Fingerfood war natürlich der Erste. Er erschien noch am selben Abend und setzte sich zu Zhéi draußen auf die Bank. Ich wurde in den Hogan verbannt und zauberte aus unseren Vorräten ein bescheidenes Abendessen. Der Freund musste sich mit Kartoffelsalat und Steaks zufriedengeben. Die beiden Männer saßen lange zusammen und ich hätte gerne einmal Mäuschen gespielt und gehört was sie so intensiv zu besprechen hatten, aber der korpulente Navajo sprach Diné und Zhéi saß mit dem Rücken zu mir sodass ich seine Gesten nicht sehen konnte. Ob mir mein Mann je erzählen würde warum die beiden so gute Freunde waren?
Ich lag schon im Bett als ich den Rover wegfahren hörte. Zhéi blieb noch einen Moment draußen und tastete sich dann in die dunkle Hütte. Er pfiff leise. „Ich liege schon im Bett. Es ist kühl draußen und ich dachte, ein vorgewärmtes Bett würde dir gefallen ", meinte ich. Schon berührten mich seine kalten Hände und ich quietschte laut.
Einen Moment noch.
Vorsichtig entfernte er sein Hörgerät und steckte es in die Schutzhülle. Dann entledigte er sich seiner Kleider und kroch zu mir unter die Decke. Jetzt war es für uns beide wie früher: Zhéi hörte und sprach nicht und sehen konnten wir unter der Decke beide nichts. Wir liebten uns auf unsere ganz besondere Art und ich bedauerte kurz die Frauen, deren Männer für den intensiven Körperkontakt keine Zeit hatten. Die Nacht war viel zu kurz für uns, immer wieder trafen unsere Münder auf schweißige Haut und ließen den anderen erschauern.
Tagsüber wurde Zhéi wieder viel lockerer was Körperkontakt anging. In Deutschland hatte er sich angepasst und wir hielten dort auch mal Händchen oder tauschten kleine Zärtlichkeiten aus, hier in der Rez hatte er sich wieder seiner Erziehung zugekehrt und mich manchmal sogar ganz ignoriert. Ich freute mich, wenn er mich zu sich winkte, wenn er mich auf seinen Schoß zog und durch mein Haar strich, obwohl wir vor und nicht im Hogan saßen. Seine Hände wanderten öfter über meinen Körper und ich durfte meinen Kopf unter sein Shirt stecken. „Warum?", fragte ich ihn, als er mir am hellichten Tag einen Knopf meiner Bluse öffnete und sein Gesicht zwischen meine Brüste legte.
Das Leben ist zu kurz, um die Körpernähe nur in der Nacht zuzulassen. Solange niemand bei uns ist, möchte ich darauf nicht verzichten. Es ist eines der wenigen Dinge, die mir geblieben sind.
Mir kam eine Idee und als ich am nächsten Tag loszog, besorgte ich Salbei, Süßgras und verschiedene Düfte, um ihm etwas Gutes zu tun. Von Sarah ließ ich mir genau erklären, wie und wann ich welche Kräuter zu verwenden hatte, welche Tabus es gab und was für sie selbst unbekannt aber vorstellbar war. Als ich nach Hause kam saß Zhéi über seinem Laptop und tippte an seiner Familiengeschichte. Als er hörte, wie ich die Autotür knallte schaute er auf. Am Klang des Motors hatte er erkannt, dass es unser Jeep war, der da gekommen war und er lächelte in meine Richtung.
„Hallo Schatz", begrüßte ich ihn und freute mich darüber, dass er mich hören und verstehen konnte. Lässig ließ ich mich neben ihm nieder und schaute auf sein Geschriebenes. Er war fleißig gewesen. Obwohl er nur mit der linken Hand tippen konnte hatte er ein enormes Tempo vorgelegt und befand sich bei seinem Manuskript schon im Jahr 1960. „Ich habe eine Überraschung für dich", flüsterte ich und lehnte mich an ihn.
Jetzt?
„Nein, heute Abend. Ich muss etwas vorbereiten." Ich baute ein richtiges kleines Spa im Hogan auf: auf dem Ofen angewärmtes Wasser, warme Handtücher, verschiedene Öle und eine Schale mit Salbei standen bereit. Dann rief ich Zhéi herein. Er schnupperte.
„Auf dem Boden hier liegt ein Handtuch. Zieh Shirt und Hose aus und leg dich auf den Bauch." Ich nahm ihn an der Hand und führte ihn zum richtigen Platz. Während er tat was ich gesagt hatte zündete ich den Salbei an und machte leise Musik an. Die Klänge von Trommeln und Flöten ertönten. Es war für mich nicht so einfach mich mit meinem steifen Knie neben Zhéi niederzulassen, schließlich gab ich auf und setzte mich auf seinen Po. Sein Körper erbebte vor lautlosem Lachen. „He, die Sache ist ernst!", rief ich und ließ eins der Öle auf seinen Rücken fließen. Das Beben erstarb. Sanft verteilte ich alles auf seinem Rücken und strich liebevoll über die noch immer kräftigen Muskeln. Zhéi hob kurz den Daumen.
Das tut gut!
Etwas umständlich drehte ich mich um und massierte seine Oberschenkel. Nach einer halben Stunde war ich erschöpft und die Finger taten weh. Zhéi lag auf dem Rücken und seine Haut glänzte.
Morgen fahren wir in die Stadt und mieten uns für ein paar Tage ein Zimmer. Dann können wir duschen und es uns gut gehen lassen.
„Das ist eine gute Idee. Allerdings gibt es ein kleines Problem."
Ich druckste ein wenig herum.
Was?
„Wir haben kein Geld. Ich habe alles ausgegeben."
Zhéi setzte sich auf.
Ich habe nie darüber nachgedacht, das ganze Geld ist für mich ausgegeben worden?
„Ja, aber das ist es doch Wert! Was ist schon Geld gegen das Wunder, dass du wieder hören kannst?"
Du hast keine Hilfe von der Familie eingefordert?
„Nein, ich hatte doch das Geld. Und den kleinen Kredit den ich aufgenommen habe, kann ich in ein paar Monaten von der Rente bezahlen. Allerdings habe ich keine Rücklagen mehr. Ein Aufenthalt im Hotel ist nicht drin. Unser Wasser ist eh fast leer, ich fahre morgen neues holen. Du kannst tragen helfen. Und dann baden wir in unserem Wasserfass."
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Wenn die Seele zerbricht
RomansaFortsetzung der Geschichte: Wenn die Seele heimkommt Zhéí und Karen, die sich jetzt Kara nennt, werden von einem Unwetter überrascht. Während sich Kara mit letzter Kraft aus einem Flussbett retten kann treibt der taubstumme Zhéí in seinem Auto gefa...