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"Nächstes Wochenende kann ich nicht kommen, da ich echt viel zu Lernen habe."
"Das ist aber schade." meinte meine Mutter am Telefon. "Ich seh dich immer seltener."
"Man muss sich daran gewöhnen. Nach meinem Studium werde ich noch seltener zu sehen sein."
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass ich sie gar nicht mehr sehen werde. Zumindest nicht unter diesen schönen Umständen.

Im Studium angekommen, wurden wir in Dreierteams aufgeteilt. Uns war bewusst, dass uns ein längeres Projekt bevorstand. Als wir unsere Nummer bekamen, suchten wir alle unseren Platz auf. Ich sah, dass Halil und Simon zu meinem Team gehörten und freute mich besonders auf Halil. Er war arabischer Abstammung und man konnte sehr gut mit ihm zusammenarbeiten. Erst letztens waren wir in einem Team und hatten viele gemeinsame Ideen, die auch ziemlich gut umsetzbar waren. "Tereza! Schön wieder mit dir in einer Gruppe zu sein!" Halils Stimme war klar und akzentfrei. Man hörte gar nicht heraus, dass er einen Migrationshintergrund hat. Ich liebte das. Ich liebe es, wenn man ausländischen Menschen nicht anhörte, dass sie ursprünglich aus einem anderen Land kommen. Ich liebe es, wenn Ausländer perfekt und einwandfrei deutsch sprechen können. Ich finde, das klingt einfach schön. Und vor allem erstaunlich. Man sieht einen jungen Mann mit einem dichten schwarzen Bart in seinem Gesicht, brauner Haut und denkt nicht daran wie schön so ein Mensch reden kann. Und Halil war so ein Mensch, er hatte eine so schöne klare Stimme. Und eigentlich ist es traurig so zu denken, weil ich merke, wie sehr doch auch ich - trotz meiner Wurzeln - zu Vorurteilen und Stereotypen neige. 

"Freut mich, Halil!" ich widmete mich dem anderen jungen Mann. "Und du musst Simon sein, nicht wahr?"
"Korrekt!" er lächelte mich warm an. "Und du Tereza?"
"Richtig gehört!" ich lachte. Wir wollten noch etwas weiter plaudern, doch wurden von unserem Dozenten unterbrochen.
"Bekomme ich die Aufmerksamkeit von 90 Augen?" er wartete, bis alle leise waren. "Gut! Ich freue mich, dass ihr euch gut mit euren zwei weiteren Partnern in eurem Team versteht. Aber ihr wisst immer noch nicht, was euch für eine Aufgabe bevorsteht. Ihr dürft euch auf ein sehr intensives Projekt freuen. Ihr seid in eurem Team und werdet eine Kamera mitbekommen. Ihr habt eine Woche für das Projekt Zeit. Drei Tage lang, werdet ihr euch über ein Thema informieren und darüber berichten. Protokoll schreiben und alles mit der Kamera aufnehmen. Ich werde euch keine Tipps dafür geben, ihr solltet nun selbst wissen, was ihr benötigt und wie ihr was zu verwenden habt. Ihr habt insgesamt eine Woche Zeit. Das ist sehr kompakt, ich weiß. Aber ihr müsst lernen mit Zeitdruck umgehen zu können. Unter Zeitdruck euer Bestes abzuliefern. Es gibt viele Journalisten da draußen und sind wir mal ehrlich, ein Studium braucht man nicht dafür. Die Konkurrenz ist groß. Ihr lernt also nicht, gut zu schreiben, gut zu informieren - nein, das ist etwas, was ihr bereits in euch tragen müsst. Ein Talent mit dem ihr geboren seid. Ihr müsst lernen mit Zeitdruck und Konkurrenz umzugehen. In dieser einen Woche, sollte das Thema feststehen, geregelt werden ob es auch machbar ist, Informationen sammeln, gedreht werden und am Ende zusammengeschnitten werden. Vorgeschrieben sind wie gesagt drei Tage Informationsquelle, aber von mir aus, könnt ihr euch auch fünf Tage informieren, habt aber dann nur noch zwei Tage Zeit den Kurzfilm zu schneiden und zu bearbeiten. Also, wisst wie ihr es regeln solltet! Ihr braucht nicht alle so aufzustöhnen. Die kurze Zeitspanne von einer Woche ist bewusst gewählt. Viel Spaß und viel Erfolg, der erste Tag beginnt ab morgen. Jetzt habt ihr Zeit für ein Thema. Ach ja, und bevor ich es vergessen sollte, das Projekt zählt zu 30% zu eurer Endprüfung, also strengt euch an!"

"Wie wäre es mit Umwelt?" schlägt Simon vor.
"Nein, das Thema spricht zwar jeden an, aber es fühlt sich keiner angesprochen." sagte ich und überlegte ebenfalls mit.
"Wie wäre es, wenn wir über Ausländer, Flüchtlinge und allem ein Thema machen?" Halil setzte sich auf einem Stuhl, Simon und ich taten es ihm nach.
"Hört sich nicht schlecht an!" meinte Simon.
"Ist es auch nicht!" sagte ich. "Aber wir brauchen ein Thema, womit Menschen angeregt sind nachzudenken. Die Flüchtlingsproblematik wird oft angesprochen und die Menschen zeigen kein Interesse mehr an dieses Thema. Wir brauchen etwas, worüber noch nichts oder wenig präsentiert wurde."
"Wie wäre es, wenn wir nicht über die Problemgeschichten berichten, sondern über die, die einen daraus helfen?" schlug Simon vor.
Halil beugte sich nach vorne und zeigte mit dem Zeigefinger auf Simon: "Du, mein Freund, du bist genial!"
"Das ist perfekt! Eine andere Perspektive!" sofort schossen mir Themen in meinem Kopf: Feuerwehr, Polizei, Ärzte, ...

"Journalisten, Reporter!" Hilal klatschte sich in die Hände. "Wir berichten über uns selbst!"

Nicht ohne DichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt