5 | Traum

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J U L E S

Außer Atem tigere ich im Raum umher, während ich vergeblich versuche, mein Herz zu beruhigen. Meine Hand massiert die Stelle auf meiner Brust, derweil mein Verstand rast und immer wieder die Szene durchgeht, die sich in der Bar abgespielt hat.

Das kann nicht sein, oder?

Niemals ist es möglich, dass dieser Verrückte mit meiner Schwester kommuniziert hat. Das muss ich mir erneut eingebildet haben. Sowas gibt es nicht! Kann es nicht geben. Das ist so verdammt surreal. Und doch sagt mir etwas tief in meinem Inneren, dass es vielleicht wahr sein könnte. Oder ist es nur mein sehnlichster Wunsch, mit meiner Schwester ein letztes Mal zu reden?

Nachdem er meinen Namen gesagt hat, bin ich aus der Bar geflüchtet. Die Gänsehaut, die meinen gesamten Körper eingenommen hat, ist noch immer da, während das komische Gefühl von vorhin ebenfalls nicht verschwinden will. Als würde mich etwas magisch anziehen. Anders kann ich es nicht beschreiben, weil ich mich noch nie so gefühlt habe.

Verdammt! Was ist hier nur los? Werde ich verrückt? Das wäre der einzig plausible Grund, oder etwa nicht?

In meinem Inneren herrscht ein Durcheinander. Mein rationaler Verstand kämpft gegen dieses unbekannte Gefühl an. Nur weiß ich nicht, ob er gewinnen kann, da sich alles miteinander vermischt. Ich sollte das alles nicht ignorieren. Nicht nach allem, was vorgefallen ist.

Ein Klopfen katapultiert mich in die Realität zurück. Ein ungutes Gefühl, oder besser gesagt, eine böse Vorahnung macht sich bemerkbar, weshalb meine Hände zu zittern beginnen. Meine Augen starren auf die Tür, jedoch denke ich nicht daran, sie zu öffnen. Vielleicht ist mir dieser Mann gefolgt und will mir etwas antun.

Verdammt seien die Horrorfilme, die ich zusammen mit Cassidy angeschaut habe und mir deswegen alle mögliche Szenarien durch den Kopf gehen.

Sicherheitshalber halte ich den Atem an und bleibe still. Ich bewege mich kein Stück und starre weiterhin mit großen Augen auf die Tür. Möglicherweise habe ich Glück und er verschwindet.

»Jules? Bist du da? Bitte, mach die Tür auf. Ich will dir gerne alles erklären«, dringt die Stimme des Mannes zu mir durch, gefolgt von einem weiteren Klopfen.

Mein Herz donnert gegen meine Brust, als würde es einen Marathon laufen. Das Adrenalin rauscht durch meine Adern, während ich meine zitternden Hände vor das Gesicht halte. Mit geschlossenen Augen versuche ich einen klaren Gedanken zu fassen, was ich als Nächstes tun sollte.

Denk nach, Jules. Denk verdammt nochmal nach.

Ruckartig richte ich mich auf. Meine Augen huschen zur Küche, da ich etwas brauche, mit dem ich mich verteidigen kann. Langsam mache ich einen Schritt darauf zu, als ich schreiend zusammenzucke, da sich plötzlich die Tür mit einem Knall schließt, ohne das sie jemand berührt.

»Cas! Hör auf damit! Du machst ihr Angst«, brüllt der Verrückte und hämmert weiterhin gegen die Tür.

Cas? Der will mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass meine Schwester hier ist. Sie ist doch tot! Ich habe ihren leblosen Körper gesehen, als ich aus dem Auto herausgekrochen bin. Dabei ignoriere ich die Tatsache, dass ich vor einigen Tagen glaubte, ihre Anwesenheit zu spüren.

Mein Verstand kämpft noch immer dagegen an, was ich ihm nicht verübeln kann. Geister und so einen Scheiß, gibt es nicht. Das ist nur ein Humbug, den wir in Filmen sehen oder in Büchern darüber lesen. Mehr nicht.

Plötzlich beginnen alle Schränke sich zu öffnen, bevor sie sich mit einem lauten Knall wieder schließen. Völlig verloren sinke ich zu Boden, während ich den Kopf schüttle. Tränen steigen mir in die Augen, als ich zusammengekauert in der Ecke hocke.

SeelentrösterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt