10 - Von Meistern und denen, die es werden wollen

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Hermine blinzelte, als sie ihre Bestimmungsort erreichten und festigte den Griff um seine Hand, bis der leichte Schwindel nachließ. Sie drehte den Kopf und sah zu Severus auf, der sie aufmerksam beobachtete.
„Es geht mir gut", sagte sie leise und schenkte ihm ein Lächeln, bevor ihre Augen groß wurden: Sie nahm nun auch ihre Umgebung wahr und stellte fest, dass sie vor einem wirklich eindrucksvollen Gebäude gelandet waren.
Sie konnte es aufgrund seiner Größe bereits als Schloss bezeichnen — natürlich nicht so groß wie Hogwarts, doch es ragte in beeindruckender Höhe vor ihr auf. Mehrere Etagen hoch mit einigen zierlichen Türmen, Kupferdächern und Kuppeln, sah es wie die verspielte Barock-Version einer mittelalterlichen Ritterburg aus Sandstein aus — es fehlte lediglich der Burggraben.
Zu beiden Seiten verloren sich die Außenmauern mit ihren unzähligen Fenstern und den daran befindlichen detailverliebten Verzierungen im dichten Wald, der das Schloss umgab und ihm kaum genug Platz zu geben schien.

Severus setzte sich in Bewegung und ließ ihre Hand erst los, als sie neben ihm lief. Sie hätte gern weiterhin seine Hand gehalten, doch sie ahnte, dass er es nicht allzu gern vor fremden Menschen tat. Außerdem ging es an diesem Tag um sie und sie wollte nicht so wirken, als müsste sie an der Hand zu diesem Treffen geführt werden! Also blieb das Händchen halten wohl den Spaziergängen durch die Natur vorbehalten.

Sie straffte ihre Haltung, hob den Kopf und schritt neben ihm erst das kurze Stück gepflasterten Weges entlang, der sich aus dem Wald hierher wand und anschließend die wenigen ausladenden Stufen zu der mächtigen Eingangstür hinauf. Diese öffnete sich, sobald Severus seinen Siegelring, den er heute am Finger trug, in eine Vertiefung mitten auf der Tür gedrückt hatte, die kunstvoll zwischen unzähligen Schnitzereien verborgen war.

Bisher hatte Hermine dieses schlichte Schmuckstück noch nie an ihm gesehen und wusste nicht, ob er ihn überhaupt immer bei sich trug. Ein weiteres Detail, über das sie noch nicht gesprochen hatten, weil sie in den letzten Wochen viel zu sehr auf ihre Präsentation fokussiert gewesen war.
Er ließ ihr den Vortritt und sie betrat die pompöse Empfangshalle, deren heller Steinboden das Licht der unzähligen Kerzen spiegelte, die an Wandhalterungen, auf Kronleuchtern und sogar schwebend in der Luft brannten.

Sie waren nicht die ersten und einige der bereits Anwesenden drehten die Köpfe zu ihnen.
Hermine festigte ihren Griff um den Riemen der Tasche und bemühte sich, so gelassen wie nur möglich auszusehen. Der ruhige Tränkemeister an ihrer Seite half ihr sehr dabei und sie war froh, als er ihr leicht eine Hand in den Rücken legte und sich ein wenig zu ihr hinab beugte, um seine Lippen näher an ihr Ohr zu bringen. Sein Blick huschte dabei über die Anwesenden und er versorgte sie mit den nötigen Informationen: Name und Rang der Personen, die sie gerade beinahe ungeniert anstarrten.

Hermine hatte sich bereits mit dem Gildenverzeichnis beschäftigt und kannte jeden Namen, der hier Anwesenden und deren Errungenschaften und Einfluss. Sie wusste, wen sie nicht verärgern sollte und wessen Worte sie nicht allzu ernst nehmen konnte. Severus hatte ihr so Einiges erzählt.

Einige Zauberer wirkten — wie Severus es ihr beschrieben hatte — tatsächlich, als hätten sie noch schnell ein Experiment in ihrem Labor beendet und waren dann hierher geeilt. Andere wiederum erinnerten sie auf unangenehme Weise an Malfoy Senior: sie trugen kostbare Roben und stolzierten damit umher wie die eitlen Pfaue, die sie wohl waren und passten damit hervorragend in diese prunkvolle Umgebung. Wahrscheinlich gehörte dieses Schloss einem dieser Zauberer und er stellte des der Gilde zur Verfügung.

