Kapitel 16

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CN: Tod, Waffen, Schlange, Gedanken an Tod und töten


"Meine Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauer, die diesjährigen Hungerspiele neigen sich dem Ende zu! Schauen Sie jetzt live die Übertragungen aus der Arena, fiebern Sie mit ihrem Favoriten mit, beobachten Sie, wie ein neuer Held gekrönt wird!"
Marianne verdrehte die Augen. So ein Schwachsinn! Die diesjährigen Spiele hätten nicht schlechter für Distrikt Acht laufen können. Der Junge, Samuel, war gleich beim Blutbad gestorben und Mackenzie war in der Nacht von den Karrieros getötet worden. Und jetzt sollten sie feiern und entweder die beiden aus Distrikt zwölf oder den aus Zwei anfeuern?
Sie stellte den Topf mit der heißen Suppe auf den Esstisch und blickte ein letztes Mal hinüber zu dem alten Fernseher, auf dem gerade ein Bild von dem Jungen und dem Mädchen aus Zwölf eingeblendet wurde, bevor sie ihn ausschaltete. Katniss Everdeen, das Mädchen, das in Flammen steht. Lächerlich - jeder aus den Distrikten konnte sehen, dass ihre angebliche Liebe zu Peeta nur gespielt war. Eine einfache und gute Taktik, ein Vorteil in den Spielen, mehr nicht. Man konnte es ihr praktisch im Gesicht ablesen. Nun ja, alle bis auf der Junge selbst und die nach Tragödien heischenden Menschen aus dem Kapitol.
"Jaspin! Essen ist fertig!" Die zwanzig-jährige Frau zog einen Stuhl heran und setzte sich. Als sie einige Kellen von der Suppe in zwei Schalen gefüllt hatte, betrat ein Mann den Raum. Mit einem breiten Lächeln nahm er ihr gegenüber Platz, betrachtete kurz die Schale mit Suppe, hob dann den Blick und sagte: "Du bist klasse, Marianne."
Diese lächelte zurück, bevor sie beide zu den alten Löffeln aus angelaufenem Metall griffen und anfingen, zu essen. Für kurze Zeit war es still, dann ergriff Jaspin das Wort. "Und? Gibt es was Neues über die Spiele?"
"Ja" Marianne seufzte. "Ich glaube, es geht heute noch zu Ende."
"Sehen wir es uns an?"
"Was?!"
"Wenn sie schon sterben müssen, dann sollten wir wenigstens gedanklich bei ihnen sein und ihnen diese Ehre erweisen, findest du nicht?"
Nein, das fand Marianne nicht. Aber sie sagte nichts. Stattdessen nickte sie und Jaspin stand auf, um das Gerät wieder einzuschalten. Gerade war Ceasar Flickerman dabei, die Geschehnisse von letzter Nacht zu kommentieren: "Thresh war in Richtung der Felsen hinter dem Wald unterwegs, aber wie Sie hier sehen können, ist Cato ihm dich auf den Fersen gewesen!" Eine Karte der Arena wurde eingeblendet, die beiden Jungen wurden als sich bewegende Punkte dargestellt. "Den Kampf um Leben und Tod konnte Cato knapp für sich entscheiden! Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er und Katniss und Peeta aufeinandertreffen!"

Die Suppe war längst aufgegessen und Marianne und Jaspin saßen auf der alten Couch vor dem Fernseher. Heute waren sie nicht unterwegs; an solchen Tagen wie heute musste niemand arbeiten. Es sollte ja genug Zeit zum Zuschauen bleiben.
Minute um Minute verging. Die Zeit zog sich hin, eine Sekunde schien immer länger zu dauern. Jedes Geräusch war zu laut. Dennoch passierte nichts. Sie konnten nur dasitzen und zusehen, wie Jugendliche, die sie kaum kannten, immer mehr auf ein blutiges Finale zusteuerten. Sie konnten nur warten, Minute um Minute, Stunde um Stunde.

↢∞↣

Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, während Mel im Unterholz kauerte, in der Nähe Elyan, Edric und Lenox wissend. Edda war schon eine ganze Weile fort, sie konnte nicht sagen, wie lange. Bestimmt zwei Stunden oder mehr. Es war nichts zu hören außer den Geräuschen des Windes in den Baumwipfeln und dem gelegentlichen Knacken eines Astes, wenn sich einer von ihnen in eine andere Position begab.
Ein Vogel flatterte durch die Wipfel und aus dem Augenwinkel sah Mel, wie einer der Jungen spielend ein Messer in seine Richtung streckte. Er lachte leise. Still!, dachte Mel augenblicklich.
Sorge und Angst schlichen in ihren Gedanken und ihrem Herzen umher wie Raubtiere, die jeden Moment zuschlagen würden. Quatsch, es geht ihr gut!
Dennoch konnte Mel nicht anders, als ständig daran zu denken, wie es Edda erging und warum sie noch nicht wieder aufgetaucht war. Sie konnte nicht tot sein, es hatte keine Kanone geknallt. Aber was, wenn sie gefangen genommen wurde? Oder wenn wilde Tiere oder Schlimmeres sie angriffen?
Mel schluckte. Sie konnte nichts tun, außer zu warten und darauf zu hoffen, dass es ihr gut ging.

Die 100. Hungerspiele: Täuschende HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt