11 | Glücklich

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J U L E S

Mit einem breiten Lächeln verstaue ich die Bücher in die Tasche, ehe ich sie dem Kunden überreiche und mich verabschiede. Meine Wangen schmerzen bereits, jedoch kann ich nicht anders. Seit Wochen fühle ich mich lebendig, als wäre ich wieder die alte Jules, die aus ihrem Versteck herausgekrochen ist.

»Besuchen Sie uns bald wieder«, rufe ich ihm noch hinterher und drehe mich um, um die Lieferung fertig auszupacken.

»Na da ist jemand gut gelaunt«, kommentiert meine Chefin hinter mir, weshalb ich zusammenzucke, da ich sie nicht gehört habe.

»Kristen, erschrecke mich doch nicht so.«

Breit grinst sie mich an. »Tut mir leid, Jules«, sagt sie ohne einen Hauch Reue in ihrer Stimme. »Aber ich finde es echt schön, dich wieder so lachend zu erleben.«

Auch wenn ihre Worte mir einen leichten Stich in der Brust verpassen, kann ich nicht anders. Die ganze Zeit über fühle ich mich lebendig. Als hätte sich ein Schalter in meinem Inneren gedreht und die Gefühle freigelassen. Und das alles, weil ich Clark in meinem Leben haben darf.

Seit unserem Date auf dem Dach sind weitere Wochen vergangen und wir verbringen alle freien Minuten zusammen. Entweder essen wir bei Mike etwas, spazieren im Park miteinander oder ich setze mich zu ihm und den Geistern an die Theke.

Ein kleiner Teil in meinem Kopf ist noch nicht ganz überzeugt von der Seelensache, jedoch spüre ich die Anwesenheit meiner Schwester mit jedem Tag mehr. Und auch die Unterhaltungen mit ihr, während Clark als Medium fungiert, sind so witzig. Als wäre sie nie weg gewesen.

»Ich fühle mich langsam wieder gut, Kristen.«

»Hat das einen bestimmten Grund?«, fragt sie sofort nach, sodass sich leicht meine Wangen färben, weshalb ich den Blick abwende und mich auf die Lieferung konzentriere.

Ja, hat es. Aber den genauen Grund kann ich ihr nicht sagen, also muss ich ihr etwas verschweigen. Ich denke jedoch, dass sie es nicht bemerken wird, da sie ganz aus dem Häuschen sein wird.

»Ich habe einen Mann kennengelernt«, lasse ich die Bombe platzen und warte auf eine Reaktion, die … nicht kommt?

Verwundert hebe ich meinen Blick. Meine Chefin hat ihre Augen geweitet, während ihr der Mund offen steht. Meine Antwort hat sie geschockt, so wie ich es mir gedacht habe. In all den Jahren, die ich hier bereits arbeite, habe ich nie einen Mann erwähnt. Das ist eine Premiere.

»Bitte?«, würgt sie hervor und streicht sich ihre schulterlangen rötlichen Haare aus dem Gesicht. Zudem richtet sie ihre Brille, die ihre grünlichen Augen größer erscheinen lassen. Sie erinnert mich an Arielle, einfach mit Brille. Nur dass sie sich in weiten Kleidern versteckt, was ich sehr schade finde. Aber anders kenne ich diese Frau nicht.

Und ehrlich gesagt, ist das bereits lange her. Als sie vor zehn Jahren ihren Buchladen von ihrer Großmutter geerbt und mich eingestellt hat, um genau zu sein.

»Er heißt Clark, besitzt eine wundervolle Bar und gehört wirklich zu den Guten«, plappere ich weiter darauf los.

Mein Herz hämmert brutal gegen meine Brust, während mein Bauch anfängt zu kribbeln, als würden tausende von Schmetterlingen darin wüten. Ein Gefühl, dass mich permanent begleitet, wenn ich nur an ihn denke. Auch wenn das alles Neuland für mich ist und ich eigentlich sonst Angst bekomme, fühle ich mich unglaublich gut.

Die rosarote Blase ist wirklich ein tolles Phänomen. Ich hoffe, dass sie nicht so schnell platzt. Und ehrlich gesagt, habe ich Angst davor. Was dann passieren wird?

SeelentrösterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt