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"Warum lächelst du denn so?" lachte mich Dijana an und schielte auf mein Handy.
"Nichts", sagte ich sofort und steckte es weg.
Natürlich lächelte ich wegen Denian, doch Dijana wollte ich das noch nicht mitteilen. Ich fand es zu früh und hatte Angst, dass so alles kaputt gehen würde. Ich wusste selbst nicht, wieso ich das dachte. Ich wollte einfach vorsichtig sein. Und außerdem standen Dijana und ihr Zukünftiger Milan erst einmal im Mittelpunkt.
"Also das sah für mich nicht nach nichts aus." lachte sie wieder.
Ich lachte auch, nur um die Situation etwas zu vertuschen. "War wirklich nichts, nur ein witziger Kettenbrief."
"Na dann möchte ich ihn auch erhalten." sie lächelte mich an. Sie wusste etwas war anders und sie lag auch richtig, aber ich wollte es ihr einfach noch nicht sagen. "Wie dem auch sei, hast du einen männlichen Begleiter für meine Hochzeit?"
Ich verdrehte die Augen. "Ich komme alleine."
"Nein, tust du nicht!" sagte sie etwas laut und schaute kurz um sich herum.
Es war Wochenende und ich saß mit ihr in einem Café in Stuttgart. Die Tage davor wartete ich darauf, bis Denian zu mir kam und mir mein Shirt brachte. Doch nichts war dem so. Er kam nicht. Im Chat sprach ich ihn nicht darauf an. Wenn er es vergessen hatte, fände ich es auch nicht schlimm.
"Ich möchte, dass du zu meiner Hochzeit mit einer männlichen Begleitung kommst, ansonsten besorge ich dir eine männliche Begleitung. Und das wird dann ein Serbe sein und ich denke nicht, dass dein Vater sich darauf freuen würde."
Das witzige unserer Freundschaft war immer noch die Nationalität. Ich war Albanerin und meine beste Freundin Serbin. Bekannt dafür, dass sich beide Nationen abgrundtief hassen. Es war wegen dem damaligen Krieg, doch wieso sollte ein Krieg eine Freundschaft hindern? Das was mal war, war. Es hat nichts mehr mit uns zu tun. Wieso sollte ein vergangener Krieg den Hass in der Zukunft widerspiegeln? Völker haben gelitten, es wurden Menschen umgebracht. Blut floss in Strömen. Sowas ist schrecklich.  Ich war aber kein Mensch, der eine Nation hasste, nur weil meine eigene Nation sie hasste. Für mich war jeder Mensch ein Mensch. Da spielte für mich das Aussehen, Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität, Nationalität, Religion keine Rolle. Für mich zählte ganz allein nur der Charakter und wie man mit mir umging. 
"Wenn du das vor hast, werden mich meine Eltern nicht einmal zur Hochzeit lassen, oder willst du das etwa?" sagte ich bewusst.
"Nein, natürlich nicht. Dann sorg' dafür, dass du eine männliche Begleitung bekommst. Wir zahlen auch die Flugtickets für euch beide."
"Das ist zu großzügig."
"Tereza, ich möchte dich nur einmal in einem Kleid sehen und mit einem Mann an deiner Seite. Und das will ich an dem schönsten Tag meines Lebens. Meiner Hochzeit. Du musst mir nicht einmal was schenken, einfach nur meinem Wunsch nachgehen, dann würdest du mich so glücklich machen." Mein Herz schmolz dahin. Ich konnte nichts anderes als zustimmen. Ich war selten mit einem Kleid zu sehen und noch seltener, besser gesagt noch nie, mit einem Mann. 

"Okay", sagte ich. 

"Okay?" fragte mich Dijana hyperventiliert.
"Ja, okay." sagte ich wieder.
"Jetzt ernsthaft?" sie fing an mit ihren Händen zu wedeln.
"Aber nur, weil du es bist."
Sie fing an zu quitschen, woraufhin ich sie ermahnend anschaute, da uns die anderen Gäste anglotzten.  "Ich werde dich also in einem Kleid UND mit einem Mann sehen?" sie beruhigte sich wieder. "Ja, Dijana. Du wirst mich in einem Kleid und mit einem Mann sehen." lachte ich.
Sie fing an sich wieder zu freuen, wobei ich lachen musste. Doch ihr Handy unterbrach uns.
"Es ist Milan." sagte sie und ging ran um kurz darauf wie ein Wasserfall auf serbisch zu reden. Sie entschuldigte sich bei mir und ging kurz nach draußen. Anscheinend hatte sie etwas Wichtiges mit ihrem Zukünftigen zu besprechen.
In der Zwischenzeit schaute ich mich im Cafe um. Es war ein altes Ehepaar hier, ein Tisch voller Jugendliche, ein Tisch mit einem jungen Pärchen und ein Mann alleine mit einer Zeitung in der Hand, an seinem Kaffee schlürfend. Ich entdeckte den Kellner, der mich ansah und mich sofort anlächelte. Ich lächelte zurück. Nicht, weil ich was von ihm wollte, sondern weil ich immer lächelte. Ich lächelte auch wildfremde Menschen auf der Straße an. Ich liebte es zu Lächeln. Ich liebte es einfach Menschen anzulächeln und wenn sie zurück lächelten, fühlte ich mich glücklich.
Ich nahm tief Luft und holte mein Handy wieder aus der Hosentasche.

Wo bist du?

Wollte zu dir, keiner war da

Wollte dein Shirt bringen

Du warst nicht Zuhause

Antworte, oh gott, sollte ich mir Sorgen machen

Denian. Ich fing an zu lächeln.

Keine Sorge, bin in Stuttgart übers Wochenende und mit meiner Freundin unterwegs

Ich schaute kurz nach draußen zu Dijana, doch sie war immer noch am telefonieren.

Oh verdammt, war völlig umsonst bei dir schrieb Denian.

Tut mir leid :( Morgen bin ich wieder da

"Passt alles?" ich schaute auf und entdeckte den Kellner.
"Ja, danke." ich lächelte ihn an, er zurück und verschwand dann auch wieder.

Habe eine Stunde lang vor deiner Haustür gewartet in der Hoffnung dass du doch noch aufkreuzt

Ich biss mir auf die Unterlippe.

Tut mir Leid, Denian. Hättest du mir vorher Bescheid gesagt

Mein Handy leuchtete wieder auf.

Sollte eine Überraschung werden

"Da bin ich wieder." Dijana setzte sich auf ihrem Stuhl. "Ich glaube, der Kellner findet dich ganz schön anziehend."
"Wie kommst du darauf?" ich steckte mein Handy wieder ein.
"Er schaut ständig zu dir rüber." sie schielte kurz zum Kellner. "Er sieht heiß aus."
Meine Gedanken waren aber die ganze Zeit über bei Denian und nicht bei dem Kellner. Hätte ich Denian nicht kennengelernt, hätte ich meine Aufmerksamtkeit voll und ganz dem Kellner gewidmet.
"Vielleicht wird das ja dein männlicher Begleiter auf meiner Hochzeit." lachte sie.
"Bitte, Dijana!" lachte ich. "Kannst du nur ein mal damit aufhören?"

*

"Wann bringst du denn mal einen Mann mit nach Hause?" fragte mich meine Mutter als wir am Esstisch saßen. Langsam ging mir das Thema mächtig auf die Nerven.
"Weiß nicht." sagte ich nur und drehte die Spaghettis um meine Gabel.
"Nie." sagte mein Vater. "Du holst keinen."
Ich lachte.
Mein Vater nahm tief Luft. "Tereza, du weißt, ich wünsche dir nur einen Mann in deinem Leben. Ich möchte nicht, dass du mehrere Typen hast. Es soll nur einen geben. Und dieser einer sollte ein Albaner sein. Ein ganz normaler Albaner. Kein Türke, kein Araber, kein Deutscher oder Russe. Er sollte Albaner sein!"
"Okay, Papa." sagte ich und schaute auf mein Teller.
"Wir vermischen unser Blut nicht mit fremdes Blut, okay?"
"Okay, Papa." sagte ich wieder.


Nicht ohne DichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt