Normalerweise sagte ich bei Komplimenten immer Dankeschön oder gab ein Kompliment zurück. Doch in diesem Moment wusste ich nichts zu sagen. Ich starrte ihn nur an, bis er anfing zu lachen. Und irgendwie, warum auch immer, dachte ich zu der Zeit, er meinte das mit dem Kompliment gar nicht ernst. Ich lachte auch. Ob es ein gespieltes oder ein echtes Lachen war, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich gelacht hatte, weil er auch gelacht hatte. Soweit man meine Verzweiflung schön reden kann.
"Tut mir leid." sagte er.
"Wofür?" fragte ich.
"Dass ich dich gerade so überrumpelt habe."
"Hast du nicht." sagte ich.
"Gut. Denn ich meine das auch wirklich ernst."
"Dass du mich attraktiv findest?" ich lächelte ihn leicht verzweifelt an. Er nickte. "Wie kommt es dazu?"
"Weiß nicht. Du bist intelligent." sagte er.
"Intelligent? Du kennst mich doch nicht mal." ich lachte auf.
"Glaub mir, so viel ich weiß, wirkst du ziemlich intelligent und Intelligenz ist sexy."
Ich dachte an die Serie the big bang theory, worin die vier männlichen Hauptdarsteller überintelligent sind, aber keineswegs sexy. Allerdings macht Intelligenz attraktiv, solang man auch weiß, wie, wann und wo man sie einsetzt.
"Wieso finde ich es gerade nicht mal abturnend, dass mich ein Kerl sexy genannt hat." überlegte ich bewusst laut und lachte dabei. Normalerweise, wenn mich jemand heiß oder sexy nannte, fand ich es schmierig und verspürte Ekel meinem Gegenüber, doch bei Denian war das überhaupt nicht der Fall.
"Vielleicht liegt das einfach daran, dass ich das sage." lachte Denian.
"Ich kenn dich kaum."
"Irgendwie hoffe ich, dass sich das ändern wird."
Ich schaute ihn an, um zu schauen, ob er das ernst meinte. Er wirkte nicht so, als ob er mich anlog.
"Ich lüge dich nicht an." sagte er, als hätte er meine Gedanken lesen können. "Ich finde dich wirklich attraktiv und würde dich kennenlernen."
Ich wollte gerade etwas sagen, als mich eine dritte Stimme unterbrach. "Tereza! Wir suchen dich überall!" Halil kam auf mich zu. "Simon meinte, du würdest gleich kommen." Er hielt an und schaute Denian von oben bis unten an. "Was hast du solange gemacht?" fragte Halil mich.
"Nichts." antwortete ich. "Habe nur ein Shirt von Denian bekommen."
Halil schaute mich an, wollte das wohl kommentieren, doch unterließ es. "Wir haben jemand Interessanten gefunden." meinte er nun triumphierend. "Mit einer interessanten Lebensgeschichte."*
Auf den dritten und somit dem letzten Tag freute ich mich besonders. Nicht, wegen den Geschichten der anderen, sondern viel mehr wegen Denian.
Ich beschloss Denian zu interviewen. Nicht aufgrund unseres Projektes, denn im Krieg war er noch nicht. Ich wollte mehr über Denian wissen und sah das als Chance.
"Der ist neu, was will er schon erzählen können." sagte Halil genervt, als ich es ihnen mit Denian sagte.
"Komm schon, Halil. Ich will es für mich. Ich will wissen, was das für ein Mensch ist."
"Nein! Was bringt uns das? Rein gar nichts! Nur Zeitverschwendung!"
"Bitte, Halil!"
"Sie bekommt heute die Kamera einfach nicht." meinte Simon lachend. Ich schlug ihn dafür auf den Oberarm.
"Ich möchte nur wissen, was das für ein Typ ist, der mich kennenlernen will." sagte ich.
"Das erfährst du, wenn du ihn kennenlernst." meinte Halil ernst.
Ich verdrehte die Augen. "Okay, dann halt nicht."
Zu Dritt gingen wir wieder zur Kaserne, als die Jungs Freizeit hatten. Ich dachte schon, wir würden ihnen mächtig auf die Nerven gehen, aber im Gegenteil. Sie freuten sich sogar, dass wir kamen. Ich hielt Ausschau nach Denian und sah ihn mit Dodo und Soldaten Nr. 3 Robert sitzen. Er sah mich ebenfalls an, doch schaute direkt weg. Tief atmete ich durch und wollte mich Halil widmen, doch er war schon bei einem anderen Soldaten. Ich gesellte mich zu ihnen.
"Zwei Schüsse habe ich an diesem Tag abbekommen. Einen am Arm und einen am Bauch." Der Soldat zog sein Shirt nach oben und zeigte uns seine Streifwunde. "Wir konnten nicht weg." sagte er. "Deshalb mussten wir da bleiben und alles riskieren. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine schwangere Frau Zuhause und dachte schon, es wäre jetzt vorbei." Ich schielte zu Denian, doch er sah nicht zu mir. "Wir hörten die Feinde reden, deshalb versuchten wir so leise wie möglich zu sein. Mir fiel es äußerst schwer. Aufgrund der Schmerzen konnte ich nur sehr schwer atmen und ich versuchte nicht laut zu atmen, doch das war unmöglich für mich, sodass ich die Luft in diesem Moment anhielt." Simon hielt die Kamera ständig an den Soldaten. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu und hoffte innerlich, Denian würde mich ansprechen. Doch nichts geschah. "Als die Feinde verschwunden waren, wollten wir aus unserem Versteck kriechen, doch dann passierte es. Einer der Feinde war noch da und sah uns. Meine Kameraden schossen, der Feind schoss. Ich lag da. Ich dachte wirklich, das wars mit meinem Leben. Adieu. Ich hörte Geschrei, dann nichts mehr. Dann ein Aufstöhnen meines Kameraden. Er wurde an der Schulter getroffen. Er kroch zurück ins Versteck, ich versuchte zu ihm zu gehen, doch es half nichts. Ich war zu schwach. Er sagte zu mir, ich solle nur kein Wort reden. Die anderen Kameraden waren tot. Ich war mir sicher, sie waren tot. Sie waren alle getroffen. Dann kam der nächste Schuss. Er war nicht auf mich gerichtet. Er war auf meinen letzten lebenden Kameraden gerichtet. Man schoss ihm auf den Hinterkopf und er starb vor meinen Augen. Ich konnte nichts tun. Ich lag da und konnte nichts tun. Ich durfte nichts tun. Sobald ich mich bewegte, würden sie mich sehen und mich abknallen. Deshalb wartete ich. Ich wartete bis sie alle verschwunden waren und wartete bis mich jemand fand. Und als die Feinde weg waren, fing ich an zu weinen."
Ich schaute zu dem Soldaten und widmete mich nun seinem Schicksal.
"Auch Männer dürfen Mal weinen, nicht wahr Prinzessin?" er nickte zu mir und lachte.
Ich nickte. "Jeder darf weinen." sagte ich.
Ich sah dem Soldaten seine leichtfeuchten Augen an. "Jeder darf weinen." wiederholte ich nocheinmal sanft, um seine Hemmung zu nehmen bis er die Tränen über die Wange liefen ließ.
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Nicht ohne Dich
RomansWünsche sind unerwünscht. Du bist wie eine Marionette geführt von den Menschen, die deine Entscheidung nicht akzeptieren. Du folgst deinem Herzen und möchtest an die bevorstehenden Probleme erst gar nicht denken. Doch kaum gehst du deinen Weg, steh...