J U L E S
Mit einer Schürze, die voller Farbflecken übersehen ist, stehe ich vor meinem neusten Bild und schaue es mir mit schief gelegtem Kopf an. In meiner Hand halte ich noch den Pinsel und die Farbpalette, während in meinen Ohren Kopfhörer stecken, sodass ich mit den Hüften zum Takt wippe.
Die grünliche Farbe vermischt sich mit den gelben und rötlichen Nuancen und erzeugen eine besondere Komponente. Ich kann sehen, wie das Gras auf den Felder empor ragt und die Sonne sie küsst und ihnen Leben einhaucht, auch wenn die Blätter bereits abfallen. Als würde ich selbst dort stehen und den sonnigen Tag genießen, der verspricht unbeschreiblich zu werden.
Auch wenn mein Bild gar nicht so aussieht, stelle ich es mir durch die Farben vor. Noch immer bin ich überzeugt, kein Talent fürs Malen zu haben. Aber ich muss zugeben, dass es sich befreiend anfühlt den Pinsel in die Hand zu nehmen und sich von den Emotionen leiten zu lassen.
Am Anfang war es nicht einfach. Sich so zu öffnen, dass jeder danach sehen kann, was in seinem Inneren vor sich geht, braucht viel Mut. Und doch habe ich mich nach mehreren Anläufen getraut und mich danach ein wenig besser gefühlt. Nach jedem Bild hat sich dieses Gefühl verstärkt, bis ich mir selbst Malutensilien besorgt habe, damit ich es jederzeit tun kann, sobald mir danach ist.
Ich tupfe den Pinsel in ein leuchtendes Blau, dass mich an den See erinnert, wo ich letzte Woche mit Clark hingefahren bin. Vorsichtig setze ich ihn an die Leinwand und streiche. Meine Augen sind geschlossen, während ich den Moment nachfühle und sich augenblicklich ein Lächeln auf meine Lippen schleicht.
Wie sehr wir zusammen gelacht haben, als er mir unzählige Witze erzählt hat. Wie oft er mich in den Arm genommen hat, da er nicht anders kann, als mich zu berühren. Wie wundervoll es das Wasser sich gefühlt hat, während wir uns an den Steg hingesetzt haben. Und die explosiven Gefühle, als Clark mich mit einer Leidenschaft geküsst hat, die mir weiche Knie beschert.
An all das denke ich, während ich male und meine Emotionen frei lasse.
Sobald es sich richtig anfühlt, höre ich auf und nicke zufrieden. Ich glaube, es ist fertig. Wochen habe ich daran gesessen und es prüfend gemustert. Aber in diesem Moment fühlt es sich an, als wäre der Zeitpunkt gekommen, es zu beenden.
Mit einem letzten Blick sehe ich mir auch alle anderen Bilder an, ehe ich die verschiedenen Pinsel in die Hand nehme und das Zimmer verlasse.
Clark wird ausrasten, da er heute endlich meine Bilder begutachten darf. Bereits nach dem ersten Mal, als ich gezeichnet habe, wollte er es sehen. Ich habe ihn aber nicht gelassen, da ich nicht bereit dafür war. Ich bin noch immer nervös deswegen, auch wenn es dafür keinen Grund gibt. Er hat mir noch nie das Gefühl gegeben, dass ich unsicher in Bezug auf ihn sein muss. Und dafür liebe ich ihn nur noch mehr.
Im Bad wasche ich meine Utensilien, ehe ich die Kopfhörer herausnehme, nachdem ich die Schürze ausgezogen habe. Meine Finger sind noch immer voller Farbe, die sich jedoch nicht abwaschen lässt. Auch in meinem Gesicht kann ich grüne Flecken sehen, aber darum kümmere ich mich später.
Das Geräusch der öffnenden Türe lockt mich ins Wohnzimmer, wo ich einen müden aussehenden Clark vorfinde, der gerade seine Herbstjacke auszieht.
»Guten Morgen«, trällere ich fröhlich, ehe ich ihn auf die Wange küsse.
Mit gerunzelter Stirn blickt er auf die Uhr, bevor er mich mit hochgezogener Augenbraue mustert. »Guten Morgen, Jules. Wieso schläfst du nicht?«
Unschuldig zucke ich mit den Schultern. Es ist sechs Uhr früh und Clark hat die ganze Nacht gearbeitet. Da aber Wochenende ist und ich heute freihabe, dachte ich mir, ich mache ebenfalls die Nacht durch. Außerdem schlafe ich besser, wenn er zu Hause ist, aber das sage ich nicht, damit er sich nicht schlecht fühlt.
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Seelentröster
RomanceAlle denken, dass Clark Stevens ein normaler und sehr aufmerksamer Barkeeper ist. Wenn sie etwas auf dem Herzen haben, erzählen sie ihm ihre Geschichte, um die Last auf ihren Schultern für einen Moment verschwinden zu lassen. Nacht für Nacht hört de...