10. Kapitel

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Zwei Tage sind vergangen, seitdem Adams junge Freundesgruppe auf der Terasse zu Besuch war.

Zwei Tage an denen ich wieder mehr in mich hinein gesunken bin.

Zwei Tage an denen ich nur Trauer verspürt habe.

Zwei Tage an denen mich niemand abgelenkt hat, sowie Ethan.

Seufzend wälze ich mich hin und her in meinem Bett und starre letztendlich die weiße Decke über mir an. Ich puste eine Haarsträhne, welche mir eben in mein Gesicht gefallen ist, aus dem Sichtfeld.

Langsam gebe ich die Hoffnung auf, dass ich noch einschlafen kann. Morgen beginnt der erste Tag an meiner neuen Schule. Ich hätte laut meinem Dad auch noch Zuhause bleiben dürfen, aber ich sehne mich nach Ablenkung.

Murrend stehe ich von meinem Bett auf und stampfe genervt aus dem Zimmer. Allerdings immer noch ein leises Stampfen, da ich Dad nicht aufwecken möchte. Ich gehe auf die Badezimmertür zu und reiße sie mit einem Schwung auf.

Erschrocken rutscht mir mein Herz in die Hose, als jemand im Badezimmer steht.

Mein Herz klopft wie wild aus Angst und als ich erkenne, dass es Ethan ist, wird es nicht unbedingt langsamer.

"Ethan??"

Da steht er nun.

Oberkörper frei.

Leise schließe ich die Tür hinter mir.

Er hat seine Hände gegen das Waschbecken gestemmt und sein Gesicht ist leicht nass, wie auch seine Hände. Natürlich kann ich es mir nicht verkneifen mir einen Moment zu nehmen, um seinen perfekt definierten Oberkörper anzusehen. Dabei fällt mir sofort der riesen blaue Fleck an seinen Rippen auf.

"W-Was tust du denn schon wieder hier?", frage ich verwirrt als erstes.
Ethan schließt für einen Moment erschöpft die Augen und fühlt sich offensichtlich nicht bereit dazu, ein paar Fragen zu beantworten.

Seufzend gebe ich nach und entscheide mich dafür, ihn in Ruhe zu lassen.

"Schon gut", meine ich nur noch und drehe mich zu der Badezimmertür hin.

"Warte", lallt Ethan und kommt schwankend auf mich zu. Reflexartig gehe ich einen Schritt rückwärts und stehe nun mit dem Rücken an der Tür gepresst.

"Warte, Rachel", kommt es nochmal aus seinem Mund und nun stolpert er so weit zu mir, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüre. Er stützt hilfesuchend seine beiden Arme rechts und links von mir an der Badezimmertür ab und steht nun wackelig vor mir.

"Wieso trinkst du Alkohol an einem Sonntag?", frage ich ihn genervt von seiner Fahne, die er hat.
Er sieht mich an und ich schlucke.

Seine traurigen Augen, in denen sich Flüssigkeit angesammelt hat, zerreißen mich.

Ethans Arme rutschen von der Tür nach unten und umklammern im nächsten Moment meine Taille. Er zieht mich fest an sich und versteckt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Ich spüre wie sein ganzer Körper an mir zittert. Zudem spüre ich wie meine Haut nass von seinen Tränen wird.

Obwohl mich die ganze Situation sehr überrumpelt hat, lege ich trotzdem mitfühlend meine Arme um ihn. Scheinbar muss bei ihm Zuhause etwas schlimmes passiert sein, wenn er so aussieht, getrunken hat und wieder bei uns schläft.

Ich höre Ethan erleichtert ausatmen, als ich ihm sanft mit meinen Händen über seinen Rücken streiche.

Wir stehen bestimmt ganze fünf Minuten so, bis ich ihn vorsichtig von mir weg schiebe.

Ethan sieht enttäuscht aus und seine Schultern hängen nach unten. Ich blicke nach unten und sehe seinen großen blauen Fleck an.

Ethans Finger krallen sich angespannt in mein Top hinein.

"Kannst du..kannst du mir helfen mich ins Bett zu bringen?", fragt er nuschelnd nach.

Ich nicke, öffne die Tür und lege stützend einen Arm um ihn. So laufen wir dann zu ihm in sein scheinbar eigenes Zimmer. Es ist kein schlichtes Gästezimmer. Es sieht aus, als wäre Ethan der Sohn von meinem Dad. Es ist alles eingerichtet für einen Jungen in Ethans Alter.

Wie lange lässt mein Dad ihn denn schon hier schlafen?

Ich helfe Ethan sich ins Bett zu legen und werfe sanft die Bettdecke über ihn.

Ethan fängt an sich unter der Decke zu bewegen und wirft dann plötzlich seine Jeanshose auf den Boden.

"Gute Nacht, Ethan", flüstere ich noch und steuere auf die Zimmertür zu.

"Rachel?"

Will ich überhaupt wissen, was als nächstes aus seinem Mund kommt?

"Ja?", gebe ich dann nach. Schließlich kann ich nicht einfach so abhauen.

"Kannst du..magst du hier bleiben..bei mir?"

Ethan setzt sich wieder auf und sieht mich hilfesuchend an. Oh man. Mein Herz wird weich, als ich seinen Blick erwidere.

"Du kannst auch Schafi diese Nacht haben", besticht mich Ethan und hält mir sein Kuscheltier hin, welches ein weißes Schaf ist.

Ich muss augenblicklich schmunzeln und komme dann ergeben zu Ethan.

Da sein Doppelbett mitten im Raum steht und nicht an der Wand gehe ich auf die leere Betthälfte zu und lege mich etwas nervös zu dem traurigen Jungen.

Im selben Moment drückt Ethan mir sein Kuscheltier entgegen und ich nehme es überfordert in meine Hände.

Ethan lässt sich wieder nach hinten fallen und ich tue es ihm gleich. Wir legen uns beide auf die Seite und sehen den Gegenüber von uns sehr nahe in die Augen.

"Wenn mein Dad uns erwischt sind wir am Arsch", flüstere ich ihm dann zu.

"Schon okay. Immer noch besser wie jetzt alleine zu sein", antwortet mir Ethan ehrlich und ich lächle. Wieso lächel ich?

"Hier", sage ich und gebe ihm sein Kuscheltier wieder zurück. "Du brauchst es heute mehr als ich."

Ethan umgreift sein geliebtes Schaf und drückt es an seine Brust. Er gibt ihm noch einen schnellen Kuss und schließt dann seine Augen.

Gott, wie betrunken ist dieser Junge bitte?

Ich glaube das wird noch eine sehr lange Nacht.

◇◇◇◇◇

Meinungen?

Eure
Melli♡

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