„Ah, Severus!" Ein dicklicher Zauberer, der seine besten Jahre bereits hinter sich hatte und kaum größer als Hermine war, watschelte zu ihnen und seine farbenprächtigen Roben wallten dabei um ihn herum, während ein spitzer Hut mit schmaler Krempe ein wenig schief auf seinem Kopf saß. Für einen Moment fühlte sie sich dabei an Dumbledore erinnert — dieser hätte seine helle Freude am Kleidungsstil des Mannes gehabt.
Die hellen Augen, die erstaunlich aufgeweckt aus einem, von einem dichten grauen Bart dominierten Gesicht zu ihr sahen, blitzten nun auf. „Und diese junge Dame muss Miss Granger sein. Es freut mich, Sie kennenzulernen." Er verbeugte sich vor ihr, auch wenn diese Bewegung durch seinen fülligen Körper ein wenig seltsam anmutete.
Sie lächelte ihn an, sobald er wieder aufrecht stand. „Die Freude ist ganz meinerseits, Master Locksmith", erwiderte sie und entlockte ihm ein Lachen, das seine Roben erneut in Bewegung brachte.
„Ah, Sie sind vorbereitet", stellte er amüsiert fest und sah nun wieder Severus an, der noch immer dicht neben ihr stand und sich kein Stück von ihrer Seite entfernen zu wollen schien.
Er hatte die Hand aus ihrem Rücken genommen und beide Arme hinter seinem Rücken verschränkt. Im Moment wirkte er wieder wie Professor Snape mit seiner abweisenden Art.
„Wie bist du zu solch einer brillanten zukünftigen Meisterin gelangt, mein Freund? Es ist das erste Mal seit deinem Beitritt, dass du eine Anwärterin mitbringst." Der Zauberer war sichtlich neugierig und schien sich nicht an der kalten Miene seines Gegenübers zu stören.
„Miss Granger war eine meiner Schülerinnen in Hogwarts und es fanden sich bisher keine würdigen Kandidaten", antwortete er knapp und brachte den alten Tränkemeister damit zum Lächeln, bevor der wieder Hermine ansah.
„Sie haben also bei Severus alles gelernt und sind trotzdem noch gewillt gewesen, dieses Fach zu studieren? Ihr Mut beeindruckt mich, Miss Granger", lachte er und dann sah er sie forschend an. „Gryffindor?"
Hermine nickte ertappt und lächelte verlegen, was ihn erneut zum Lachen brachte. „Ich habe, ehrlich gesagt, nichts anderes erwartet. Jemand, der Severus dazu bringt, ihn auszubilden, muss etwas ganz Besonderes und unglaublich mutig sein."
„Oder unglaublich töricht", bemerkte dieser mit mildem Spott und warf Hermine einen Seitenblick zu. Diese erwiderte den Blick ruhig und ließ sich auf die Provokation nicht weiter ein: Sie vermutete, das es im Moment seine Art war, mit der neuen Situation umzugehen.
„Nun gut. Wir beginnen bald. Kommen Sie, Miss Granger, ich zeige Ihnen alles und stelle Sie einigen Zauberern vor." Der ältere Tränkemeister hob einladend die Hand und deutete in Richtung eines pompösen Flures. „Severus?", fragte er dann und sah den Angesprochenen an.
Hermine sah ihn ebenfalls an und sie hoffte, dass er sie nicht allein lassen würde.
Master Locksmith erschien nett und sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte, doch sie war heute mit Severus als ihrem zukünftigen Meister hier und sie wollte an seiner Seite bleiben.
„Ich begleite euch", erwiderte er und sie atmete erleichtert auf.
Ihre Aufregung kehrte inzwischen mit jedem Schritt, den sie weiter in dieses Schloss trat, zurück und es würde sie wohl in den Wahnsinn treiben, wäre er nicht an ihrer Seite, um ihr die nötige Ruhe zu vermitteln.

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