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Denian und ich waren nun seit mehr als acht Monaten ein Paar. Ich merkte, wie ernst er es mit mir meinte, genauso wie ernst ich es mit ihm meinte. Seine Reife überzeugte mich immer wieder. Denian hatte sehr viel Geduld mit mir. Mit dem Sex wollte ich warten. Der Ausrutscher im serbischen Hotel kam nie wieder mehr vor und Denian benahm sich dem gegenüber auch nicht seltsam. Nein, mir kam es sogar so vor, als liebte er mich dadurch noch mehr. Er merkte eben wie viel er mir bedeutete. Und er bedeutete mir auch ziemlich viel.
"Tereza, holst du das Besteck von drinnen?" fragte mich Heike.
Heike war Denians Mutter. Ich hatte sie vor einem Monat kennengelernt mitsamt Denians Schwester Sarah. Sarah war erst fünfzehn Jahre alt, und benahm sich auch so. Ihre Pubertät sah man ihr sehr an. Ständig sagten Denian und Heike zu ihr, sie sollte sich mir gegenüber benehmen. Denn sie benahm sich mir gegenüber wirklich nicht angebracht. Selten begrüßte sie mich, und wenn doch aus Zwang. Sie ignorierte mich so gut es ging, und wenn nicht gab sie dumme Kommentare ab. Denian entschuldigte sich für ihr Verhalten und ich wimmelte es nur ab mit den Worten "Wir waren doch genauso." Aber in Wahrheit war ich noch nie so gewesen. Ich war schüchtern, aber wenn es darauf ankam, sagte ich auch meine ehrliche und direkte Meinung. Ich sagte die Meinung dennoch so, dass es meinem Gegenüber nicht verletzte. Schon seit jungen Jahren werde ich ständig nach meiner Meinung gefragt, da ich mich von niemanden manipulieren lassen habe und ich immer hinter meinen Aussagen stand.
Ich ging ins Haus und entgegen kam mir Denian frisch geduscht. "Hey, Liebes", er küsste mich auf die Lippen und für diesen kurzen Moment schloss ich meine Augen. "Hey", sagte ich nur kleinlaut. Denian biss sich auf die Unterlippe. "Wollen wir in mein altes Zimmer gehen?"
Es war Wochenende. An Wochenenden war ich ja meistens in Stuttgart bei meinen Eltern, aber dieses Wochenende war ich bei Denian Zuhause. An Wochenenden konnte Denian auch nach Hause oder in der Kaserne übernachten. Wir sahen uns sehr selten, dementsprechend nur am Wochenende. Lange war ich nicht mehr in Stuttgart bei meinen Eltern gewesen, weil ich die Zeit viel lieber mit Denian verbringen wollte. Aber nächstes Wochenende werde ich sie ganz sicher besuchen.
"Nein, wir müssen noch alles vorbereiten", sagte ich und machte mich von ihm los, um in die Küche zu gehen und das Besteck zu holen. "Deine Familie kommt gleich."
Denian verdrehte die Augen. "Ich würde viel lieber meinen Geburtstag mit dir alleine verbringen."
Wir hörten ein Seufzen und sahen zur Türe. Dort stand Denians kleine Schwester. "Zieht doch gleich zusammen, dann könnt ihr ständig aneinder rumfummeln und euch irgendwelche schnulzigen Verse vorlesen."
Denian wurde wütend, ich sah es ihm an. "Geh und hilf deiner Mutter!"
"Und wenn nicht?" provozierte sie.
Ich nahm schnell das Besteck und ging nach draußen zu Heike, die sich noch immer mit dem Grill zu schaffen machte. "Streiten sie sich mal wieder?" fragte sie ohne sich umzudrehen und mich anzuschauen.
"Mh-mm", sagte ich nur und legte das Besteck aus.
Denians Vater war vor drei Jahren im Krieg gestorben. Er war ebenfalls im Militär, deshalb strebte Denian das Militär sehr an. Heike hielt nichts davon, sie wusste aber, dass es nichts brachte, wenn sie mit Denian darüber sprach. Viel lieber wollte sie, dass er einen sauberen Bürojob machte, zum Beispiel in der Bank. Doch Denian sagte ständig "Das sind die dreckigsten Jobs überhaupt." Denian strebte etwas an in dem er Action und Abwechslung hatte. Genau wie ich. So war sein Ziel Soldat und mein Ziel Journalismus.
Ich ging nocheinmal ins Haus, wo Sarah und Denian verschwunden waren. Ich seufzte tief durch und ging ins Bad. Wusch meine Hände mit kaltem Wasser ab und ging wieder hinaus. Sarah kam mir entgegen. "Sorry", sagte sie. Ich schaute sie verwundert an. "Wie bitte?" fragte ich.
"Tu nicht so, als hättest du es nicht gehört." Sie drückte sich an mir vorbei und ging ins Bad.
"Ich habe sie gezwungen sich zu entschuldigen", Denian kam die Treppen hinunter. "Hat wohl nur teilweise geklappt."
"Sie hat sich entschuldigt und das reicht", sagte ich lächelnd und nahm Denians Hand. Er führte mich in seinem Zimmer.
"Ich muss deiner Mutter noch helfen", sagte ich als er die Tür hinter sich schloss.
"Es ist mein Geburtstag", er kam auf mich zu. "Da möchte ich die Zeit mit dir verbringen und das wird sie verstehen können."
Er packte mich an den Hüften und zog mich an sich, um mich zu küssen. Doch plötzlich klingelte es an der Haustüre. Ich drückte mich von Denian weg, doch er nahm mich wieder. "Soll meine Mutter doch die Türe aufmachen." Er wollte mich wieder küssen.
"Denian, beherrsche dich!" Ich drückte mich an ihm vorbei ins Flur, wo schon die ersten Gäste da waren und ich sie begrüßte, Denian tauchte hinter mir.
"Na", sagte Bobby, Denians Onkel. "Schön dich wieder zu sehen." Er umarmte mich. Bobby war gar nicht sein richtiger Name, aber alle nannten ihn so. Er war der Bruder von Denians verstorbenen Vater und übernahm relativ die Vaterrolle in dieser Familie. Ich mochte ihn sehr.
"Und du!" Bobby sah Denian. "Geburtstagskind! Hast du heute schon was ausgepackt oder bietet sich Tereza erst heute Nacht für dich an."
Ich wurde rot. "Hör auf damit!" sagte sofort Heike, die von den anderen Gästen wieder zurück in den Flur kam. "Sie sind noch jung."
Ich sah zu Denian, der sofort von mir weg sah. "Geh zu den anderen, Bobby."
Bobby lachte und klopfte ihm auf die Schulter. Bobby und Heike gingen und ich stand mit Denian alleine im Flur. "Auspacken, also." sagte ich und lachte bitter.
"Das war nur Spaß von ihm", Denian strich sich nervös mit der Hand durch die Haare. Ich liebte es wenn er das tat. Dann sah er immer so unwiderstehlich aus.
Ich nickte ihm nur zu und ging zu den anderen Gästen.

