9 | Wo passt das alles rein?

256 23 19
                                    

C L A R K

Mit großer Vorfreude schließe ich die Bar, während Jules den Nachthimmel betrachtet. Die funkelnden Sterne scheinen auf uns herab und der Vollmond spendet genug Licht, damit wir uns sehen können. Meine Hände sind ganz schwitzig, da sich langsam die Nervosität bemerkbar macht. Zudem hilft es kein bisschen, dass mein Herz entschieden hat, heftig gegen meine Brust zu schlagen. Ich habe das Gefühl, dass sie es hören kann, so still ist es in diesem Moment.

Die verlorenen Seelen waren nicht begeistert, als ich ihnen verkündet habe, dass ich heute früher schließe. Ich kann aber nicht von Jules erwarten, bis zum Morgengrauen auf mich zu warten. Einen Abend werden sie es überleben müssen und ich bin echt froh, dass auch Cas nicht auf dumme Gedanken gekommen ist und uns begleiten möchte.

Das ist für mich nicht einfach ein Treffen unter Freunden und ich will auf keinen Fall gestört werden.

»Wo bringst du mich hin?«, höre ich die sanfte Stimme von Jules, die mir eine Gänsehaut verschafft.

»Das wirst du gleich sehen. Aber wir müssen uns zuerst etwas zu essen holen.«

Schwungvoll drehe ich mich zu ihr um und schenke ihr ein breites Lächeln. »Worauf hast du Lust?«

Nachdenklich tippt sie sich auf das Kinn, bevor ihre Augen aufleuchten. »Wie wäre es mit Burger?«

»Klingt perfekt.«

Gleichzeitig laufen wir los. Die kühle Nachtluft lässt mich kurz frösteln, jedoch genieße ich es. Es ist ein willkommenes Gefühl, nachdem ich heute die ganze Zeit unter Strom gestanden bin. Die Vorfreude und auch die innere Aufregung hat mich leicht ins Schwitzen gebracht.

»Hat überhaupt etwas geöffnet?«, fragt sie zweifelnd nach, nachdem sie auf ihre Uhr geblickt hat.

Es ist bereits nach drei Uhr, weshalb mich ihre Frage überhaupt nicht überrascht. Ich kenne aber ein Lokal, dass jederzeit geöffnet hat. Ein kleiner Geheimtipp, den fast niemand kennt.

»Lass dich auch hier überraschen, Jules«, antworte ich ihr zwinkernd, bevor ich langsam ihre Hand umschließe und sie mit meiner verschränke.

Wie auch beim ersten Mal fängt meine Haut an zu Kribbeln. Als würden Stromstöße durch unsere Finger pulsieren, die mich magisch anziehen. Es ist ein wohliges Gefühl, das sich anfühlt, als würden bald Funken fliegen, bevor ein loderndes Feuer ausbricht. Eigentlich sollte es mir Angst machen und doch will ich den Moment genießen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie lange er anhalten wird.

Jules schenkt mir ein verlegenes Lächeln, nachdem sie auf unsere Hände geblickt hat. Nach ihren rosigen Wangen zu urteilen, denke ich, dass sie genau dasselbe spürt. Ich lasse es aber unkommentiert, da ich diesen Moment nicht zerstören will, auch wenn mir eine spitze Bemerkung bereits auf der Zunge liegt.

Eine angenehme Stille umhüllt uns. Nur ganz leise höre ich die fahrenden Autos, die sich einige Straße weiter befinden.

Der Duft von gegrilltem Fleisch steigt mir in die Nase, als wir uns dem Lokal nähern, der die besten Burger der Stadt macht.

»Was ist das für ein Laden? Ich wohne schon mein ganzes Leben hier und trotzdem kenne ich ihn nicht.«

Meine Augenbraue wandert in die Höhe. »Das kommt mir bekannt vor.«

Abermals färben sich ihre Wangen rötlich, weshalb ich krampfhaft versuche den Drang zu unterdrücken, sie zu berühren. Gerne will ich ihre warme Haut liebkosen und wissen, wie es sich anfühlt, wenn sie verlegen ist.

»Deine Bar befindet sich auch am andere Ende der Stadt«, kontert sie sofort. »Und außerdem bin ich selten in solchen Lokalen unterwegs.«

»Solche Lokale?«, rufe ich auf und bleibe stehen. Entrüstet lege ich meine freie Hand auf meine Brust und schaue sie mit großen Augen an.

»Nein! So war das nicht gemeint. Ich gehe einfach selten aus. Niemals würde ich deine Bar so bezeichnen«, versucht sie sich auszureden und verwandelt sich vor meinen Augen in eine Tomate. »Ah, verdammt!«

Mein Mundwinkel zuckt leicht, da ich mich nicht mehr beherrschen kann. Meine gespielte Empörung bröckelt leicht und als Jules es bemerkt formt sie ihre Augen zu schlitzen.

