𝟚𝟞. 𝕄𝕒𝕚𝕜𝕖 𝕚𝕟 𝕞𝕖𝕚𝕟𝕖𝕞 𝔹𝕖𝕥𝕥

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»Hallo, Sohn. Ich habe dich noch gar nicht erwartet.«

»Oh, ups, ich wollte dir doch noch schreiben. Sorry Dad.«

»Alles gut. Du wirkst etwas betrunken.«

»Bin ich auch.«

»Na dann weiß ich ja Bescheid.«

Ich schuftete mich in mein Zimmer und zog meine Klamotten aus. Als ich gerade meine Pyjamahose übergestreift hatte, drehte ich mich um und erschreckte fast zu Tode. Eine Gestalt schlief in meinem Bett! Nach einigen Überlegungen und genauen Betrachtungen erkannte ich Maike. Sie war also noch nicht aufgewacht oder hatte zumindest noch nicht beschlossen, zu gehen. Ich suchte nach meinem Oberteil, fand es auf die Schnelle aber nicht. Stattdessen fand ich eine Decke. Ich nahm sie an mich und schlurfte ins Wohnzimmer. Da sah ich aber Dad, der gerade ein Kissen unter Taras Kopf schob.

»Sie ist bei dem Film vorhin eingeschlafen«, erklärte er mir. »Ich gehe jetzt auch schlafen. Gute Nacht, Levi.«

»Aber Dad! Wo soll ich jetzt schlafen?«, zischte ich.

»Auf dem Boden? Denk dir was aus. Du könntest auch in deinem Bett schlafen, so wie du es normalerweise tust.«

»Da schläft Maike noch drin!«, sagte ich.

»Upsala, ganz vergessen.« Dad kicherte in sich hinein.

»Von wegen. Du hast das nicht vergessen. Und du hast Tara dazu gebracht, auf dem Sofa einzuschlafen, damit ich nicht dort schlafen kann.«

»Hast du Beweise?« Dad verschwand kichernd in seinem Zimmer. Ich verdrehte meine Augen. Was sollte das? Ich schleppte mich wieder in mein Zimmer und schmiss die Decke auf den Boden. Dann lief ich ins Bad, um mir die Zähne zu putzen.

Ich hatte Michi versprochen, seine Schwester nicht anzurühren. Und ich würde auch ganz sicher nicht mit ihr in einem Bett schlafen. Wir hatten doch bestimmt irgendwo eine Matratze. Oder ich fragte Michi, ob ich bei ihm übernachten durfte? Nein, er war mit anderen Dingen und Menschen beschäftigt. Ihn konnte ich nicht stören. Und July? Nein, ich wollte nicht, dass alte Gefühle hochkamen oder dass sie sich dann doch Hoffnungen machen würde. Und Dominik? Nein, er hatte heute schon zu viel für mich gemacht. Er war für mich da gewesen, auch wenn ich bis jetzt nicht realisiert hatte, wie sehr ich ihn gebraucht hatte.

Ich pfefferte meine Zahnbürste in den Becher und spülte meinen Mund aus.

Mit meiner Handytaschenlampe beleuchtete ich den Weg, da ich niemanden durch großes Licht aufwecken wollte und schaute auf dem Dachboden nach einer Matratze. Wir hatten nicht mal eine Luftmatratze. Da die Müdigkeit drohte, mich zu übermannen, kehrte ich in mein Zimmer zurück.

Ich ging zu Maike hinüber. Sie lag in der Mitte des Bettes. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte keinen Platz gehabt, es sei denn, ich hätte mich über sie drübergelegt. Und sie schlief so fest wie ein Stein. Ich klaute mir ein Kissen von ihr und in meinem Schrank fand ich noch eine Decke. So bereitete ich mir auf dem Holzboden ein Lager vor. Die eine Decke legte ich auf den Boden, mit der anderen deckte ich mich zu. Der Untergrund war steinhart und ich wälzte mich hin und her, bis es einigermaßen bequem war. Dann versuchte ich dringlich, einzuschlafen. Doch genau jetzt fanden die Gedanken, vor allem die Sorgen, ihren Weg in mein Gehirn.

July war raus. Mit ihr wollte ich nur noch eine platonische Freundschaft führen. Dominik hatte eine Chance, auch wenn sich mir mein Magen verdrehte, wenn ich nur daran dachte, dass er mein Herz brechen könnte.

Plötzlich fiel mir ein, dass ich schon länger nichts mehr von Angeko gehört hatte. Hatte ich es geschafft, dass er sich nun um sein Leben kümmerte statt um meins?

Wenn es so war, wollte ich mich nicht beschweren. Ich schaltete mein Handy an und scrollte dann durch meinen geheimen Instagramaccount und las mir die Texte durch. Ich brauchte diesen Account nicht mehr. Aber vielleicht war er wertvoll für andere Menschen, die auf meinem Account Sicherheit fanden.

Dennoch, ich hatte viel über mich und über meine Freunde veröffentlicht und sehr viel über mein Liebesleben preisgegeben. Vielleicht lag Angeko gar nicht so falsch. Ich hatte diesen Account gegründet, um über mein Leben und meine Erfahrungen als Trans-Mann zu sprechen und nun bstanden die letzten Posts nur aus meinem Gequengel, dass ich mich zwischen July und Dominik nicht entscheiden konnte.

Ich sollte echt schlafen gehen. Ich schmiss mein Handy weg, doch meine Gedanken kreisten so sehr um dieses Thema, das ich keine Ruhe fand und es suchte.

Mittlerweile fühlte ich mich nicht mehr angetrunken. Ich scrollte durch meine Bilder und stellte einige Posts auf privat. Von den letzten blieb kaum einer übrig. Freunde, die ich erwähnte, strich ich aus dem Text. Auf diesem Account sollte ich mich auf das Wesentliche konzentrieren, auf queere Themen. Und ich hatte auch schon eine neue Idee.

Ich schrieb sie Michi in einer Nachricht, um sie nicht zu vergessen. Dann brachte ich mein Handy zu meinem Tisch, warf einen kurzen Blick auf Maike und legte mich wieder auf den harten Boden. Da meine Gedanken immer noch wild in meinem Kopf umherwirbelten, stand ich auf und schlurfte in Moms altes Arbeitszimmer. Ich ließ mich in den Bürostuhl sinken, drehte mich im Kreis und zog dann einen Text aus dem Papierhaufen. Ich ließ mich von ihren Worten berieseln. Wie erhofft, beruhigten sie mich und vermittelten mir, dass Mom zwar nicht mehr lebendig bei mir war, doch dass sie nie weg sein würde. Sie hatte ihre Texte als Erinnerung an sie hinterlassen. Sie hatte ein Zeichen von sich in der Welt gelassen.

Mein Herz und meine Gedanken rasten nicht mehr, als ich unter die Decke kroch, mich zudeckte und auf Maikes Schnarchgeräusche hörte, die gerade einsetzten.

Ich grinste bei dem Gedanken, ihr morgen davon zu erzählen. Dann drückte ich endlich beide Augen zu und dämmerte weg.


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Was denkt ihr, welche geheimen Bösewichtspläne Levis Dad verfolgt? Irgendwelche Vermutungen?

𝔻𝔸𝕊 𝕃𝔼𝔹𝔼ℕ 𝕌ℕ𝔻 𝕀ℂℍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt