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Eine Woche später

Dass Denian und ich zusammen waren, konnte man nicht leugnen. Auch wenn er gemeint hatte, er möchte keine Beziehung, hatte er sich nicht daran gehalten. Denian und ich waren offiziell zusammen und der Gedanke gefiel mir. Von der Beziehung wusste nur Dorentina und Halil Bescheid. Dijana wollte ich noch nichts erzählen, vielleicht würde sie aber auch etwas an ihrer Hochzeit ahnen. Denn der war schon am nächsten Tag.
Freitags um fünf Uhr früh machten Dorentina, Denian und ich uns verspätet und gestresst auf den Weg zum Flughafen. Dort angekommen quetschten wir uns durch die Menschenmenge hindurch und hielten immer wieder Ausschau, dass keiner von uns verloren ging. Dorentina und ich zogen unsere kleinen Koffer mit uns her, während Denian problemlos mit seiner Militärtasche weiterjoggte. War ja auch klar, er war Soldat. Er war trainiert dafür. Dorentina sah mir in die Augen und ich sah ihr an, sie konnte nicht mehr. Doch wir gaben beide unser Bestes bis wir am Schalter ankamen. Unsere Pässe und Flugtickets wurden kontrolliert, unser Gepäck geröntgt und schon wurden wir zum Flugzeug gebracht. Keine fünf Minuten später startete er auch schon los. Wir hatten es gerade noch so rechtzeitig geschafft.
Im Flugzeug saßen Dorentina und ich zusammen und Denian vor uns. Erschöpft ließen wir uns auf unsere Sitze fallen und lehnten uns zurück. "Ein klein wenig war das schon witzig, wie wir hergerannt sind." sagte Dorentina. Ich hörte Denian lachen. "Nur ein wenig." sagte er.
Wir flogen fünf Stunden mit einem Zwischenstopp in Slowenien. Als wir in Belgrad, Serbiens Hauptstadt ankamen wurden wir von Dijanas Cousin Branko empfangen. Ich kannte ihn. Er wohnt in der Nähe von Dijana in Stuttgart und war selbstverständlicherweise ebenfalls nach Serbien gekommen um Dijanas Hochzeit mitzufeiern. "Hey!" schrie er sofort,er umarmte mich und gab Dorentina und Denian die Hand. "Ich bin Branko."
"Denian."
"Ich bin Dorentina."
"Nett dich kennenzulernen, Dorentina. Dijana hat mir einiges über dich erzählt. Aber dich, Denian, kenne ich noch gar nicht."
"Niemand kennt ihn", mischte ich mich ein. "Dijana wollte eine männliche Begleitperson für mich und hier ist er." ich zeigte auf Denian. Wir liefen Richtung Brankos Auto. Dorentina unterhielt sich mit Denian.
"Das wird seine erste Balkanhochzeit." flüsterte ich Branko zu. Er fing an zu lächeln.
Branko fuhr uns in ein Hotel. Dorentina und ich hatten ein Zimmer zusammen und Denian eins für sich allein. Das Hotel war ein gewöhnliches drei Sterne Hotel. Wir hatten Dijana schon gesagt, dass wir nichts Teures annehmen würden. Selbst mit einem Apartment wären wir zufrieden gewesen.
Wir duschten und machten uns frisch und trafen uns schließlich um 13 Uhr in der Lobby. Ich kannte das Dorf in dem Dijana wohnte. Sie dachte zwar wir würden uns vor ihrer Hochzeit nicht mehr sehen und sie meinte auch wir sollten uns ausruhen wenn wir ankommen. Aber ich wollte sie unbedingt noch vorher besuchen. Deshalb riefen Dorentina, Denian und ich ein Taxi und fuhren in das kleine Dorf. Es war das zweite Mal im Leben dass ich hier war. Das erste Mal, als Dijana und Milan die Liebe zueinander ihren Eltern beichteten und nun heirateten sie.
Der Gedanke war unvorstellbar, dennoch wunderschön für die beiden.
Im Dorf angekommen stiegen wir im Zentrum aus, denn dort wohnte Dijana mit ihren Eltern, wenn sie nach Serbien kamen. Das ganze Dorf war sozusagen eine Familie. Jeder kannte sich und jeder liebte sich und jeder erinnerte sich an mich. Sie begrüßten mich und Dorentina und Denian ebenfalls. Was man hierbei beachten muss, auch wenn Dorentina und ich Albanerinnen waren, waren wir bei den serbischen Dorfleuten mehr als nur Willkommen. Es gab kein Rassismus, es gab keine Diskrimierung. Der damalige Krieg hatte sich nicht in ihren Köpfen festgesetzt. Denn was einmal war, ist schon passiert. Man kann es leider nicht mehr rückgängig machen.
Wir klopften an Dijanas Haustüre, obwohl sie offen stand. Ihre Tante eilte schnell mit einem Kamm in der Hand zur Türe. Sie konnte nur gebrochen deutsch, aber wir verstanden sie. Sie brachte uns zu Dijana, die im Schlafzimmer ihrer Eltern mit ihrer Mutter auf dem Bett saß und noch die letzten Themen für die Hochzeit besprach. Als sie mich sah stand sie ruckartig auf und umarmte mich. "Oh Gott! Euch habe ich ja gar nicht erwartet!" sagte sie und umarmte Dorentina. Sie umarmte sogar Denian. "Und wer bist du?" fragte sie ihn.
"Denian. Terezas Fr ... "
"männliche Begleitung." sagte ich schnell und lächelte Denian an. Er schaute mir etwas verwundert ins Gesicht, ja ich konnte sogar ein leichte Enttäuschung gemischt mit Wut in seinen Augen sehen. Erdrehte sich aber dann wieder zu Dijana.
"Du bist also die Braut?"
"Noch nicht! Erst morgen!" lachte Dijana.
Ich ging zu Dijanas Mutter und umarmte sie kurz. Lange hatte ich sie nicht mehr gesehen. "Alles okay bei dir, Tereza?" fragte sie mich. "Ist das dein Freund?" sie nickte zu Denian.
Ich schaute zu ihm, doch er war tief in einem Gespräch mit Dijana und Dorentina und sie lachten.
"Naja", fing ich an, denn ich wollte die ganze Sache noch nicht öffentlich machen.
"Ich verstehe", zwinkerte mir Dijanas Mutter zu und lachte. "Ist schon okay."
Ich lächelte sie dankbar an. Sie wusste sofort was ich meinte. Ich umarmte sie deshalb noch einmal.
"Wo ist Milan?" fragte ich in die Runde.
"Er ist draußen mit seinem Bruder." sagte Dijana.
"Oh, kann ich zu ihm gehen?" fragte Denian woraufhin Dijana lachte.
"Klar kannst du zu ihm gehen! Da musst du mich doch nicht fragen! Er kann aber nur sehr wenig deutsch!"
"Ich möchte ihm nur gratulieren." lachte Denian.
"Ich komme mit." sagte schnell Dorentina und rannte Denian hinterher. Ich setzte mich auf das Doppelbett und Dijana neben mich.
"Netter Junge." sagte sie und ich musste deswegen lächeln.
"Ja, sehr netter Junge." schwärmte ich etwas.
"Ihr seid aber nicht zusammen, oder?" fragte mich Dijana.
Dijanas Mutter stand auf und machte Anstalten darauf zu gehen. Sie verstand sofort was hier Sache war. Als sie ging antwortete ich mit: "Sagen wir mal so: Es ist noch offen."
"Verstehe", lachte Dijana. "Du weißt es selbst noch nicht."
"So würde ich das jetzt nicht sagen." lachte ich ebenfalls. "Aber ich könnte mir wirklich etwas Großes mit ihm vorstellen."
"Auch wenn er Deutscher ist?"
"Woher weißt du das?"
"Das sieht man doch. Seine Art und seine blaue Augen." sagte sie und lehnte sich aufs Bett zurück.
"Mich stört seine Nationalität nicht." sagte ich und lehnte mich ebenfalls zurück.
"Aber deinen Eltern."
"Das müssen sie akzeptieren. Ich habe ihnen oft genug gesagt, dass ich keinen Albaner haben möchte."
"Denian ist noch nicht mal Moslem." sagte Dijana und schaute mich sofort an. "Er spielt in einer ganz anderen Liga."
"Wir sind doch eh nicht strenggläubig." sagte ich seufzend.
"Deine Eltern würden ihn nie akzeptieren." Dijana schaute mich streng an.
"Wieso erinnert mich das an unser Gespräch vor paar Jahren? Als es um dich und Milan ging. Da habe ich auch gesagt, eure Eltern würde es nie akzeptieren, da Milan dein Patencousin ist und schau jetzt wo ihr seid! Ihr heiratet morgen!"
"Das ist was anderes." sagte Dijana und warf sich wieder zurück. "Er hat die gleiche Nationalität wie ich und die gleiche Religion. Die selbe Kultur eben. Wir sprechen die selbe Sprache."
"Wieso beharren alle auf Nationalität, Religion und Kultur? Es geht ganz allein nur um die Liebe!"
"Ja, auch, Tereza. Aber -"
"Was heißt hier bitteschön 'auch'?" unterbrach ich sie. "Es geht NUR um die Liebe und nicht um den Stand der Familie rechtzuwerden. Ich weiß, meine Eltern würden ihn nie akzeptieren. Aber ich würde auch keinen anderen Menschen an meiner Seite akzeptieren außer Denian. Da müssen sie eben damit klar kommen." Ich stand auf. "Ich gehe zu Milan." Und somit ging ich. Ich wusste Dijana meinte es nur gut mit mir. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte und wollte ich die Realität und die Wahrheit nicht ertragen und hören. So rannte ich vor meinen bevorstehenden Problemen einfach weg und beließ es bei der Sache.

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