C L A R K
Mit einem breiten Grinsen blicke ich mich in der Bar um, während ein zufriedenes Gefühl durch meine Adern strömt. Genau aus diesem Grund habe ich in all den Jahren nicht aufgegeben. Alle sind bedient, tanzen zur Musik oder diskutieren miteinander. Aber das Wichtigste ist, dass sie alle glücklich aussehen und das Beste aus ihrem Tag machen. Egal, ob Mensch oder Geist.
Cas hat sich zu Luke und Tracy gesellt und unterhält sich mit ihnen. Dabei fuchtelt sie mit den Händen und an ihrem amüsierten Gesichtsausdruck muss es sich um etwas Witziges handeln. Es tut gut zu sehen, dass sie sich mit den anderen angefreundet hat und sich mit ihnen austauscht. Anfangs war sie eher skeptisch und hat jeden bis zum letzten Nerv provoziert, bis sie endlich bemerkte, dass sie alle im selben Boot sitzen. Seit dem ist es ein wenig ruhiger geworden und ich muss gestehen, dass ich froh darüber bin.
Schmunzelnd schüttle ich den Kopf und nehme ein Glas in die Hand, um mir selbst ein Getränk einzuschenken. Nach diesem ganzen Trubel habe ich mir das echt verdient.
Außerdem muss ich zugeben, dass mir seit Tagen das Lächeln nicht aus dem Gesicht weicht. Zuerst fand ich das ein wenig gruselig, aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Vor allem, da ich weiß, wem ich das zu verdanken habe.
»Was ist eigentlich mit Clark los?«, höre ich Tracy fragen, jedoch ignoriere ich sie. Eher konzentriere ich mich auf die Tür, da es bald so weit ist.
»Lass es gut sein, Trace. Du musst nicht überall deine Nase hineinstecken«, mahnt sie Luke, dem ich dankbar zunicke.
Leider kennt Cas das Wort Privatsphäre nicht, da sie sich bereits mit funkelnden Augen zu ihrer neuen Freundin umdreht und sich verheißungsvoll zu ihr beugt. Trotzdem kann ich jedes Wort hören, was bestimmt Absicht ist. »Er hat jemanden kennengelernt.«
Ein einstimmiges »Oh« erklingt, weshalb ich mich umentscheide und sie mit schief gelegtem Kopf anblicke. »Wenn ihr nicht herausfliegen wollt, dann hört ihr sofort auf, über mich zu sprechen«, warne ich sie mit erhobenem Finger.
»Spielverderber«, murmelt Tracy vor sich hin.
Cassidy jedoch scheint meine Drohung nicht ernst zu nehmen. »Stell dich nicht so an. Du weißt alles über uns, also muss es dich nicht stören, wenn wir uns ebenfalls für dich freuen wollen.«
»Sie hat recht, Clark. Du bist uns immer ein guter Freund und Zuhörer und wir wollen uns gerne revanchieren.«
Sofort schüttle ich mit dem Kopf. »Das müsst ihr aber nicht. Ich will keine Gegenleistung von euch.«
»Aber wir würden das gerne tun«, kommt es sofort von den beiden, während Cas mich mit verschränkten Armen vor der Brust und erhobener Augenbraue ansieht. Ihr Blick sagt schon alles, weshalb ich mir an die Nasenwurzel fasse und aufstöhne.
»Ihr seid doch unmöglich«, rufe ich aus, bevor die Klingel einen neuen Gast ankündigt und mein Herz anfängt schneller in meiner Brust zu schlagen.
Das Grinsen breitet sich wieder auf meinem Gesicht aus, als ich in sturmgraue Augen blicke, die mich an einen tobenden Sturm erinnern. Ein Tornado wütet ihn ihnen, der sich auch in meinem Bauch bemerkbar macht, da er zu kribbeln beginnt. Langsam kommt sie einen Schritt näher, nachdem sie mit einem neugierigen Blick alles in sich aufgesaugt hat.
»Ich bin zu früh, tut mir leid.«
Sofort winke ich mit der Hand ab. »Das macht nichts. Schön, dass du hier bist. Willst du etwas trinken?«
Schwungvoll setzt sie sich auf den Hocker, bevor sie ihre Hände aneinander reibt und mir zunickt. »Eine Cola, bitte.«
Die Geräusche sind leiser geworden, was ich nur am Rande wahrnehme. Die Menschen beachten uns gar nicht, jedoch sieht das bei den verlorenen Seelen ganz anders aus. Jeder von ihnen mustert uns mit Argusaugen, einschließlich Cas. Einige mit ehrlichem Interesse, während andere Jules skeptisch beäugen, da sie niemandem trauen. Immerhin ist es für sie ungewohnt, dass sich ein Lebender an die Bar setzt. Das ist ganz klar ihr Revier. Außerdem schenken sie der kleinen Nervensäge ebenfalls einen irritierenden Blick, da die beiden genau gleich aussehen.
»Jules!«, schreit Cassidy, bevor sie sich eine Sekunde später auf die Stirn schlägt. »Verdammt! Ich vergesse es immer wieder. Grüße sie von mir, Clark. Bitte.«
Tracy und Luke fangen an zu lachen. Zeitgleich beobachten sie uns weiterhin. Ich kann die Blicke spüren, da es sich so anfühlt, als würde mein Rücken Feuer fangen.
