Kapitel 3 - Colin

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Der Alltag hatte uns schnell eingeholt und wir merkten, dass es deutlich anstrengender war, als erwartet. Die Wohnung wurde ziemlich vernachlässigt, weshalb alles staubig war und überall Klamotten oder Müll rumlag. Doch dieses Wochenende hatten wir uns vorgenommen, unsere Wohnung mal wieder so richtig zu putzen und auf Vordermann zu bringen.

Ich übernahm an diesem Freitag die Schicht im Café. Das bedeutete, ich war erst halb sieben zu Hause. Schon als ich das Treppenhaus im Mehrfamilienhaus nach oben lief, kam mir der Geruch von Pizza in die Nase. Darauf hätte ich jetzt wirklich Lust. Aber kam der Geruch von uns, oder von einer anderen Wohnung?

Ich schloss unsere Tür auf. Der Geruch kam definitiv von uns. Aus der Küche hörte ich Schritte, welche näher zu mir kamen, bis Noah schließlich vor mir zum stehen kam. „Hey!" sagte er leise und gab mir einen zarten Kuss auf die Lippen, welchen ich nur zu gern erwiderte. „Hi." erwiderte ich, als wir uns lösten. „Hast du Pizza gemacht?" fragte ich dann sofort aufgeregt. Er grinste und zuckte unschuldig mit den Schultern.
Schnell hing ich meine Jacke auf und folgte ihm in die Küche. Tatsächlich. In der Mitte des Tischs stand ein großes Blech mit Pizza. Noah war einfach der beste. „Dankeeee!" Ich fiel ihm um den Hals. Er schmunzelte und legte dann seine Arme um meine Hüfte. Er wollte sich gerade zu mir hoch beugen, um mich zu küssen, da ließ ich grinsend von ihm ab. „Nicht jetzt, sonst wird die Pizza kalt!" sagte ich in einem gespielten ersten Ton. Noah verdrehte darauf nur die Augen, konnte sich ein Lächeln aber auch nicht verdrücken.

Wir setzten uns an unseren kleinen, quadratischen Tisch. Sofort nahm ich mir ein Stück Pizza und biss ab. Noah hatte wirklich genau meinen Geschmack getroffen. Er kannte mich einfach viel zu gut. „Die Pizza ist super." nuschelte ich mit vollem Mund. Noah lächelte mich an. Dieses Lächeln erwärmte mein Herz jedes Mal. Es war ehrlich und zeigte so viel Liebe und Zuneigung.

„Wie war dein Tag?" fragte ich ihn irgendwann. „Ganz gut. Hab die Chemie-Arbeit wiederbekommen." Seine Stimme klang niedergeschlagen. Hatte er wieder eine schlechte Note? Wir hatten doch extra zusammen gelernt. „Was hast du drauf?" fragte ich neugierig, aber trotzdem vorsichtig.
Mit einem Schlag veränderte sich sein Gesichtsausdruck zu einem breiten grinsen. „11 Punkte!" teilte er mir stolz mit. „Wow, cool! Ich wusste, du kannst das." meine Worte waren ehrlich. Ich wusste, Noah kann das. Wenn er wollte. Er war schließlich noch nie der größte Chemie Liebhaber. „Nächstes Mal musst du mir unbedingt wieder helfen!" meinte er. „Klar!" sagte ich darauf nur. Mir persönlich machte es jedes Mal total viel Spaß, zusammen mit Noah zu lernen. Dadurch lernten wir von- und miteinander. Noah war zwar meistens sehr unmotiviert, aber letztendlich gab er sich doch immer geschlagen und setzte sich dazu. Ihm fiel lernen einfach viel schwerer, als mir.

„Und wie war dein Tag?" fragte mich Noah. „Gut. Wenn auch etwas zu lang. Ich hab es nach der Schule nicht geschafft, nochmal nach Hause zu kommen vor der Arbeit. Deshalb freue ich mich umso mehr darauf, jetzt wieder hier zu sein." erzählte ich. Noah nickte verstehend.

In den letzten Tagen hatten wir viel geredet. Vor allem beim Abendessen, da das gerade die einzige Zeit war, die wir uns so richtig sahen unter der Woche. Der Job im Café raubte uns ein wenig die gemeinsame Zeit.
Wir redeten viel über uns, aber auch viel über unsere Zukunftspläne. Da konnte man sehen, wie unterschiedlich wir eigentlich waren. Doch zum Glück wollte Noah nächstes Jahr ein Studium an einer Uni in Köln starten. So konnten wir beieinander bleiben. Er hatte sich für ein Regie-Studium entschieden und auch schon einige Bewerbungsunterlagen an die Universität gesendet. Er wollte das alles schnellstmöglich abhaken, damit er diesen Platz bekam. Es bedeutete uns beiden so viel.

Wir redeten aber auch viel über unsere Gefühle. Ich merkte, dass es Noah Anfangs sehr schwer fiel. Er war nie jemand, der gern über sich redete. Aber die letzten Tage hatte er sich mir sehr geöffnet und einiges von seiner Gefühlswelt preis gegeben. Das machte mich wirklich glücklich. Ich wusste schließlich, dass er sonst mit niemandem so offen sprach. Zu seinen Eltern hatte er ja noch nie ein gutes Verhältnis. Wir waren schon froh, dass sie zugestimmt haben, dass Noah mit einem ‚guten Freund' zusammen ziehen durfte.

Noah wollte seinen Eltern noch nichts von uns erzählen, da er nicht davon ausging, dass sie positiv reagierten. Seine Eltern waren zwar, soweit er wusste, nicht homophob, aber jetzt auch nicht sonderlich begeistert von Homosexualität. Deshalb verschoben wir sein outing noch ein wenig nach hinten.

Bei meinen Eltern hatten wir uns ziemlich schnell geoutet. In den Sommerferien waren Noah und ich sie besuchen.

Meine Eltern waren viel unterwegs, weshalb ich auch letztes Schuljahr mit bei Julia gewohnt hatte. Gerade lebten sie in der Nähe von Hamburg, nur eine halbe Stunde von der Nordsee entfernt.

Die Tage dort waren echt schön gewesen und gingen demnach viel zu schnell vorbei.
Wir waren viel baden, auch meine Eltern und unser Spaniel Elly waren oft mit am Strand.
Sie hatten Noah sofort ins Herz geschlossen. Die ersten Tage taten wir so, als ob wir einfach nur beste Freunde waren, weil wir ihnen die selbe Story erzählt hatten, wie Noahs Eltern. Sie dachten auch, dass wir einfach als zwei Freunde zusammen zogen. Aber dann haben sie uns, naja, erwischt. Da haben wir es ihnen erzählt. Sie haben es total locker aufgenommen und freuten sich riesig für uns. Sie meinten aber auch, dass man es uns angesehen hat.

Gerade dachte ich an den Moment zurück, an dem Noah mit Elly im Wasser getobt hat. An sich war an diesem Tag einfach alles viel zu perfekt. Das war wahrscheinlich einer der besten Tage meines Lebens. Zusammen mit dem Tag, an dem ich Noah das erste Mal so richtig geküsst habe.

Unbewusst musste ich lächeln. Noah musterte mich fragend. „Alles ok?"
Er riss mich aus meiner Gedankenwelt. „Was? Ja, alles gut. Hab nur nachgedacht." sagte ich mit einem Lächeln im Gesicht, welches Noah erwiderte. Ich glaubte, er erahnte, woran ich gerade gedacht hatte.

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