╰──╮𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟏𝟏╭──╯

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J I S U N G
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KOMPLETT ÜBERMÜDET ABER auch motiviert, um endlich wieder etwas im Studio zu arbeiten, ließ ich mich auf dem einzigen, noch freien Stuhl nieder und gleichzeitig auch mein Handy achtlos neben mir auf den Tisch fallen. »Hey«, brachte ich gerade so noch kraftlos hervor, zu Chris und Changbin, welche bis eben noch komplett in ihrem eigenen kreativen Prozess verloren waren.

Ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir behaupten, aber ich war in den letzten Tagen in anderen Dingen verloren gegangen. Noch nie hatte sich mein Schlafrhythmus so schnell einer Person angepasst, die sich nicht weniger um den gesundheitlichen Zustand hinter diesem Verhalten kümmern könnte.

Genauso erwartete ich aber auch irgendwelche herablassenden oder vielleicht sogar aufziehenden Kommentare meiner Freunde, jedoch wussten sie mehr über meine aktuelle Situation Bescheid, als mir lieb war. Immerhin blieb es nicht sonderlich geheim, wenn ich zu den Zeiten schlafen ging, wo sie schon putzmunter durch die Wohnung hüpften.

Und das war nicht mal untertrieben. So eine positive Ausstrahlung, wie Changbin sie um sechs Uhr morgens hat, hätte ich auch gerne.

»Mal wieder eine kurze Nacht, was?«, fragte Chris nach und nahm seine Kopfhörer von seinen Ohren herunter. Währenddessen kämpfte ich ironischerweise damit, nicht den Kopf auf den Tisch knallen zu lassen und hier und jetzt auf der Stelle einzuschlafen. Jedoch hatte ich mir mit dieser Aktion heute selbst ins Bein geschossen – ich wollte ja unbedingt mal wieder ins Studio und direkt danach musste ich noch für einen kurzfristig krankgeschriebenen Kollegen im Café einspringen.

Also stützte ich meinen Kopf mit beiden Armen, lächelte sanft und erwiderte:»Ja, aber es lohnt sich jedes Mal aufs Neue.«

Das tat es wirklich. Ich hätte nie gedacht, dass Minho und ich tatsächlich so etwas wie 'Freunde' werden könnten, aber nach meinem Versuch auf einen Neustart ohne Vorurteile schrieben wir jeden Tag – oder eher gesagt, jede Nacht. Dabei ging es um so viele Themen, Dinge, Gedanken und Träume, und manchmal auch um absolut gar nichts.

»Ohhh«, machten sie beide im Chor und tauschten vielwissende Blicke aus, wobei sie allerdings gar nichts wussten. Nach Chris' Anstoß darauf, dass ich ihm noch eine Chance geben sollte, kam Minho nie wieder direkt als Thema auf. Sie kannten nicht mal seinen Namen.

»Scheint so, als würde sich da etwas entwickeln«, deutete Changbin an und wackelte mit den Augenbrauen. Er wollte direkt weitersprechen und sich höchstwahrscheinlich einen eigenen Reim auf diese Geschichte machen, aber ich machte ihm umso schneller einen Strich durch die Rechnung:»Freunde. Mehr wird daraus nicht. Er steht nicht auf Männer.«

»Ah, sicher«, entgegnete er unüberzeugt und nickte enthusiastisch, »Deswegen hattet ihr auch ein Match. Weil du angegeben hast, dass du auf Männer stehst und er hat Frauen angegeben. Wäre mir zwar neu, aber wenn du jetzt zur Frau geworden bist...«

Mit ernster Miene legte ich meinen Kopf in die Seite und sah ihn abwartend und auch verurteilend an. Natürlich konnte er den tatsächlichen Grund dafür nicht kennen, jedoch störte mich seine Art, wie er auch ohne dieses Wissen damit umging. »Seine Freunde haben ihn dort angemeldet und ihn verarscht«, klärte ich ihn also auf, aber er schien den Ernst in meiner Stimme immer noch nicht verstanden zu haben.

»Dann haben sich ja wirklich zwei gefunden«, scherzte er weiter herum, worauf auch Christopher ein leichtes Auflachen nicht zurückhalten konnte. Entsetzt, aber auch irgendwo amüsiert stieß ich stoßartig Luft aus und meinte:»Ihr seid unmöglich!«

𝗙𝗔𝗞𝗘 | 𝖬𝖨𝖭𝖲𝖴𝖭𝖦Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt