Dormir à la belle Étoile

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Der Sternenhimmel zeigt sich ohne störenden Mond. Die erste Nacht unter freiem Himmel ist unbeschreiblich. Bisher kannte ich die Milchstraße nur aus Neuseeland. Auf der Nordhalbkugel konnte ich sie bisher noch nie so schön sehen. Doch hier, in der Wüste, ohne jede künstliche Lichtquelle, zeigt sich mir ein Bild, das ich nicht in Worte fassen kann.

Zudem steht die erste Nacht noch unter einem sehr günstigen Stern: Es ist die Nacht der sich erfüllenden Träume und Pläne. Was man sich in dieser Nacht vornimmt, das wird sich entwickeln und Realität werden - inschallah. So sagt man hier in Marokko und ich nehme diese schöne Tradition sehr gerne an. In dieser Nacht. Zudem sehe ich eine wunderschöne Sternschnuppe - besser kann es nicht werden. Welche Pläne ich mir geschmiedet habe, bleibt mein Geheimnis. Tatsache ist, dass ich mir nicht nur für mich einen Weg ausdachte. In dieser Nacht waren meine Gedanken auch ganz nah bei ... Nun ja, nicht bei mir.

Einen Nachthimmel zu fotografieren ist nicht einfach; ich bin kein Profi. Meine Fotos werden schrecklich; nur die Bilder in meinem Kopf sind gestochen scharf und keiner der leuchtenden Punkte am Nachthimmel hat exakt die gleiche Farbe wie die anderen. Es ist nicht einfach ein schwarzer Himmel mit weißen Punkten, es ist ein Zusammenspiel verschiedener Sterne, jeder mit seiner Eigenheit und viele von ihnen mit eigenen Planeten. Es ist wunderbar zu sehen, dass die Erde mit Sicherheit nicht der einzige Planet ist, auf welchem sich Leben hat entwickeln können.

Geschichten tauchen auf, flimmern durch meinen Kopf und hinterlassen Spuren, die eventuell einst in andere Geschichten mit einfließen werden. Sehr lange kann ich nicht einschlafen; ich muss wach bleiben und diesen Himmel ansehen. Meine Seele, meine Gedanken sind noch nicht bei mir, sie sind im Universum und flitzen auf der Milchstraße in die Unendlichkeit.

Viele Menschen können nicht unter freiem Himmel schlafen, sie brauchen mindestens ein Zelt. Für mich ist das so schön! Dormir à la belle Etoile. Es gibt da nichts zwischen dem Universum und mir. Ich liege im Sand, spüre meinen Planeten unter mir. Er hält mich, er wärmt mich und gleichzeitig zieht mich die Weite zu sich. Das Zusammenspiel von Geborgenheit und faszinierender Ferne lässt mich schweben. Keine Druckstellen, Seele baumeln lassen und genießen. Ob ich Angst hatte, fragst du? Nein, nicht eine Sekunde. Skorpione, Spinnen, Schlangen, Käfer, ich, die Dromedare, meine Freunde - wir alle wollen leben. Wir wollen nicht töten - also nein, hier ist keine Angst.

Man sagt, in der Wüste werde es nachts sehr kalt. Verglichen mit den Temperaturen, die tagsüber herrschen, mag das stimmen. Da misst man gerne mal einen Unterschied von vierzig Grad und mehr - das fühlt sich kalt an. Wenn man jedoch die effektive Temperatur betrachtet, die sich so um die zwei bis fünf Grad Celsius bewegt, so ist es nicht allzu kalt. Mein Schlafsack hält mich warm und den Kopf stecke ich einfach in eine Wollmütze. Das ist sehr kuschelig - und das Schönste daran, wenn ich mit den Nächten im Freien in der Schweiz vergleiche: Da ist nichts nass, wenn ich morgens aufwache. Keine Taufeuchtigkeit, kein Nebel, nur herrlich trocken. So macht draußen Schlafen Spaß.

Zweimal hat Ismail die Dünen mit Kerzen geschmückt und dadurch ein Ambiente erschaffen, das kein Luxushotel toppen könnte. Der jüngste Sohn hat ein Gespür für Stil und Wellness. Mir gefällt das. Mit wenigen Hilfsmitteln und bloßen Händen erzeugt er magische Momente. In diesem Licht, bei dieser Kulisse, setzen wir uns alle auf den großen Teppich und singen. Leere Wasserkanister sind unsere Instrumente, unsere Stimmen die Musik. Ich habe keine Ahnung, was ich singe, doch ich spüre die Energie der Musik. Als wir auch ein Lied in Schweizer Mundart singen, geht es unseren Begleitern genau so - doch das spielt keine Rolle. Musik ist universell, grenzenlos und ohne Sprachbarriere.

Die Nächte in der Wüste sind nahezu genauso spannend wie die Tage. Nirgends in Europa hatte ich bisher diese Stille gehört. Selbst in der abgeschiedensten Einöde Süditaliens sind immer Zikaden und andere Tiere hörbar. Hier herrscht einfach nur Stille. Jede meiner Bewegungen hört sich wie ein Popkonzert an, zu laut, zu fremd. Nicht umsonst hat der süße Fennek große Ohren - mein Rascheln wird ihn vertrieben haben. Diese Nächte werde ich mit Sicherheit vermissen.

 Diese Nächte werde ich mit Sicherheit vermissen

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Ende des Ramadan - die Sichel ist sichtbar. © Bruno Heter, 2024

Dünenambiente von Ismail; © Bruno Heter, 2024

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Dünenambiente von Ismail; © Bruno Heter, 2024

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