7 | Reden

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J U L E S

In meinen Händen halte ich die wärmende Tasse, aus der ein wundervoller Duft aufsteigt, während ich das Foto von meiner Schwester und mir anstarre. Es ist dasselbe, das der Mann neben mir auf dem Boden gefunden hat. Leider weiß ich immer noch nicht, wie er heißt. Bei dem ganzen Durcheinander haben wir uns nie vorgestellt. Aber wer hätte nach dem Namen gefragt, bei dem ganzen Chaos das hier herrscht?

Vielleicht sollte ich das ändern. Schnell stelle ich das Getränk vor mir ab und reiche ihm meine Hand. »Ich heiße Jules, auch wenn du das bereits weißt.«

Sofort zuckt sein Mundwinkel in die Höhe, bevor er sie ergreift. »Clark, freut mich dich kennenzulernen.«

Ein angenehmes Kribbeln erfasst meine Haut, genau dort, wo mich Clark berührt, weshalb ich sie blitzschnell wieder zurückziehe.

Was zur Hölle war das?

Lange kann ich nicht darüber nachdenken, da mein Kopf sich auf etwas anderes fokussiert. Ich kann mich nicht erinnern, diesen Namen jemals in einem Zusammenhang mit Cassidy gehört zu haben. »Was hast du mit meiner Schwester zu tun? Sie hat dich mit keiner Silbe erwähnt.«

»Wir kannten uns auch nicht, als sie noch gelebt hat.«

Zweifelnd hebe ich meine Augenbrauen. Die Anzeichen sind zwar da, aber sollte ich ihm das wirklich glauben? Der Tee ist nur eins der Beispiele, dass er mir bisher die Wahrheit erzählt hat. Aber irgendwie kann ich das immer noch nicht glauben.

»Wie soll ich das verstehen?«

Tief seufzt er auf und reibt sich über das Gesicht. »Ich dachte nicht, dass ich diese Geschichte jemals jemandem erzählen werde. Aber ich denke, es ist wichtig, damit du alles verstehen kannst.«

Ruckartig erhebt er sich und tigert im Raum auf und ab. Ein Glück, dass er mir kein Loch in den Boden stampft. Gleichzeitig reibt er sich abermals über das Gesicht. »Ich weiß. Lass mich eine Sekunde nachdenken«, höre ich ihn plötzlich rufen.

»Ich habe doch gar nichts gesagt«, erwidere ich ziemlich verwirrt auf seine Worte.

»Ich habe auch nicht mit dir gesprochen.«

Oh! Dann redet er gerade mit Cassidy?

Verdammt.

Eine gespenstige Gänsehaut überkommt mich, als ich mich umsehe. Es fühlt sich noch immer surreal an, dass sie ebenfalls hier anwesend ist, da ich sie nicht sehen kann. Zwar spüre ich eine kribbelnde Anwesenheit, aber mein Verstand stellt sich immer noch quer. Er sagt mir, dass es unmöglich sein kann und doch will ich den Worten Glauben schenken.

»Es hat alles damit angefangen, als ich meine Bar eröffnet habe«, beginnt Clark mit seiner Erzählung, nachdem er einen Moment innehält, bevor er sich eine Sekunde später wieder in Bewegung setzt. Dabei wedelt er ununterbrochen mit seinen Händen, sodass ich einen zweifelnden Blick auf meine Vasen werfe, die glücklicherweise nicht in greifbarer Nähe stehen.

»Eines Tages kam Louis hereinspaziert und hat sich an die Theke gesetzt. Als ich die Bestellung aufnehmen wollte, hat er sich geschockt in Luft aufgelöst, weshalb ich verwirrt meine Stirn gerunzelt habe. Zuerst dachte ich, dass ich mir das nur eingebildet habe, aber einen Moment später tauchte er wieder auf und hat mich mit offenem Mund angestarrt und mit dem Finger auf mich gezeigt.«

Leise lacht er auf und blickt mir kurz in die Augen. »Er war schockierter als ich, da ich es nicht sofort verstanden habe.«

»War er ein Geist?«, stelle ich interessiert meine erste Frage. Ich lehne mich ein wenig nach vorne und stütze mein Kinn auf den Händen ab. Erwartungsvoll schaue ich ihn an.

SeelentrösterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt