CN: Gedanken an Tod und töten
Bereits seit mehreren Stunden saß Mel im Zug.
Ihr Mentor und ihre Mentorin waren noch nicht erschienen und Maja war gleich in ihr Abteil gestürzt, um sich zurechtzumachen. Dementsprechend fühlte sie sich allein und traurig.
Schon nach wenigen Minuten hatten die tollen Speisen und Getränke ihren Glanz verloren.
Klar - es schmeckte fantastisch, und diese Snacks hätten eine Familie für mehrere Tage ernähren können - aber viel zu sehen gab es nicht.
Mel seufzte. Seit sie den Zug betreten hatte, hing sie mit ihren Gedanken in ihrer Heimat, Distrikt Acht. Wie anders würde es wohl nun sein? Was machte ihre Mutter gerade? Bisher war sie noch nirgendwo anders gewesen als in ihrem Distrikt und das war auch vollkommen normal, denn sie wurden von den anderen elf ferngehalten. Offiziell geschah das aus Sicherheitsgründen, da die Wälder gefährlich waren, aber allen war klar, dass der Hauptgrund das Verhindern einer neuen Rebellion war. Seit den vierundsiebzigsten Spielen wurden noch schärfere Maßnahmen ergriffen: Die Friedenswächter waren strenger als zuvor und sämtliche Zäune um Distrikt Acht waren erneuert worden - vermutlich auch in allen anderen Distrikten.
Acht war im Vergleich zu den anderen Distrikten weder wirklich groß noch klein und mit am weitesten entfernt vom Kapitol, aber Mel konnte sich nicht vorstellen, woanders zu leben. Sie fühlte sich in dem Randgebiet vor den großen Kleiderfabriken wohl, von dort hatte sie es nicht weit zum Hauptplatz, zu ihrer Schule und zu Clay. Auch der Laden, für den sie beide ab und zu nähten, um Geld zu verdienen, war nicht weit entfernt.
Ihre Brust zog sich zusammen, als sie an ihr kleines Haus dachte. Würde sie je wieder dort schlafen?
In dem Moment glitt die Tür zwischen dem Speisewaggon und den anderen Abteilen auf und zwei Personen traten ein.
Die Frau war mittelgroß und Mel schätzte sie auf Mitte fünfzig. Der Mann, der nach ihr eintrat, war etwas größer und deutlich älter als die Frau, und hatte graues Haar und einen Bart.
Mel erkannte sie auf Anhieb. Es waren zwei der Sieger aus ihrem Distrikt, die bei der Erntezeremonie noch auf der Bühne gesessen hatten. Sie würden wohl dieses Jahr ihre Mentoren sein.
"Du bist also Melody. Ich bin Indigo, und das ist Cecelia." Die Stimme des Mannes klang seltsam, irgendwie...deprimiert.
"Bitte nur Mel."
"Okay, Mel. Also, wir sind deine Mentoren.", übernahm Cecelia das Gespräch.
"Wir begleiten dich bis zur Arena mit Ratschlägen und sorgen danach für Sponsoren."
"Wir fördern also deine Stärken und versuchen, dich den Leuten im Kapitol gut zu präsentieren", fügte Indigo hinzu.
Irgendetwas sagte Mel, dass dieses Gespräch nicht schön für die zwei war. Sie schienen zwar nett zu sein, aber die Art, wie sie die Sätze sagten, ließ vermuten, dass sie das schon sehr oft getan hatten.
Es ist ja auch nicht leicht, jedes Jahr Kindern helfen zu wollen und sie so oft sterben zu sehen, dachte Mel schaudernd. Was war schlimmer - Tribut oder Mentor sein?
"Gibt es irgendetwas, was du bereits gut kannst? Irgendwelche Waffen- oder Überlebenskünste?", fragte Cecelia. "Bist du dir auch ohne Training über eine Stärke bewusst?"
Jetzt musste sie etwas sagen. Irgendwas Schlaues, damit sie Interesse weckte.
Aber ihr fiel nichts ein.
Das war offenbar an ihrem Gesicht abzulesen, denn Indigo seufzte und meinte, dass sie schon noch etwas finden würden.Am Abend saß Mel noch lange wach in ihrem Abteil, sah aus dem Fenster und schaute in die Landschaft, die allmählich von dem gewohnten flachen Gelände in mächtige Berge wechselte. Zu Anfang war es noch sehr aufregend gewesen, denn sie hatte noch nie aus der Nähe so hohe Berge gesehen. Mit den Stunden, die vergingen, gewöhnte sie sich immer mehr dran und fand es zunehmend schön. Es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit, von dem riesigen, massiven Stein umgeben zu sein.
Cecelia und Indigo hatten Recht. Sie musste etwas finden, was sie gut konnte, sonst war sie in der Arena verloren. Irgendetwas.
Eine Taktik könnte sie sich wenigstens überlegen. Oder Verbündete suchen.
Ja, das wär was. Dann wäre sie nicht allein.
Mel hatte das Gefühl, dass Indigo irgendwie seltsam war. So deprimiert und still, zurückhaltend. Stimmte etwas nicht mit ihm?
Aber Cecelia war ein wenig anders. Ihr Blick hatte sich verändert, als Mel sich mit ihr unterhalten hatte.
Einschätzend. Hoffend.
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Die 100. Hungerspiele: Täuschende Hoffnung
FanfictionWas wäre, wenn Katniss nie mit Peeta die 74. Spiele gewonnen hätte? Was wäre, wenn es die Hungerspiele immer noch gäbe? Eine mit Gefahren gespickte Arena, tödliche Gegner aus elf Distrikten und nur ein lebender Sieger am Ende: All das steht Mel, ein...