Lässig stelle ich das Getränk vor ihr ab. »Wie war deine Woche, Jules?«
Seit fünf Tagen habe ich sie nicht mehr gesehen. Jules wollte Zeit für sich, um über das Ganze nachzudenken, ohne jeglichen Druck. Trotzdem haben wir Nachrichten miteinander ausgetauscht und manchmal sogar telefoniert. Am Anfang war ich überrascht, als ich ihren Namen auf dem Display erblickt habe, aber danach habe ich mich auf diese Momente gefreut. Jedes Mal, wenn mein Smartphone klingelte, hat mein Herz schneller geschlagen. Ich habe mich wie ein kleiner Junge gefreut, was untypisch für mich ist. Es ist eine lange Zeit vergangen, als ich mich das letzte Mal für eine Frau interessiert habe.
»Sie war gut. Ich habe mich nach langer Zeit wieder bei der Trauerhilfegruppe blicken lassen.«
Mit den Händen stütze ich mich ab und hebe überrascht meine Augenbrauen. »Das ist toll, Jules!«
Langsam beginnen die anderen wieder ihre Gespräche aufzunehmen, was ich nur am Rande wahrnehme, da ich mich komplett auf die Frau vor mir fokussiere. Cassidy hat sich neben sie gesetzt und saugt jedes Wort in sich auf. Ich kann die Frage an ihrem Gesicht ablesen, jedoch halte ich mich zurück. Vielleicht ist es besser, wenn wir das unter uns klären und nicht jetzt, wo uns alle hören können.
»Ich bin auch froh, auch wenn es sich zuerst komisch angefühlt hat. Sarah war aber wie immer sehr einfühlsam und es tat auch gut, die anderen zu sehen.«
Jules blickt sich kurz im Raum um, bevor sie mich leise fragt: »Ist Cassidy da?«
Leicht nicke ich und deute auf ihre rechte Seite. Sofort schleicht sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, das mir ein Kribbeln im Bauch beschert.
»Hallo, Schwesterherz«, begrüßt sie Cas. »Und hallo auch den anderen, die ich nicht sehen kann.«
Sofort erklingt ein einstimmiges »Hallo«, weshalb ich meine Stirn runzle. Also hören sie doch zu! Ich wusste es!
»Was habt ihr eigentlich geplant?«, will die Nervensäge von mir wissen und blickt zwischen uns beiden Hin und Her.
Ich gebe keine Antwort, da ich nicht möchte, dass Jules von meinen Plänen erfährt. Cas schiebt ihre Lippe nach vorne und macht ein gespielt trauriges Gesicht.
»Oh, tut mir leid, Clark. Wie geht es dir?«, ruft sie plötzlich aus, nachdem sich eine Röte auf ihren Wangen bildet. Verlegen streicht sie sich ihre Strähne hinter das Ohr, bevor sie einen Schluck von ihrer Cola nimmt.
»Eigentlich ganz gut. Deine Schwester hat mich genervt. Auch jetzt ist sie unmöglich und schmollt, weil ich ihr nicht sagen will, was wir vorhaben.«
Leise lacht sie auf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich überredet hast, um diese Uhrzeit mit dir auszugehen.«
Lässig zucke ich mit den Schultern. »Du wirst es nicht bereuen, Jules.«
Die ganze Woche über habe ich darüber nachgedacht, was wir tun könnten. Ich wollte diese Frau unbedingt wiedersehen. Vor allem, als ich bemerkt habe, dass wir in vielen Dingen genau gleich sind. Vielleicht überstürze ich das Ganze oder interpretiere etwas völliges Falsches, aber ich will herausfinden, was das ist. So habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
»Das hoffe ich doch. Mein Schlaf ist mir heilig, also kannst du dich geehrt fühlen.«
»Das weiß ich zu schätzen«, erwidere ich darauf und blicke ihr tief in die Augen.
Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Langsam hebe ich meine Hand, will herausfinden, ob ich mir dieses elektrische Gefühl nur eingebildet habe, als wir uns das letzte Mal berührt haben. Außerdem will ich ihr nah sein. Unvorstellbar, nachdem ich Cassidys Vorschlag immer wieder abgelehnt habe. Und dass ich nach dem ersten Treffen, das so miserabel wie möglich abgelaufen ist, verzaubert bin, ist noch überraschender.
Auch wenn mein Verstand mir rät, einen Gang zurückzuschalten, weil er mich vor einer Katastrophe warnen möchte. Nur ist mir das im Moment egal.
»Vermassle es nicht, Clark«, wirft Cas in die Runde, bevor sie sich zu Tracy gesellt und uns einen Moment allein lässt.
Da hat sie vollkommen recht. Ich darf es auf keinen Fall vermasseln.
DU LIEST GERADE
Seelentröster
RomanceAlle denken, dass Clark Stevens ein normaler und sehr aufmerksamer Barkeeper ist. Wenn sie etwas auf dem Herzen haben, erzählen sie ihm ihre Geschichte, um die Last auf ihren Schultern für einen Moment verschwinden zu lassen. Nacht für Nacht hört de...