»Autsch«, rufe ich aus, nachdem mir die kleine Zwergmaus einen Schlag auf die Brust verpasst hat. »Wofür war das denn?«

Ihr Finger ist auf mich gerichtet, während sie mich böse anfunkelt. »Weil du es verdient hast. Ganz einfach.«

»Das war doch nur ein Scherz«, schreie ich ihr hinterher, da sie bereits das Restaurant ansteuert und mich einfach hat stehen lassen.

»Das kriegst du zurück.«

Schnell laufe ich ihr hinterher. Da sie so klein ist, hole ich Jules schnell wieder ein. »Und wie willst du mir das heimzahlen?«, hake ich neugierig nach.

»Das wirst du schon sehen.«

Mit ihrer zierlichen Hand öffnet sie die Tür und tritt hinein. Eine Welle von duftendem Käse, Fleisch und Pommes schlägt uns entgegen. In meinem Mund läuft das Wasser zusammen, als ich an das leckere Essen denke. Zudem knurrt mein Magen laut auf, weshalb mich die kleine Zwergmaus mit erhobenen Augenbrauen mustert. Ich zucke bloß mit den Schultern. Seit Stunden habe ich nichts mehr gegessen.

Jules schaut sich zuerst ein wenig um. Die weißen Wände, die mit jeglichen Fotos versehen sind, springen einem sofort ins Auge. Das Highlight von der gesamten Einrichtung. Es zeigt uns die Geschichte von diesem Lokal und wie es sich in all den Jahren verändert hat. Ich weiß nicht, wie oft ich es mir bereits angesehen habe. Außerdem erzählt Mike, der Besitzer und ein guter Freund von mir, gerne davon.

»Na sieh mal einer an, wer da ist.«

Mike steht hinter dem Grill und blickt uns mit einem breiten Grinsen an, nachdem er Jules neugierig gemustert hat. Noch nie habe ich ein Date hierher gebracht, weshalb ich mir denken kann, was in seinem Kopf vor sich geht.

»Hast du um diese Uhrzeit jemanden anderes erwartet?«, will ich wissen und laufe auf ihn zu.

»Na ja, du bist früh dran. Die Kids waren noch nicht mal da.«

»Daran bin ich schuld«, schaltet sich plötzlich Jules ins Gespräch ein. »Meinetwegen hat er die Bar früher geschlossen.«

Freundlich lächelt sie ihn an und streckt ihre Hand aus. »Und ich bin Jules, freut mich dich kennenzulernen.«

Mike schenkt ihr ebenfalls ein warmes Lächeln. »Ich bin Mike, ein alter Freund von Clark.«

»Wir kennen uns seit der Grundschule«, füge ich hinzu und reiche der kleinen Zwergmaus die Menükarte.

Dankend nimmt sie das laminierte Papier in die Hand und studiert das Essen. Dabei kräuselt sie ihre Nase und eine Furche bildet sich zwischen ihren Augenbrauen. Nachdenklich reibt sie sich das Kinn und blickt anschließend Mike erwartungsvoll an.

»Was kannst du mir empfehlen?«

»Der Cheeseburger ist die Spezialität des Hauses«, erwidert Mike sofort. Zustimmend nicke ich ihm zu. Der ist wirklich klasse. Nur der Gedanke daran bringt meinen Bauch wieder zum Knurren.

»Ok, dann nehme ich zwei Cheeseburger, eine Portion Pommes, die Jalapeños und noch eine große Cola.«

Mit großen Augen schaue ich die kleine Zwergmaus an, die unschuldig mit den Schultern zuckt und den Kopf schief legt. »Was denn? Ich hab Hunger.«

»Wo soll das alles hineinpassen?«, fragt Mike zweifelnd nach, als könnte er meine Gedanken lesen.

Ich habe keine Ahnung, mein Freund.

»Na, hier«, antwortet Jules und reibt sich über den Bauch.

Plötzlich fängt mein Kumpel laut an zu lachen. Kichernd stützt er sich an der Theke ab und schüttelt dabei den Kopf. »Die Kleine gefällt mir, Clark. Du darfst sie gerne öfters mitnehmen.«

»Danke, Mike. Ich sage dir dann nach dem Essen, ob ich dich auch mag«, witzelt Jules und bringt mich ebenfalls zum Lachen.

»Deal.« Sein Blick findet den meinen und zum zweiten Mal an diesem Abend höre ich dieselben Worte. Eine Warnung, die ich mir zu Herzen nehme. »Vermassle es nicht, Clark.«

Das werde ich bestimmt nicht tun, Mike. Denn Jules gefällt mir mit jeder Sekunde immer mehr.

SeelentrösterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt