause hatte sie gelehrt, wie man nähte und mit Nadel, Schere und Stoff umging, aber was brachte ihr das hier und in drei Tagen? Gab es vielleicht eine Waffe, die mit Nadeln vergleichbar war? Etwa... Wurfnadeln, oder Blasrohre.
Hoffnung verspürend erhob sie sich und beschloss, sich auf die Suche zu machen.

Am beliebtesten bei den Sponsoren waren große Waffen wie Schwerter, Speere oder Keulen, das wusste Mel aus ihrer bisherigen Erfahrung als Zuschauerin der Spiele. Damit würde sie also nicht punkten können, aber anders ging es eben nicht.
Sie sah sich in der Halle nach Stationen um, die Wurfnadeln oder ähnliche Waffen enthielten und entdeckte an der hinteren Wand tatsächlich einen Stand, der Nadeln, Blasrohre und noch kleinere Wurfmesser, als die, die sie am Morgen benutzt hatte, bereithielt. Der Übungsleiter suchte ihr einige passende Waffen heraus und sie ging in den Stand, den sie heute Morgen gelernt hatte. Dann zielte sie und versuchte, die Übungspuppe zu treffen - vergeblich. Als sie in den nächsten drei Durchgängen ebenfalls kein einziges Mal traf, stiegen ihr Tränen in die Augen.
Warum konnte nicht einmal etwas klappen? Wieso war sie bloß so unfähig? Sie entschuldigte sich bei dem Trainer und sagte, sie würde eine kurze Pause machen. Mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf, damit keiner der anderen sie weinen sah, lief sie zu den Sitzen am Rand und ließ sich auf einen fallen.
Verdammt. Verdammt, verdammt. Was sollte sie bloß Cecelia und Indigo heute Abend erzählen? Dass sie nichts hinkriegte und einfach heulend am Rand saß? Eine Träne rollte ihre Wange herab und Mel versuchte, sie unauffällig wegzuwischen. Ihr Herz zog sich zusammen, während ihre Verzweiflung sie überrollte. Was sollte sie jetzt bloß tun?

Die 100. Hungerspiele: Täuschende HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt