3. Kapitel

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1. Klasse.

Wir fliegen 1. Klasse.

Wie viel Geld hat mein Dad denn überhaupt? Ich fühle mich unwohl. Immer habe ich mir vor meinen Freunden so einen Luxus gewünscht. Jetzt will ich es nicht mehr. Das bin nicht ich. Allerdings lasse ich wie bisher meinen Dad einfach machen. Wie wir fliegen ist unwichtig. Alles ist zu unwichtig, um darüber zu diskutieren. Alles außer Mom.

Ich bin rundum versorgt mit Getränken und leckerem Essen, einen perfekten Sitz. Allerdings habe ich keinen Appetit. Ich will nichts davon. Ich will meine Mom wieder haben.

"Es wird dir gefallen in San Diego. Die Schule dort ist auch wirklich super."

Ich sehe ihn genervt an und seufze. Mehr möchte ich nicht von mir geben.
"Du-Du musst natürlich nicht sofort wieder in die Schule. Du kannst dir eine Auszeit nehmen."

"Schon gut", hauche ich und starre auf meine Hände, welche leicht auf meinem Schoß liegen.
"Ich weiß, dass das alles gerade sehr viel für dich ist. Aber ich bin überzeugt davon, dass du dich in San Diego wohlfühlen wirst. Es wohnt auch ein netter Junge neben meinem Haus. Er ist auch in deinem Alter."
Desinteressiert nicke ich einfach nur und sehe dann aus dem kleinen Fenster. Mir wäre es lieber, wenn er es sein lässt immer zu versuchen ein Gespräch zu finden und zu beginnen. Seine ständigen Motivationen sind anstrengend. Ich will mich gerade nicht motivieren. Ich will meine Trauer. Mom hat es verdient, dass man um sie trauert und sie nicht sofort vergisst. Ich will mich in dieser Situation nur schlecht fühlen. Nicht glücklich. Mein Gewissen würde mich zerfressen, wenn ich nur einmal lachen würde.

Nach ständigen versuchten Gesprächen, lässt es mein Vater dann endlich sein. Ich schließe meine Augen, doch dann schießen mir wieder die Bilder von Mom an dem Abend in den Kopf. Ich reiße meine Augen auf und schlucke erschrocken.

Ihre Augen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nur an meine Hoffnung geklammert. In diesem Moment war es für mich zu unrealistisch nur zu denken sie wäre tot. Aber sie war sofort tot. Und ihre Augen blieben offen. Ihre Augen verfolgen mich. Ich hatte noch nie so etwas schlimmes gesehen. Sie sah so..

Ich blinzel ein paar Mal und will meine Gedanken wegschieben. Meine Gedanken fressen mich auf.

"Alles okay?", fragt mich mein Vater besorgt.

Ich nicke.

Gerade wäre ich froh, um seine Gespräche. Etwas Ablenkung wäre hilfreich, aber ich bin immer noch wütend auf ihn. Er hat Mom und mich sitzen lassen. Ich will seine Ablenkung nicht. Nicht von ihm. Aber er ist der einzige, der hier ist. Der mich kennt. Meine Gefühle sind durcheinander. Ich will ihn nicht hassen, weil ich nur noch ihn habe. Aber ich tue es.

Seit wann hat er eigentlich ein Haus?
Vor vier Jahren war er noch in einer Wohnung. Was hat er in dieser Zeit alles getrieben, um jetzt soviel Geld zu haben?

Mein Dad legt sanft seine Hand auf meine und drückt sie mitfühlend. Ich sehe ihn von der Seite an und er erwidert meinen Blick.

"Du weißt, ich hab dich lieb, Rachel."

Ich lasse ihn. Ich rede nicht dagegen. Vieles spricht dagegen, was er jetzt wieder behauptet. Aber ich habe keine Lust und Kraft darüber zu streiten. Wenn er es jetzt in diesem Moment so empfindet, dann soll er es glauben. Ich glaube es nicht. Doch meine Meinung bleibt für mich in meinem Kopf.

"Ich muss kurz auf die Toilette. Lässt du mich raus?", frage ich ihn.
Sofort steht er auf und lässt mich vorbei. Eilig gehe ich auf die kleine Toilettenkabine zu, welche allerdings sehr schön ist. Ich stelle mich vor das weiße Waschbecken und schaue mir selbst in die Augen durch den Spiegel vor mir. Ich mustere meine Gesichtszüge, meine Augen. Eine blonde Strähne fällt mir in mein Gesicht. Ich sehe blass aus, meine Augen fallen nach unten und meine Augenringe sind kaum zu übersehen. Genauso wie ich aussehe, fühle ich mich auch.

Ausgelaugt.

Ich drehe den Wasserhahn auf und lasse eiskaltes Wasser über meine Unterarme laufen. Das hatte mir schon immer gut getan. Ich schließe meine Augen und genieße die Kälte auf meiner heißen Haut. Ich nehme mir einen kurzen Moment und genieße einfach nur.

Ich atme laut aus.

"Rachel."

Verwirrt drehe ich mich um. Doch hier ist niemand. Ich drehe den Wasserhahn zu und trockne mir meine Arme und Hände mit den Papierhandtüchern ab. Ich sehe mich noch einmal in dem Spiegel vor mir an und sage zu mir:"Du wirst noch verrückt. Reiß dich zusammen, Rachel."

Dann öffne ich die Kabinentür und sehe von weitem meinen Vater auf seinem Platz sitzen. Er starrt in sein Handy. Scheinbar hatte ich es mir wirklich eingebildet, dass jemand meinen Namen gesagt hat.

Ich gehe wackelig auf Dad zu. Er sieht auf und steht ebenso sofort auf, damit ich mich wieder setzen kann.

"Wir landen gleich. Gurte dich am besten schon mal an."

Ich nicke und tue das was er sagt.

◇◇◇◇◇◇◇◇

Hallo, ich würde mich sehr über jeden Kommentar freuen:)

Eure
Melli♡

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