*

Am Abend als alle gingen außer Bobby, verschwand er mit Denian und Sarah nach draußen. Mit Heike zusammen spülten wir das Geschirr ab.
"Denian liebt dich." sagte sie irgendwann.
"Oh, ich weiß. Also naja, ich hoffe es zumindest."
"Er liebt dich wirklich." Sie lächelte mich an. Ihre Haare waren braun. Sie färbte ihre Haare, das kannte ich von meiner Mutter. Wenn sie graue Haare bekam, färbte sie sie auch.
"Ich liebe ihn auch."
"Das weiß ich", sie gab mir ein Teller in die Hand. "Und ich wünsche euch nur das Beste. Wann rufst du mal deine Eltern hier her, damit ich sie auch mal kennenlerne?"
"Oh", ich atmete tief durch. Denn meine Eltern wussten noch gar nichts von Denian und ich hatte auch noch nicht vor ihnen von Denian Bescheid zu geben. "Da gibt es ein kleines Problem." sagte ich.
"Und der wäre?" sie schaute mich an. Sie wurde skeptisch.
Ich schluckte und legte meinen Lappen beiseite. "Ich muss mit dir reden, Heike."
"Dann rede." sie fing wieder an zu spülen.
"Ich weiß nicht, ob meine Eltern Denian akzeptieren würden."
Heike stoppte sofort. "Bitte was?"
"Wir sind Albaner. Meine Eltern tolerieren nur einen Albaner für mich."
Sie wurde etwas wütend: "Und wieso um Gottes Willen gehst du mit meinem Sohn dann eine Beziehung ein?"
"Weil ich ihn liebe!"
Die Türe ging auf. "Wir sind wieder da, Mama!" Denian kam zur Küche und lächelte mich mit seinen weißen Zähnen an. "Hast du mich vermisst?"
"Immer." ich lächelte leicht zurück und schaute kurz zu Heike, die mich beobachtete. Ich senkte mein Blick.
Ich liebte Denian wirklich. Und ich werde alles für ihn tun um ein Lebenlang mit ihm zusammen zu sein. Wenn meine Eltern ihn nicht akzeptierten, dann sollte es eben so sein. Aber Denian war in meinem Herzen, und da konnte er auch nicht mehr wieder raus. Heike konnte nun so vieles anrichten um uns auseinander zu bringen, aber das würde nicht klappen. Nichts auf dieser Welt hätte mich von Denian getrennt. Rein gar nichts.
Dachte ich zumindest.

Nicht ohne DichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt