2. Kapitel

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Ich setze mich auf mein Bett in meinem Kinderzimmer. Unmotiviert starre ich den nun leeren Raum an. Er wirkt so fremd, obwohl er bis vor kurzem noch mein Wohlfühlort war. Mit Mom. Jetzt nicht mehr. Es ist alles anders. Dad kommt zu mir in mein Zimmer und unterbricht meine Gedanken. "Komm das nehm ich dir ab. Ich glaube dann haben wir alles", meint er und geht mit meinem letzten Gepäck aus dem Zimmer.

Meine Beine fühlen sich viel zu schwer an, um aufzustehen und mein Zuhause zu verlassen. Dad kann aufgrund seiner Arbeitsstelle nicht zu mir nach Corinth ziehen, weshalb er mich mitnimmt zu sich nach San Diego. Ich will nicht, um es kurz zu fassen. Ich liebe diese kleine Stadt. Mein kleines Haus mit Mom. Es hat nur ein Erdgeschoss und ist sehr klein, aber es war mein Zuhause. Vor Freunden war es mir immer unangenehm hier zu leben. Meine Mom und ich haben nicht viel Geld, aber wir hatten ein gutes Leben und es hat ausgereicht. Nur haben viele meiner Freunde mehr Geld und sind auch sehr oberflächlich. Ich wollte immer so sein wie sie. Wie mein Freund.

Ex-Freund.

Er hat sich bis heute nicht bei mir gemeldet und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich wegen so einem Idioten zusätzlich noch Liebeskummer habe. Das waren die letzten Tage einfach zu viele Verluste, welche ich kaum verkrafte. Aktuell gehe ich einfach nur leblos durch mein Leben und versuche..zu überleben.

Immer wieder passiert es mir, dass leise Tränen über meine versteiften Wangen laufen. Ich wische sie immer wieder sofort weg und lebe weiter.
Mehr nicht. Mehr schaffe ich nicht. Mehr will ich nicht.

Mein Dad versucht frischen Wind in mein Leben zu bringen und gibt sich sehr viel Mühe. Es fällt mir nur sehr schwer, dies zu schätzen. Die letzten vier Jahre hatte es ihn auch nicht interessiert, wie es mir geht. Er hat soviel Kindheit von mir verpasst. Ich bin wütend. Trotzdem lasse ich mich kraftlos von ihm mitziehen. Irgendjemand muss jetzt das Steuer für mein Leben übernehmen. Denn ich bin aktuell nicht in der Lage dazu. Also lasse ich meinen Dad einfach machen.

Dad kommt wieder zu mir und setzt sich neben mich auf das kleine Bett. Er legt seinen Arm um mich und obwohl ich mich unwohl fühle, lasse ich ihn einfach machen.

"Ich weiß, dass das alles zu viel gerade ist. Und glaub mir Rachel, ich vermisse sie auch. Sehr sogar. Aber-"

Ich schneide ihm das Wort mitten in seinem Satz ab und funkel ihn wütend an.

"Du hast dich jahrelang nicht blicken lassen und behauptest jetzt sie auch zu vermissen?", lache ich wütend und provozierend.

Was erlaubt er sich?

Mein Vater senkt den Kopf und schließt kurz seine Augen, um durchatmen zu können. Ich habe kein Verständnis für ihn übrig. Nicht wenn es um Mom geht.

"Ich weiß du bist wütend. Vielleicht ist auch jetzt nicht wirklich der richtige Zeitpunkt, um über alles zu sprechen. Was ich sagen wollte ist, sie war immer ein toller Mensch. Ich war derjenige der Fehler gemacht hat, nicht sie. Wir haben uns getrennt, aber ich habe deshalb nicht aufgehört sie zu lieben, Rachel. Deine Mom würde jetzt nicht wollen, dass es dir so geht."

Meine Wut legt sich etwas und ich gebe auf Energie für ihn aufzubringen. Ich sacke mit meinen Schultern zusammen und nicke stumm.
Mein Dad beugt sich etwas zu mir und drückt mir einen leichten Kuss auf meinen Kopf. Er streicht mir noch auf meinen Rücken und steht dann letztendlich auf.

"Na komm", meint er und reicht mir seine Hand. Ich stehe auf, ohne seine Hand zu nehmen. Er merkt, dass er nicht zu viel von mir erwarten darf.
"Lass uns losfahren, Rachel. Wir dürfen unseren Flug nicht verpassen."

Seufzend folge ich ihm zu dem Taxi, welches vollbeladen ist mit meinen und Moms Sachen. Viel hatten wir nicht, aber es ist unbezahlbar. Mit glasigen Augen schaue ich zu meinem Haus zurück. Mein Dad steht neben mir und sagt leise:"Das Haus gehört immer noch uns. Ich verkaufe es nicht. Du kannst es jederzeit besuchen, wenn es dir hilft."
Überrascht sehe ich zu ihm auf. "Du verkaufst es nicht? Wieso nicht?"
"Ich brauche das Geld nicht und ich weiß, dass es dein Zuhause bleibt. Das will ich dir nicht nehmen. Es war auch mal mein Zuhause."

"Danke", krächze ich leise hervor.

Mir fällt ein Stein von meinem Herzen. Obwohl es nur Materiell ist, habe ich trotzdem das Gefühl, dass mir ein Stück von Mom für immer bleiben wird. Das macht es etwas leichter.

Ich steige in das Taxi ein und drücke mir meine Bluetooth Kopfhörer in meine Ohren. Mein Vater hat sie mir gestern geschenkt mit einem bezahlten Spotify Account, damit ich während der langen Reise Musik hören kann. Während wir durch Corinth fahren, denke ich an meine Erinnerungen aus der Kindheit zurück. Es macht mich traurig, dass ich es nie zu schätzen wusste. Ich wollte immer viel Geld haben. Viel Kleidung, Schminke bis ich tot umfalle, das neueste Handy, um es meinen Freunden unter die Nase zu reiben. Freunde. Das kann ich nicht wirklich behaupten. Niemand war bei mir. Jedem hier geht es nur um sich selbst. Wie man am meisten von der Menge herausstechen kann. Wer ist am schönsten, hat am meisten Kleidung, die neuesten Handtaschen. Wer verliert zuerst seine Unschuld und ist somit reifer als die anderen. Ein dauerhafter Konkurrenzkampf. Und ich habe mitgemacht, um gesehen zu werden. Um gemocht zu werden.

Und wohin hat es mich gebracht? Wenn ich meine Freunde dann brauche, ist niemand da.

Der Kampf war umsonst.

◇◇◇◇◇◇◇◇

Hallo, ich freue mich auf das Buch und habe mal wieder unendlich Lust zu schreiben. Das ist ein tolles Gefühl.

Gefällt euch das Kapitel?

Eure
Melli♡

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